Das Puzzle-Spiel von Publisher Annapurna Interactive kommt mit wenig aus und beeindruckt gerade deswegen. In unserem Test besticht COCOON mit eleganten Rätseln, einer tollen Atmosphäre und einer ganz besonderen Spiel-Mechanik.
COCOON ging mit einigen Vorschusslorbeeren an den Start. Während des Summer Game Fest 2023 wurde das Rätsel-Spiel zum meist-erwarteten Indie-Titel gewählt. Doch was macht das Spiel des kleinen Studios Geometric Interactive, in dem Ihr allerlei Aufgaben lösen müsst, so besonders? In unserem COCOON Test findet Ihr die Antwort.
Wir haben dabei für Euch die PC-Version des Spiels auf Steam getestet.
Weniger ist mehr
So könnte das Mantra der Macher während der Entwicklung gelautet haben. Denn alles an COCOON ist minimalistisch gehalten. Von Grafik über Sound bis hin zu Story, Spielmechaniken und sogar der Steuerung. Das Spiel verzichtet an jeder erdenklichen Ecke auf unnötigen Schnickschnack und konzentriert sich stattdessen auf einige wenige Dinge. Dafür macht es die dann aber auch exzellent.
Die Konsequenz ist eine recht kurze Spielzeit von rund 5 Stunden. Der dafür relativ hohe Preis von €22,99 auf Steam und der Switch beziehungsweise €24,99 auf der PlayStation und der Xbox könnte einige abschrecken. Doch letztlich kommt es nicht auf die Quantität, sondern vor allem auf die Qualität an. Und davon hat COCOON jede Menge.
Ins kalte Wasser
Nach einer kurzen 30-sekündigen Anfangssequenz, in der wir zusehen, wie unser Charakter – ein an ein geflügeltes Insekt auf zwei Beinen erinnernder kleiner Kerl – aus seinem Kokon schlüpft, sind wir direkt im Spiel. Kein Tutorial, keine großen Erklärungen. Es geht einfach los. Und das ist auch gut so. Denn alles am Spiel ist ziemlich selbsterklärend.
So auch die Steuerung. Neben der Option, unseren Charakter zu bewegen, benötigen wir für alles, was da noch so kommt, nur genau eine einzige Taste. Mit dieser einen Aktionstaste ziehen, drücken und aktivieren wir Dinge in unserer Umgebung, heben Gegenstände auf und legen sie wieder ab, öffnen Türen oder springen zwischen den verschiedenen Welten hin und her (dazu gleich mehr).
Die Steuerung ist dabei sehr präzise und funktioniert ausgezeichnet, da das Spiel die möglichen Aktionen im Verlauf der ersten paar Minuten nach und nach vorstellt. Und so mussten wir uns nicht ein einziges Mal bei unserem COCOON Test ärgern, weil wir etwa gerne einen Gegenstand abgelegt hätten, doch stattdessen aus Versehen einen Aufzug aktivierten oder Ähnliches.
Des Rätsels Lösung – Gameplay
Auch bei den Rätseln sind wir von Anfang an auf uns alleine gestellt. Selbst hier gibt COCOON keinerlei Hilfestellung. Während es anfänglich noch um simples Knöpfedrücken geht, um von A nach B zu kommen, werden die Aufgaben schnell immer komplizierter. Sie erfordern dann neben einer guten Beobachtung und Analyse der Umwelt auch das richtige Timing und Logik.
Meistens versperrt uns ein verschlossenes Tor den Weg, das es zu öffnen gilt. Und oft müssen wir dazu zwischen den verschiedenen Welten springen.
Ganze Welten in der Westentasche
Denn das ist die besondere Spiel-Mechanik und der große Clou von COCOON: Wir können die Level beziehungsweise Welten über Vorrichtungen, denen wir immer wieder begegnen, verlassen und auf eine höhere Ebene wechseln. Dort ist die Welt, in der wir uns gerade noch befunden haben, dann auf einmal nicht viel mehr als eine bunte Billardkugel. Die können wir dann problemlos auf dem Rücken unseres kleinen Insekten-Freundes transportieren. Und so können wir auch mit der einen Welt auf dem Rücken in eine andere „hineinspringen“.
Insgesamt vier verschiedene solcher Welten-Kugeln sammeln wir nach und nach im Laufe des Spiels. Jede davon stellt ihre eigene kleine Biosphäre dar. Von der roten Sandwüste mit ihren tiefen Schluchten und der kargen Vegetation über eine Welt mit organisch wirkenden Strukturen, die es beinahe aussehen lassen, als wären wir im Inneren einer riesigen Kreatur bis hin zur Wasserwelt, auf der wir uns durch Sümpfe von Plattform zu Plattform vorarbeiten. Einzig die immer gleichen Sci-Fi-Gebilde finden sich in allen Welten und halten das Ganze optisch zusammen.
Jede Kugel hat dabei eine besondere Fähigkeit, die wir einsetzen müssen, um die Rätsel zu lösen, die uns begegnen. Tragen wir zum Beispiel gerade die rote Wüstenwelt auf unserem Rücken herum, können wir Brücken und Pfade sichtbar machen und begehen, die uns sonst verborgen bleiben. Eine andere Kugel kann dagegen elektrische Ladungen abfeuern und damit verschiedene Vorrichtungen aktivieren und so weiter.
Metroidvania-Style
Doch nicht nur wir und die Kugeln, sondern auch andere Objekte können zwischen den Welten hin und her springen. So kommen wir auch immer wieder an Stellen, an denen es mit unseren momentanen Möglichkeiten kein Weiterkommen gibt. Das bedeutet dann: Die Lösung wartet in einer der anderen drei Welten auf uns. So treffen wir zum Beispiel des Öfteren auf Barrieren, die nur mit einem kleinen Drohnenhelfer deaktiviert werden können, den wir immer erst in einer der Welten befreien müssen, um ihn dann in eine andere mitzunehmen.
