Digimon Story: Time Stranger Test/Review

    Die Rückkehr der beliebten Rollenspielreihe sollte ein Triumph werden: Digimon Story: Time Stranger knüpft spielmechanisch an die gefeierten Cyber Sleuth-Teile an und bringt erneut die Suchtspirale aus Sammeln, Trainieren und Entwickeln der digitalen Monster auf die aktuelle Konsolengeneration. Auf dem Papier klingt das nach einem sicheren Hit, doch während der Kern des Spiels brillant funktioniert, bremst sich das Abenteuer immer wieder selbst aus. Als Agent einer geheimen Organisation, die für die Untersuchung unerklärlicher Phänomene verantwortlich ist, begibt man sich zu Beginn in das moderne Tokio. Dort wird eine neue Anomalie gemeldet, die an frühere Vorfälle erinnert. Die Ausgangssituation ist spannend, der Einstieg atmosphärisch dicht und schon bald trifft man auf die ersten Digimon, deren Existenz die Grenzen der Realität verschwimmen lässt.

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    Eine starke Idee mit zähem Beginn

    Die Geschichte dreht sich um Zeitsprünge zwischen verschiedenen Realitäten, was grundsätzlich ein interessantes erzählerisches Konzept ist. Zeitreisen, alternative Linien und mysteriöse Anomalien bilden den Rahmen einer komplexen Handlung, die erst nach vielen Stunden Fahrt aufnimmt. Die ersten zehn Spielstunden sind allerdings geprägt von monotonen Ermittlungsmissionen, die sich in immer gleichen Straßen, Gassen und Abwasserkanälen Tokios abspielen. Diese Einleitung zieht sich spürbar. Nebenhandlungen bestehen häufig aus belanglosen Botengängen, und die Dialoge wirken stellenweise blutleer. Die lineare Struktur verhindert zudem jegliche Form von spielerischer Freiheit. Es gibt kaum Raum, das komplexe Kampfsystem oder das Sammeln neuer Digimon wirklich auszukosten, da das Spiel die Erkundung bewusst einschränkt.

    Dabei liegt hier die eigentliche Stärke des Titels: das Bauen, Trainieren und Weiterentwickeln des eigenen Teams. Schon früh kann man sich eine kleine Gruppe von Digimon zusammenstellen und mit ihnen rundenbasierte Kämpfe bestreiten. Wer Spaß daran hat, Werte zu optimieren, Attacken zu kombinieren und sich durch strategische Feinheiten zu arbeiten, findet hier eine hervorragende Grundlage, doch das Spiel erlaubt es viel zu selten, diese Möglichkeiten wirklich auszuleben.

    Im Digital World angekommen: Ein Fest für Fans

    Sobald man endlich die Digitale Welt erreicht, entfaltet Time Stranger seine Faszination in vollem Umfang. Nach Stunden in der grauen Realität Tokios betritt man eine Welt voller farbenprächtiger Landschaften, schwebender Inseln und bizarrer Architektur. Hier spürt man erstmals das Gefühl echter Entdeckung, das die besten Digimon-Spiele auszeichnet. Die Digital World ist detailreich gestaltet, und an jeder Ecke lauern neue Kreaturen. Mit über 450 verschiedenen Digimon ist das Spiel ein Paradies für Sammlerinnen und Sammler. Die Vielfalt ist beeindruckend, von bekannten Klassikern wie Agumon und Gabumon bis zu neueren, selteneren Formen, die man bisher kaum gesehen hat.

    Das Herzstück bleibt das Digivolutions-System. Jedes Monster besitzt einen verzweigten Entwicklungsbaum, der verschiedene Routen je nach Statuswerten ermöglicht. Durch gezieltes Training, Devolution und Experimentieren entstehen unzählige Kombinationsmöglichkeiten. Dieser Prozess ist ungemein motivierend und verleiht dem Spiel eine fast schon meditative Tiefe. Stundenlang könnte man einfach nur trainieren, Werte vergleichen und die nächste perfekte Evolution vorbereiten. Leider macht das Spieldesign dieser Motivation häufig einen Strich durch die Rechnung. Die Dungeons sind kurz und linear, Gegnergruppen lassen sich nur durch Zurücklaufen neu spawnen, und es gibt keine Möglichkeit, frei zu grinden oder nach Belieben zu experimentieren. Ein zufallsgeneriertes Gebiet, ähnlich den Mementos aus Persona 5, hätte hier Wunder gewirkt. So bleibt vieles Stückwerk, und das Spiel wirkt wie ein Hybrid aus großartigem Systemdesign und zu strenger Struktur.

