„Such is our calling.“ Ein nüchterner Satz, mantraartig, fast beiläufig gesprochen von so gut wie allen Figuren des Spiels, darunter auch die Protagonistin, die man nur The Traveler nennt. Die Spieler:innen schlüpfen in eine Figur, die wie eine programmierte, fast mechanische Instanz durch die Ruinen der Menschheit schreitet. In Cronos: The New Dawn von Bloober Team – den polnischen Schöpfern psychologischer Horrorgames wie The Medium und dem Silent Hill 2-Remake – wird der Horror nicht nur inszeniert, sondern rekonstruiert: aus Leichen, aus Erinnerungen, aus kollektiver Angst. Dass Cronos: The New Dawn zu Beginn unverkennbar bei Titeln wie Dead Space, Resident Evil und Silent Hill borgt, macht es nicht kleiner, sondern zugänglicher – und je weiter man vordringt, desto deutlicher ist die eigenwillige und spezielle Handschrift von Cronos erkennbar.
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Story & Setting: Nowa Huta 1980er – Virus, Orphans, Zeitrisse
Cronos führt in die 1980er Jahre, in den Krakauer Stadtteil Nowa Huta, einst 1949 als sozialistisches Utopia geplant, hier nun ein Mausoleum verpasster Menschlichkeit. Ein unbekanntes Virus hat die Bewohner ausgelöscht; zurück bleiben die Orphans, zombiehafte Kreaturen, die sich mit tentakelndem Sog vereinigen und die Fähigkeiten gefallener Leiber aufsaugen. Visuell erinnert das an Carpenters The Thing, funktional an Dantes Purgatorium: Nur im reinigenden Feuer finden die Körper Stillstand, andernfalls fressen sie sich zusammen und kehren, vergrößert und bedrohlicher, zurück.
Die Traveler trägt eine Ausrüstung, die an einen altmodischen, kugeligen Tauchanzug erinnert, und nutzt fremdartige Technologie, um durch Dive Points – Risse in der Zeit – in die Vergangenheit zu steigen. Ihre Mission: Individuen aufspüren und ihr Bewusstsein sichern; im Spieljargon bedient sie dafür den Harvester, ein Werkzeug des „Collective“, das selektiv Menschen aus der Vergangenheit extrahiert und in ein vernetztes Gedächtnis überführt. Zu Beginn sucht man nach Spuren von Edward Wiśniewski, einem Prepper, der die Apokalypse wittert – was wie eine Rettungsoperation klingt, ist in Wahrheit eine kühle Archivarbeit am Ende der Zivilisation.
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Gameplay: Ressourcenknappheit, Mutationssystem, „Don’t let them merge“
Bloober hält sich an klassische, altbekannte Survival-Horror-Dogmen, die uns aus den ersten Teilen der Resident Evil und Silent Hill Reihe bekannt sein sollten: knappes Inventar, seltene Munition, sperrige Waffen. Freischaltbare Updates vergrößern das Magazin, verbessern die Zielgenauigkeit und beschleunigen die Nachladezeit. Schwere Schüsse müssen aufgeladen werden, Ausweichmanöver fehlen. Das Gameplay ist nicht komfortabel, aber konsequent: Cronos: The New Dawn erzeugt damit einen höheren Survivaldruck aber leider auch Frust. Munition ist Mangelware und Melee kann bestenfalls als riskante Notlösung eingesetzt werden.
Prägnant bleibt das Mutationssystem: Leichen müssen verbrannt werden, sonst dienen sie als Nahrung der Orphans und wachsen zur nächsten Bedrohung zusammen. „Don’t let them merge“ ist hier weniger Tipp als Pflichtprogramm – und es verleiht jeder Begegnung prozedurale Dringlichkeit.

Atmosphäre & Audio: Licht, Raytracing, Sounddesign à la Silent Hill
Technisch und grafisch ist Cronos kein Meilenstein, doch es hat seine Stärken. Vor allem im Bereich der Lichtsetzung, des Einsatzes von Raytracing-Schatten und der klaustrophobischen Räumen kondensiert das Spiel eine Dichte, die kaum atmen lässt. Dazu ein intensives Sounddesign aus Synth-Drones, Störimpulsen und bewusstem Schweigen – weniger Jumpscare als akustische Langzeitvergiftung. Die Stimme der Protagonistin bleibt kühl und lakonisch, was einen passenden Kontrapunkt zu den grotesken Körpern erzeugt, die das Leveldesign beherrschen. Auffällig: Was anfangs wie Zitatkunst wirkt – Hub-Areale mit Abkürzungen, Türschlössern und Backtracking à la Resident Evil, ein Sounddesign à la Silent Hill und ein Szenario, das Dead Space nicht unähnlich ist – formt über die Stunden eine eigene Handschrift des Horrors.

