Steckt Nintendo in der Klemme? Ein Erklärungsversuch

Nintendo hat vor wenigen Tagen die Zahlen aus dem abgelaufenen Geschäftsjahr 2011 präsentiert. Ohne jetzt zu viel mit Zahlen und unhandlichen Wörtern jonglieren zu müssen: Der Nettoverlust beläuft sich auf ca. 43 Milliarden Yen. Damit – und das ist das erstaunliche an der Geschichte – macht der Kult-Konzern aus Asien zum ersten Mal in über 30 Jahren ein Verlustgeschäft.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Nintendo seit über 30 Jahren schwarze Zahlen schreibt. Nun also bleibt unter dem Strich das erste Mal ein Minus übrig, ein ziemlich sattes sogar. Im ersten Moment klingt das nach Tagesgeschäft, andere Firmen erleben eine ständige Berg- und Talfahrt und jetzt hat es eben Nintendo auch mal erwischt. Doch dahinter könnte viel mehr stecken, als man meinen möchte. Genauer gesagt könnte sich Nintendo am Scheideweg befinden, bei dem es um die Existenz des Urgesteins der Videospiele geht.

Nintendo selbst erklärte, dass diese Situation durch den starken Yen, besonders im Vergleich zum schwachen US Dollar, resultiert.  Davon ist tatsächlich auszugehen, denn wenn die eigene Währung stark ist und die ausländischen schwächeln, dann leidet der Export darunter. Aber das würde die gesamte Japanische Industrie betreffen und nicht nur Nintendo. Die Währung ist also nur ein Teilgrund für die Misere.

In den vergangenen Jahren boomten Smartphones und Tablets enorm. Die Geräte wurden immer Nutzer-freundlicher und Neulinge im Bereich der (mobilen) Unterhaltungselektronik fanden schnell den Zugang zur neuen Technik. In den App-Stores tummelten sich immer mehr farbenfrohe Spielchen mit eingängiger Steuerung und simplem Spielprinzip, ziemlich viele davon sehr familienfreundlich. Und das war eigentlich das Steckenpferd von Nintendo, aber die Apps kosten nur einen Bruchteil von dem, was ein Videospiel kostet. Nicht wenige davon sind sogar völlig gratis erhältlich.

Aber Nintendo ist eiserne Konkurrenz gewohnt und stand bisher immer erfolgreich da. Warum sollte man also ein Angry Birds oder ein Fruit Ninja fürchten, wenn man es mit Microsoft und Sony aufnimmt, selbst früher kämpfte man doch schon erfolgreich gegen Atari und Sega?

Die Antwort dazu liegt vor unserer Tür: Die Regale in unseren lokalen Elektromärkten.

Der letzte große Erfolg von Nintendo war die Wii, auf deren Erfolgswelle eine ganze Flut an Spielen von Third-Party Entwicklern auftauchte, von Nintendo selbst eher wenige. Und die meisten der Titel dieser Flut waren – mit Verlaub – einfach abgrundtief schlecht. Es war leicht für viele Entwickler, auf den erfolgreichen Zug aufzuspringen und Spiele für eine Konsole zu entwickeln, die generationenübergreifend Jung und Alt (*) an den Bildschirm fesselte. Der Zulauf an „neuen“ Spielern war groß, also Gamer, die vorher noch nie etwas mit Videospielen zu tun hatten.

(*) Kleiner Seitenfact: In den USA sind Bowling-Turniere für betagtere Menschen an der Wii übrigens der Renner. In Seniorenheimen oder Pflegeeinrichtungen sind diese Veranstaltung absolute Publikums-Magnete!

Der Haken an der Sache mit der Flut: Das machte es für den Endverbrauchen ziemlich schwierig, in der Masse genau die Titel zu finden, die auch brauchbar und gut waren. Wenn man selbst zu diesem neuen Klientel an Spielern gehörte, dann war man dem Cover eines Spiels und der rückseitigen Beschreibung ausgeliefert. Du und ich, wir lesen Berichte und Tests, wir informieren uns vorher über Spiele, aber das tut eben nicht jeder. Schon gar nicht, wenn man das erste Mal mit einer Spielkonsole in Berührung kam. In diesem Zusammenhang mag man sich nicht ausmalen, wie viele Familien durch teuer gekaufte Spiele nach wenigen Spielminuten schon bitter enttäuscht wurden.

Mit dem 3DS fuhr Nintendo eine andere Taktik, third-party Spiele sind deutlich reduziert worden. Ein gutes Jahr ist der 3DS nun auf dem Markt und vergleicht man die Summe der Spiele mit denen der Wii nach dem ersten Jahr, dann wirkt dieser Vergleich schon etwas lächerlich. Ein Blick zum örtlichen Händler reicht da schon, es liegt nicht an der Größe der Cartridges, es gibt schlichtweg viel weniger Spiele. Und guckt man sich die Topseller an, dann sind das Zelda: Ocarina Of Time, Mario Land 3D und Mario Kart. Der erste Titel ist ein Remake eines Klassikers von 1998 und die anderen beiden sind neue Teile einer langjährigen Serie.

Auf der Wii gab es 2011 Zelda: Skyward Sword und 2012 den vermeintlich letzten großen Titel von Big N für die Wii, Mario Party 9. Etwas überspitzt formuliert sind auch das beides Spiele, die nur eine Aufbereitung von etwas waren, was man schon kannte. Die Zielgruppe war vor allem die der langjährigen Fans der Serien.

Und genau hier liegt der Knackpunkt: Nintendo fokussiert sich darauf, diese zu bedienen. Diejenigen, die mit Mario groß geworden sind und die aus nostalgischen Gründen auch heute noch blind zum neuen Zelda-Spiel greifen. Aber die Gruppe wird älter, erwachsener und gehört letztlich zu einem schrumpfenden Klientel. Ewig wird sich Nintendo nicht an sie klammern können.

 

 

 

Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur