Man nehme einen Side Scroller, ergänze diesen um 3D-Level, baue einige Puzzle ein und runde alles mit einer spannenden Story und einer ansprechenden 60er-Jahre-Optik ab. Ob sich das Ergebnis sehen lassen kann, verraten wir in unserem American Arcadia Test.
Das Jahr 2023 ist noch nicht zu Ende. Trotzdem waren die letzten 10 ½ Monate schon vollgestopft mit jeder Menge Blockbustern. Und es stehen immer noch einige Spiele in den Startlöchern, die bis zum Ende des Jahres erscheinen sollen.
Doch zwischen AAA-Spielen wie Hogwarts Legacy, Baldur’s Gate 3 und Starfield kamen dieses Jahr auch einige tolle Indie-Titel raus. So zum Beispiel Planet of Lana, Chants of Senaar oder COCOON. Die letzten beiden erhielten sogar Nominierungen für die Game Awards 2023.
Ein weiteres dieser „kleineren“ Spiele ist auch American Arcadia vom Entwickler Out of the Blue Games. Das spanische Team heimste schon für sein narratives Puzzle-Adventure Call of the Sea jede Menge Preise und Award-Nominierungen ein. Unter anderem für seine Story und seine Rätsel. Auf diesen Stärken baut das Team in American Arcadia nun auf.
American Arcadia – Die Truman Show als Videospiel
Wer kennt noch den Film Die Truman Show mit Jim Carey aus dem Jahr 1998? Darin ist Truman Burbank der Hauptdarsteller in einer Reality TV-Show. Sein Leben wird dabei ohne sein Wissen rund um die Uhr von unzähligen Kameras gefilmt und flimmert über die Fernsehbildschirme der amerikanischen TV-Zuschauer. Alle Freunde und Bekannten in Trumans Leben sind dabei Schauspieler.
In beinahe derselben Situation befindet sich Trevor Hills, der Hauptcharakter von American Arcadia. Der ist nämlich auch genau wie Truman ohne sein Wissen Teil einer Fernsehsendung. Bei der weiß allerdings nicht nur er nichts davon, dass Kameras immer und überall sein Leben aufzeichnen. Auch die 23.413 weiteren Einwohner der Stadt Arcadia haben keine Ahnung, dass ihr Leben als Teil des allabendlichen Unterhaltungsprogramms auf den Mattscheiben der Nation zu bestaunen ist.
Auffällig unauffällig
Der 28-jährige Trevor ist dabei ein echter Durchschnittsbürger. Ein von Grund auf anständiger und netter Kerl, der uns schnell ans Herz wächst. Er wohnt mit seiner Schildkröte „Kovacs“ in einer 2-Zimmer-Wohnung, arbeitet als Senior Account Manager beim örtlichen Unternehmen für Datenanalyse und sitzt abends bei Milch und Cookies vor dem Fernseher. Doch genau dieses unspektakuläre Leben wird ihm jetzt zum Verhängnis.
Denn die Einschaltquoten und folglich auch die Einnahmen der TV-Show sinken. Es müssen also Kosten gespart werden. Eine naheliegende Lösung: Angestellte – oder in diesem Fall Einwohner – „entlassen“! Und da Trevor aufgrund seines 0-8-15-Lebens bei den Zuschauern der Show einer der unpopulärsten Charaktere ist, trägt er nicht gerade zum finanziellen Erfolg der Sendung bei. Kurzum: Er muss weg! Und das möglichst unauffällig und ohne eine Spur zu hinterlassen. So entsendet die Chefin der Produktionsfirma ihre Sicherheitskräfte, um Trevor abzuholen und ihn in einen „Urlaub“ zu schicken. Doch dann wird er von der Aktivistin Angela gewarnt.
In den folgenden ca. 6 Stunden Spielzeit sind wir mit Trevor auf der Flucht und versuchen – wie Jim Carey – aus unserem TV-Gefängnis auszubrechen.
Unterhaltung mit Mehrwert
Während des gesamten Spiels wird uns die weitere Story dabei mit Zwischensequenzen in Form einer Fernsehdokumentation präsentiert. Das eine Mal gibt es Interviews mit den Beteiligten zu sehen, das andere Mal sind es Ausschnitte aus einer Pressekonferenz oder alte Werbevideos. Die sind unterhaltsam inszeniert, aber manchmal ein kleinen wenig zu lang. Besonders zum Ende hin wird der ansonsten gute Spielfluss dadurch etwas ausgebremst. So hatten wir gegen Ende von unserem American Arcadia Test den Controller gefühlt öfters vor uns liegen als in der Hand.