Immer wieder müssen wir dabei überlegen, wie wir die Welten „ineinander verschachteln“, um die Puzzle zu lösen und weiterzukommen. Das erfordert bei vier Kugeln ab und zu schon einiges an Grips.
Hart, aber fair
Doch die Rätsel sind nie unnötig verworren. Das liegt zum einen daran, dass die Anzahl der einzelnen Schritte und Mechaniken, die zur Lösung der Puzzle führen, überschaubar bleibt. Zum anderen fühlten wir uns während unserem COCOON Test jederzeit fair behandelt. So werden bereits verwendete Knöpfe, Plattformen oder Tore, die für den weiteren Lösungsweg nicht mehr relevant sind, deaktiviert beziehungsweise verschlossen. Dadurch wird verhindert, dass man auf der verzweifelten Suche nach der Lösung ziellos noch einmal durch das gesamte Level irrt oder ein und denselben Knopf noch tausend weitere Male drückt, um zu sehen, ob er nicht doch weiterhilft. Das beugt nicht nur jeder Menge potenziellem Frust vor, sondern sorgt auch für ein flottes Pacing und einen guten Spielfluss.
Erfolgsgefühle inklusive
Als Ergebnis haben wir beinahe im Minutentakt Erfolgserlebnisse, die sich auch wirklich gut anfühlen. Durchschauen wir zum Beispiel ein Rätsel sofort beim ersten Hingucken, fühlen wir uns sowieso wie Albert Einstein. Und wenn es mal länger dauert, bis wir darauf kommen, in welcher Reihenfolge wir Fahrstühle aktivieren oder mit welchem Timing wir unsere Welten-Kugeln in Rohre werfen müssen, ist der letztendliche Erfolg umso befriedigender.
Das gilt übrigens auch für die Endgegner, die uns immer erwarten, bevor wir eine weitere Welten-Kugel erspielen. Sie verlangen von uns in klassischer Jump-‘n’-Run-Manier, dass wir ihren Geschossen ausweichen, Gegenstände aufsammeln und werfen oder dass wir uns auf Plattformen retten, während der übrige Boden um uns herum einstürzt.
Eine gelungene Abwechslung zu dem sonst eher ruhigen Rätsel-Aufgaben, die auch für diejenigen gut zu schaffen ist, die noch nie etwas mit Mario, Crash Bandicoot oder Sack Boy am Hut hatten.
Ein stimmiges Rundumpaket – Grafik & Sound
Auch Grafik und Sound leisten ihren Beitrag zu einem stimmungsvollen Erlebnis. In COCOON geht es dabei nicht um grafischen Realismus wie bei Cyberpunk 2077: Phantom Liberty oder Assassin’s Creed Mirage. Alles ist stark stilisiert. Texturen gibt es keine und die Landschaften und ihre Elemente bestehen aus großflächigen Blöcken. Doch trotzdem ist die Welt von COCOON lebendig und vollgestopft mit kleinen Details wie Tieren, die sich verstecken oder Pflanzen, die sich zusammenziehen, wenn wir uns nähern.
Dazu sind die Sci-Fi-Gebilde geometrisch spannend gestaltet und teilweise toll animiert. So macht es sogar Spaß, einem Tor beim Öffnen zuzusehen. Hunderte kleine Teile verschieben sich, weichen zischend auseinander und falten sich klickend zusammen.
Im vorherigen Satz klingt schon durch: Das Sound Design und der Soundtrack sind die heimlichen Stars im Atmosphäre-Mix. Mit sparsam eingesetzten Synthesizer-Klängen im Blade-Runner-Stil entsteht eine faszinierende und teilweise schon beinahe unheimliche Stimmung, obwohl uns ja (von den Endbossen mal abgesehen) eigentlich im gesamten Spiel nichts Bedrohliches begegnet. Spannend ist es trotzdem. Zusammen mit dem rauschenden Pusten des Windes, dem dumpfen Pulsieren der Fahrstuhlantriebe oder dem hellen Klirren unserer Welten-Kugeln, schafft es das Spiel, uns noch tiefer in seine dystopische Welt einsinken zu lassen.
Mit kleinen Tönen und Klängen, die immer dann zu hören sind, wenn wir uns der Lösung eines Rätsels nähern, lässt uns COCOON außerdem auf subtile Weise wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Fazit
In unserem Test wird klar: COCOON ist ein außergewöhnlicher Titel. Das Spiel konzentriert sich auf die wesentlichen Dinge und setzt sie extrem gut um. Die Rätsel machen Spaß und treffen beim Schwierigkeitsgrad genau den Sweet Spot. So muss man an der einen oder anderen Stelle schon mal seinen Grips bemühen, jedoch ohne sich zu lange an einer Aufgabe aufhalten zu müssen. Denn die Puzzle sind durch die ineinander verschachtelbaren Welten-Kugeln manchmal zwar kompliziert, aber nie unnötig komplex. Dadurch behält das Spiel durchgängig einen hervorragenden Flow.
Zusammen mit der tollen dystopischen Sci-Fi-Atmosphäre, die durch die stilisierte Grafik und den herausragenden Sound entsteht, erschafft COCOON eine Welt, die im Gedächtnis bleibt und in die man beim Spielen voll und ganz abtauchen kann.
Einziger Wermutstropfen ist die relativ kurze Spieldauer. Wir hätten gerne noch etwas länger gerätselt.
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Wir bedanken uns bei Geometric Interactive und Annapurna Interactive für die Bereitstellung eines Review-Keys für unseren COCOON Test. Eine Einflussnahme des Entwicklers oder Publishers auf den Test hat nicht stattgefunden.