Wild West Exodus: Gunfight at Red Oak – Test

    Warcradle Studios bietet mit „Gunfight at Red Oak“ ein Einsteigerset für ihr Miniaturenspiel Wild West Exodus an. Hier liefert sich der Gesetzlose Jesse James eine Schießerei mit dem Gesetzeshüter Wyatt Earp, beide unterstützt von ihren Jungs und automatischen Kampfmaschinen in Hundeform. Klingt abgefahren? Für Fans von Steampunk/Weird West vollkommen normal, und auch Parallelen zu Marshall Barvestarr lassen sich nicht von der Hand weisen.

    Inhalt

    Die Box allein wirkt schon wertig; obwohl es sich um eine einfache Pappschachtel handelt, gibt ihr der Holzfurnieraufdruck ein edles Aussehen. Der Inhalt besteht aus zwei Posses (Einheitengruppen) und allen nötigen Regeln, Karten und Kleinteilen, aber das leider nur für eine Person – mehr dazu unter „Kritik“.

    Spielmaterial

    Die Karten sind von guter Qualität, seidenmatt gedruckt und beidseitig mit Informationen versehen. Die Pappe der Tokens und des Lineals sind dick und widerstandsfähig. Die Flammenwerferschablone besteht aus durchsichtigem Plastik. Dazu kommt ein Satz von vier zehnseitigen Würfeln, die das Wild West Exodus – Logo tragen. Alles in allem ordentliche Spielmaterialien – es fehlen einzig und allein Marker für die verbleibende Menge an Fortune (einer Resource, die Anführer für Sonderaktionen verwenden können), welche ich stilecht durch Pokerchips ersetzt haben. Gelände findet sich in der Box ebenfalls nicht.

    Miniaturen

    Die 35mm-Miniaturen kommen in zwei Plastikgussrahmen und sind für einen geübten Bastler problemlos an einem Abend zu bewältigen. Bei meinen Set waren ausserdem erstaunlich wenig Gussgrate zu finden, so dass ich nicht mehr viel zu säubern habe. Anleitungen für den Zusammenbau gibt es auf der Homepage, nicht allerdings in der Box. Das war zuerst etwas verwirrend, wird doch Jesse James als erster Charakter angeführt, welcher erst mal unintuitiv das B zugewiesen bekommt, im Gussrahmen jedoch aus den F-Teilen besteht. Wer aber einfach stumpf die Buchstaben im Gussrahmen befolgt, sollte kein größeres Problem mit dem Zusammenbau haben.

    Die fertigen Miniaturen sind wirklich schön und bedienen eine Nische, die zwischen Fantasy und Sci-Fi fast altmodisch wirken würde, wenn da nicht die Liebesbekundungen an Steampunk wären. Der Blickfänger ist hier sicherlich der Bandit Outrider, der auf seinem massivem Bike, das einem Zug nicht unähnlich sieht, das Schlachtfeld durchkreuzt. Auch die dynamisch wirkende Pose von Jesse James hat etwas und steht im harten Kontrast zu Doc Holliday und seinem sicheren, festen Stand. Die Haltung vermittelt gleichzeitig ein angespannt sein und eine Herausforderung, als stände er direkt vor einem Duell. Mein persönlicher Liebling ist allerdings Frank James, der Scharfschütze der Outlaws. Trotz relativ simpler Pose vermittelt er, nicht zuletzt dank des schönen Detailsreichtums, einiges an Charakter.

    Das Spiel

    Das Spiel ist relativ leicht zu erlernen und bietet einiges an taktischen Möglichkeiten. Die Charakter sind alle grundverschieden – Jesse zum Beispiel gibt gerne einen wilden Kugelhagel ab, während Wyatt Earp Einzelschüsse aus seinem mächtigen Revolver verteilt. Doc Hollidays wirft rasiermesserscharfe Spielkarten auf kurze Entfernung, Frank James beteiligt sich mit seinem weitreichenden Gewehr lieber von hinten am Kampf, und mittendrin laufen mechanische Kampfhunde und schwere Waffenplattformen durch den Kampf. So eine Schiesserei ist chaotisch, und der Glücksfaktor kommt hier nicht nur durch die Würfel ins Spiel: Die Anzahl an Aktionen, die ein Charakter hat, ändert sich von Runde zu Runde und wird durch den Wert auf der gezogenen Spielkarte angegeben. Auch Initiative wird durch einen Kartenvergleich bestimmt. Dabei kommt äusserst thematisch das Gefühl einer sehr kleinen Pokerrunde auf – zwar ist alles rein zufällig, aber es fühlt sich einfach gut an, mit dem Mitspieler die Karten aufzudecken. Auch zusätzliche Siegpunkte können über Karten gewonnen werden, wobei das sogenannte Adventure Deck verwendet wird. Und falls die Adventure Cards keine passenden Bedingungen für Punkte bieten, lassen sie sich immer noch spielen, um Werte zu erhöhen. All das führt zu einem taktischen, aber schwer vorauszusagendem Spielablauf.

    Kritik

    Der größte Kritikpunkt und mein persönliches WTF ist, dass jeweils nur ein Satz Karten dabei ist. Alles in dem Set weist darauf hin, dass es für zwei Spieler gedacht ist – zwei Posses, die Beschreibung einer brutalen Schießerei zwischen den beiden – aber ausreichend Spielmaterial ist nur für einen Spieler enthalten. Man kann das umgehen, zum Beispiel, indem beide Spieler von den gleichen Decks ziehen, aber so gedacht war das laut Regeln nicht. Fairerweise muss ich zugeben, dass nirgendwo ausdrücklich damit geworben wird, dass es sich um ein Set für zwei Spieler handelt.
    Nun habe ich darüber nachgedacht, ob ich eventuell beide Posses zu einer Force zusammenfassen könnte, und die einfache Antwort ist: Ich weiss es nicht. Während die Spielregeln leicht verständlich sind, so sind die Regeln zur Aufstellung der eigenen Armee vollkommen konfus und für mich nicht nachvollziehbar. So darf ich anscheinend die meisten Outlaw Theme Posses und ein paar andere Posses in den Forces anderer Factions verwenden, wenn sie nicht unter die offensichtlichen Ausnahmen fallen, wie etwa Stonewall Jackson, der nie mit der Union zusammenarbeiten würde. Alles klar? Mir auch nicht. Und angeblich sollen Allianzen auf den Karten stehen, aber ich hab nichts gefunden. Egal, wie oft ich die Regeln durchgegangen bin: Ich kann mir keinen Reim darauf machen.

    Fazit

    Lohnt sich die Box? Alles in allem würde ich ja sagen. Ich hatte einen leichten Einstieg in die Welt von Weird West Exodus und die Miniaturen sind wirklich sehr schön und detailreich. Leider werden die tollen Miniaturen und die leicht zu erlernenden Regeln durch die fehlenden Spielmaterialien für den zweiten Spieler getrübt, welche noch mal mit 23€ zu Buche schlagen. Sind die Materialien schon vorhanden oder einigen sich die Spieler darauf, vom gleichen Deck zu ziehen, so hat man ein solides Spiel, dessen Thematik selten zu finden ist und sehr gut in den Steampunk-Hype passt.

    Patrick Gerk
    Ich habe Ende der 80er mit meinem Amiga angefangen und seitdem haben Videospiele einen permanenten Platz in meinem Herzen. Ich mag alles, was Leute zum spielen zusammenbringt, sei es analog oder digital. Seit Ende 2018 schreibe ich für Game2gether.de und konzentriere mich auf Retro- und Koopspiele.