Wenn man sich die Geschichte, die hier erzählt wird, jedoch etwas genauer unter die Lupe nimmt, erkennt man schnell die durchaus ernsten Themen, die hier angesprochen werden. Denn es geht in der Story letztlich um Medienkonsum, den problematischen Voyeurismus der Zuschauer, die eine Reality-Sendung nach der anderen verschlingen, die Ausbeutung der „Darsteller“ durch die Medienunternehmen und die Frage nach den eigenen Prinzipien.
Insgesamt nehmen sich das Spiel und seine Charaktere aber nicht allzu ernst. Figuren wie der Sicherheitschef von Arcadia, der mit seiner Sonnenbrille, seinem langen schwarzen Mantel und seiner monotonen Stimme wie eine Karikatur aus dem Terminator und Blade anmutet, lassen uns das ein oder andere Mal schmunzeln. Die meisten der sehr unterschiedlichen Charaktere sind zwar leicht überzeichnet, wirken aber nie klamaukig.
Erfrischender Genre-Mix
Neben den unterschiedlichen Persönlichkeiten ist auch unsere Flucht sehr abwechslungsreich. Denn American Arcadia ist ein Zwei-in-Eins-Paket: 2.5D-Puzzle-Platformer und 3D-Rätselspiel.
Haben wir die Kontrolle über Trevor, springen wir in bester Side-Scrolling-Manier von einem Hindernis zum anderen, schieben Gegenstände von A nach B und bedienen Schalter und Knöpfchen, um an das Ende der Level zu gelangen. So kämpfen wir uns zum Beispiel durch Backstagebereiche des TV-Studios oder springen auf der Flucht von einer Dachterrasse zur anderen. Da wir dabei die meiste Zeit von Arcadias Polizei verfolgt werden, müssen wir außerdem des Öfteren blitzschnell unsere Umgebung analysieren und den geeigneten Fluchtweg einschlagen. Gelingt das nicht, werden wir geschnappt und das Spiel ist aus. In einem solchen Fall geht es dann aber direkt ab dem letzten Checkpoint weiter, der uns meistens kurz vor dem Punkt unseres Scheiterns wieder einsteigen lässt. Ein großes Wiederholen von Levelabschnitten ist daher also so gut wie nie nötig.
Obwohl wir uns bei alledem, wie der Genre-Name Side-Scroller schon verrät, genau genommen immer nur nach rechts oder links und nie in die Tiefe bewegen, haben wir bei unserem American Arcadia Test nie das Gefühl, eingeschränkt zu sein. Denn durch den oft geschickten geometrischen Aufbau der Umgebung fällt die Beschränkung auf zwei Dimensionen kaum auf.
Immer wieder wechseln wir jedoch auch in die Rolle von Trevors Helferin Angela. Dann finden wir uns plötzlich in einer 3D-Welt wieder, in der wir aus der Ego-Perspektive unsere Umgebung erkunden und kleine Aufgaben lösen. Die sind nett gestaltet, jedoch nie sonderlich kompliziert und erinnern eher an kleine Mini-Spiele für Kinder als an wirklich ausgeklügelte Rätsel. So müssen wir zum Beispiel Wortgitter-Rätsel lösen, um die Daten von unserem Handy auf eine VHS-Kassette zu übertragen oder Schiebepuzzle erledigen, um Trevor ein geeignetes Fluchtfahrzeug aus der Tiefgarage zu holen.
Mitreißendes Multitasking
Die besten Momente liefert American Arcadia jedoch sowieso dann, wenn es von uns verlangt, dass wir beide Charaktere gleichzeitig steuern. So müssen wir zum Beispiel mit Angela die bohrenden Fragen des Arcadia-Sicherheitschefs beantworten, während wir uns mit Trevor hinter Blumenkästen und Springbrunnen vor der Polizei verstecken. Auch, dass wir mit Angela über das Security-System von Arcadia diverse Fahrstühle und Rolltreppen aktivieren oder Türschlösser für Trevor öffnen können, während wir mit ihm auf der Flucht sind, macht eine Menge Spaß.
Spielerisch ist der Titel mit seinen Rätseln und Platformer-Abschnitten aber eher leichte Kost. Langweilig ist es uns bei unserem American Arcadia Test trotzdem nie geworden.