    Kämpfe mit Tiefe

    Das Kampfsystem von Digimon Story: Time Stranger baut auf klassischen Elementen auf: ein rundenbasiertes System mit Stärken und Schwächen nach dem bekannten Stein-Schere-Papier-Prinzip. Hinzu kommen Statusveränderungen, Buffs und Debuffs sowie elementare Wechselwirkungen, die taktische Tiefe erzeugen. Wer sich auf diese Feinheiten einlässt, kann hier anspruchsvolle Strategien entwickeln. Doch auch hier zeigt sich das Problem der Balance. Normale Gegner sind kaum eine Herausforderung, während Bosskämpfe das genaue Gegenteil darstellen. Viele Bosse haben viel zu hohe Lebenspunkte, wodurch die Auseinandersetzungen zu langatmigen Geduldsproben werden. Ohne das exakt passende Team kann man schnell in eine Sackgasse geraten, was oft zu mühsamem Grinding oder dem Absenken des Schwierigkeitsgrades führt. Diese Unausgewogenheit zieht sich durch die gesamte Kampagne. Zwar gibt es einige interessante Bossmechaniken, die das Muster aufbrechen, doch insgesamt fehlt der Spielfluss. Das Gefühl, ständig gegen die Struktur des Spiels zu kämpfen, anstatt sich in ihr zu entfalten, begleitet einen bis zum Ende.

    Technische Schwächen auf der PS5

    Neben den inhaltlichen Problemen trübt auch die Technik das Gesamtbild. Auf der PlayStation 5 ist das Spiel auf 30 Bilder pro Sekunde begrenzt, für ein modernes Rollenspiel ein überraschender Rückschritt. Noch ärgerlicher sind die häufigen Einbrüche unter diese Grenze, besonders in größeren Gebieten. Das ständige Stottern zerstört stellenweise die Atmosphäre und wirkt, als wäre das Spiel nie richtig für die aktuelle Hardware optimiert worden. Hinzu kommen Übersetzungsprobleme: Die deutsche Lokalisierung wirkt flach und teilweise unbeholfen, viele Dialoge verlieren ihren emotionalen Ton. Auch die Figuren bleiben blass. Aber die gelungene Weltgestaltung kann da zum Glück wirklich sehr viel rausreißen und hilft, dass einem das beim Spielen nicht so sehr ins Gewicht fällt. Als Fan der Vorlage ist es daher in jedem Fall zu verschmerzen.

    Fazit – Großartige Systeme in einer zu engen Welt

    Digimon Story: Time Stranger ist ein Spiel voller Widersprüche. Die Grundlage, das Trainieren, Entwickeln und Sammeln der Digimon, ist hervorragend und erinnert daran, warum die Serie so viele Fans hat. Doch anstatt diese Stärken auszubauen, schnürt sich das Spiel selbst ein Korsett aus linearem Design, zähem Storytelling und technischer Schwäche. Wer Geduld mitbringt und sich auf das komplexe Digivolutions-System einlässt, findet hier jedoch ein tiefes, wenn auch eingeschränktes Erlebnis, was aber dennoch zu den besten Digimon-Games überhaupt zählt und vieles wirklich großartig löst. Eine willkommene Rückkehr für das tolle Franchise. Für Gelegenheitsspieler oder Einsteiger in die Reihe wirkt Time Stranger jedoch zu sperrig und zu ungleichmäßig, um dauerhaft zu begeistern. Aber als Digimon-Fan könnt ihr wirklich ohne nachzudenken zugreifen. Leb deinen Traum!