Katzen, Katastrophen und die Frage nach dem Wir
Ganz plötzlich und überraschend angenehm blinzelt zwischen den Ruinen und Tentakeln das Menschliche auf, ein schwaches Licht am Ende des Tunnels in Gestalt von Katzen, die auf mysteriöse Weise das Ende der Welt überlebt haben. Sie sind nicht nur warme Streicheleinheiten im kalten Grau, sie bewachen einige der besten Items. Und mehr noch: Laut Bloober verschiebt sich über diese Begegnungen auch die Sprache der Traveler; aus der stoischen Archivarin wird – minimal, merklich – jemand, der tönt, als wäre da noch ein Rest von uns.
Einordnung: Zwischen Dead Space & Resident Evil – Cronos findet eigene Handschrift
Wer Cronos spielt, merkt schnell, hier geht es nicht um große Geschichten, sondern ganz kompromisslos ums Überleben. Viele werden das Kampfsystem als sperrig und die Munitionsknappheit als Strafarbeit empfinden. Andere werden in dem Spiel ein rohes Werk erkennen, das mit SOMA, Dead Space oder The Callisto Protocol verwandt ist. Damit reiht sich Cronos: The New Dawn in eine Reihe von Spielen ein, die mehr Fragen stellen, als sie beantworten. Es interessiert sich für das Chaos, das ausbricht, wenn der Ausnahmezustand zur menschlichen Grundsituation wird.

Fazit & Wertung: Starker Horror mit Härten – für Geduldige ein Erlebnis
Cronos: The New Dawn ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Zumutung, aber auf eine interessante Art und Weise. Und genau das ist der Grund weshalb es relevant ist. Es verweigert die Zugänglichkeit und die Möglichkeiten taktische Finesse zu entwickeln, um die Schwerfälligkeit und Zerbrechlichkeit gesellschaftlicher Systeme spürbar zu machen. Das Spiel ist ein Spiegel des Kontrollverlusts in Krisenzeiten und ein Mahnmal dafür, dass das Leben endlich ist und – anders als im Spiel selbst – nicht archivierbar ist. Horrorfans werden belohnt, Geduldige Spieler:innen ebenfalls. Alle anderen werden sich darüber ärgern, dass das Spiel nicht alle in seinen Sog ziehen möchte.
Vor allem der fehlende Schwierigkeitsgrad und die pacing-brechenden Stolpersteine zu Beginn des Spiels werden die Bewertungen maßgeblich beeinflussen. Darunter das driftende Visier, die zähe Kalibrierungsphase, die harsche Lernkurve. Wer jedoch Waffen aufrüstet, die Räume liest und die langsame Grammatik des Spiels akzeptiert, entdeckt im späteren Verlauf des Games Passagen von schmerzhafter Schönheit.
Steckbrief – Kontext & Eckdaten
| Punkt | Info |
|---|---|
| Entwickler | Bloober Team |
| Selbstverständnis | „Love Letter to decay and dread“; biografische Nähe zu Nowa Huta |
| Engine / Audio | Unreal Engine / Wwise |
| Release | 5. September 2025 |
| Spielzeit | ~16 Stunden |
| Altersfreigabe | PEGI 16 |
| Plattformen | PC, PlayStation 5, Xbox Series X |
| Empfohlene Steuerung | Controller |
PC-Anforderungen
| Anforderung | Minimum | Empfohlen (1080p-Ziel) |
|---|---|---|
| OS | Windows 10 (64-bit) | Windows 10 (64-bit) |
| CPU | Intel i5-8400F/8600K / Ryzen 5 3600 | Intel i7-10700K / Ryzen 5 3600X |
| RAM | 16 GB | 16 GB |
| GPU | GTX 1080 / RX 5700-XT / Arc A770 | RTX 3080 / RX 6800-XT / Arc B580 |
| Speicher | ~50 GB | ~50 GB |