Details in Hülle und Fülle
Denn American Arcadia ist einfach schick. Man kann sich kaum sattsehen an den vielen detaillierten Leveln, in die einen das Spiel entführt. Mit Trevor auf dem Weg zur Arbeit durch die Straßen von Arcadia zu laufen oder mit ihm durch Bürogebäude und Shopping Malls zu schlendern, lässt einem das Herz einfach höherschlagen. Die 2.5D-Umgebungen sind vollgestopft mit liebevoll gestalteten Details wie plätschernden Springbrunnen, lustigen Werbetafeln oder blinkenden Geldautomaten und Reinigungsrobotern. Man fühlt sich wie in einer zum Leben erwachten kleinen Modellwelt. Doch vor allem die vielen NPCs, die Arcadia bevölkern, machen alles erst so richtig lebendig. Sie sitzen mit Freunden in Cafés, spielen an Flipperautomaten, warten mit ihrem Gepäck auf den nächsten Bus oder sonnen sich auf einer Liege am Pool. Hier ist an jeder Ecke etwas los.
Die Swinging Sixties und die Technological Twenties
Dazu kommt noch der Space-Age-Charme der 60er- und 70er-Jahre mit seinen knalligen Farben und fließenden Formen. Denn in Arcadia sind die Uhren zumindest was Mode und Design angeht, vor mehr als einem halben Jahrhundert stehen geblieben. Schlaghosen und Föhnwellen gehören hier genauso zum Standard wie Panton-Stühle, Ballon-Sessel und Panthella-Leuchten. Alles natürlich in den für die Zeit modischen Gelb-Rot-Braun-Tönen.
Im Gegensatz dazu steht die 3D-Welt der Gegenwart außerhalb von Arcadia, in die wir uns jedes Mal begeben, wenn wir mit Angela unterwegs sind. Hier ist meist alles kalt und aalglatt. Es erwarten uns typische moderne Büros mit Glaswänden, klinischer Neonbeleuchtung und auf Hochglanz polierten Fußböden. Ein deutlich spürbarer Kontrast zum warmen und einladenden zu Hause von Trevor. Doch genau dieser Unterschied bringt auch visuell Abwechslung in das Spiel und sorgt dafür, dass uns die Level optisch nie langweilen.
Im Ton vergriffen
Mit dem Sound gab es bei unserem American Arcadia Test an der ein oder anderen Stelle jedoch Probleme. Des Öfteren wurden mehrere Unterhaltungen gleichzeitig getriggert, sodass wir einem unverständlichen Durcheinander verschiedener Stimmen ausgesetzt waren. An anderen Stellen brachen Konversationen dafür mitten im Satz ab oder es fehlten einfach die kompletten Umgebungsgeräusche. Dann fuhren wir zum Beispiel mit dem Auto in eine Tiefgarage, öffneten die Tür und stiegen aus, ohne dabei auch nur ein einziges Geräusch zu machen.
Ansonsten wird das Spiel aber von einem klassischen Filmsoundtrack mit Orchester untermalt. Der sorgt vor allem während der zahlreichen Verfolgungsjagden für die richtige Stimmung und erinnert an Agenten-Thriller wie die alten James Bond Filme oder Get Smart. American Arcadia scheut sich aber nicht davor, die Musik in den richtigen Momenten auch mal komplett auszuknipsen und den Spieler mit sich und der Umwelt alleine zu lassen.
Fazit
Die Kombination aus wunderschönem 2.5D-Platformer und 3D-Rätselspiel macht American Arcadia zu einem kurzweiligen und unterhaltsamen Spielvergnügen. Die Story des Spiels wird uns dabei auf kreative und humorvolle Weise in allerlei Zwischensequenzen in Form von Interviews, TV-Ausschnitten oder Werbevideos erzählt. Einige davon sind jedoch besonders gegen Ende etwas zu lang.
Ein absolutes Highlight ist die detailliert gestaltete und lebendige Welt von American Arcadia, die in tollem 60er- und 70er-Jahre Space-Age-Stil daher kommt. Alleine das Anschauen macht schon Spaß. Es gibt an jeder Ecke etwas zu entdecken.
Das Gameplay mit seinen Platformer-Anteilen und Rätseln ist insgesamt recht seicht und einsteigerfreundlich. Es bleibt die ganzen sechs bis sieben Stunden über aber abwechslungsreich genug.
Wem die Ästhetik von American Arcadia gefällt und wer humorvolle Spiele mit starker Story mag, für den hat der Titel auf jeden Fall einiges zu bieten.
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Wir bedanken uns bei Out of the Blue Games, Raw Fury und Gaertner PR für die Bereitstellung eines Review-Keys für unseren Test von American Arcadia. Eine Einflussnahme des Entwicklers, Publishers oder der Agentur auf den Test hat nicht stattgefunden.