Heading Out ist kein gewöhnliches Rennspiel. Statt bloß auf der Jagd nach der besten Rundenzeit zu sein, lädt es die Spieler zu einem stilisierten Roadtrip quer durch die USA ein. Inspiriert von Klassikern wie Vanishing Point (1971) kombiniert es Rennspiel-Action mit Roguelite-Mechaniken und einer Story über die Flucht vor der eigenen Angst. Doch gelingt dieser Mix aus Adrenalin, Drama und Indie-Charme wirklich? Wir haben uns ans Steuer gesetzt und verraten euch im Test, ob Heading Out das Zeug zum Geheimtipp hat.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Flucht vor der Angst
Im Zentrum von Heading Out steht keine klassische Heldenreise, sondern ein innerer Kampf. Der Spieler schlüpft in die Rolle einer Figur, die nicht einmal klar definiert ist – Geschlecht und Hintergrund bleiben offen, sodass man sich selbst in die Geschichte projizieren kann. Zu Beginn jeder Runde wählt man Fragmente einer persönlichen Vergangenheit: eine schöne Erinnerung, eine traumatische Erfahrung oder eine gescheiterte Beziehung. Diese Entscheidung beeinflusst zwar nicht den Hauptplot, sorgt aber für kleine narrative Einschübe, die wie kurze Tagebucheinträge wirken.

Das große Thema ist die Flucht vor der eigenen Angst, dargestellt als bedrohliche rote Wand, die unaufhaltsam hinter dem Spieler herzieht. Je länger man pausiert, tankt oder nachdenkt, desto näher rückt diese Bedrohung. Das sorgt für ständigen Druck und verleiht dem Spiel einen subtilen Horror-Unterton – ohne je ein klassisches Horrorspiel zu sein. Auf den ersten Blick wirkt Heading Out wie ein Rennspiel. Doch schnell wird klar, dass es um weit mehr geht. Das Spiel ist in vier Akte gegliedert. Jeder beginnt mit einem Traum, in dem man in einem Rennen gegen seinen Rivalen scheitert. Danach wacht man auf und bestimmt die nächste Route auf einer stilisierten USA-Karte. Jeder Weg kostet Benzin, manche sind riskanter, andere sicherer. Zufällige Events, Polizeikontrollen oder spontane Rennen sorgen dafür, dass keine Strecke gleich verläuft, zumindest theoretisch. Benzin und Geld sind die wichtigsten Ressourcen. Wer knapp bei Kasse ist, kann auch mal den Tank heimlich auffüllen, doch erwischt einen die Polizei, droht eine wilde Verfolgungsjagd.

Entscheidungen und kleine Geschichten
Die Kern-Gameplay-Elemente sind klassische Rennen und Fluchtsequenzen. Das Fahrgefühl ist solide: Die Wagen steuern sich flott und reaktionsschnell, allerdings unterscheiden sie sich kaum voneinander. Upgrades oder dauerhafte Verbesserungen gibt es nicht, was die Motivation für wiederholte Runs etwas schmälert. Rennen gegen Rivalen und Verfolgungsjagden mit der Polizei bringen zwar Adrenalin, wiederholen sich aber schnell. Besonders schade: Viele Dialoge der Gegner sind identisch, sodass Runs nach kurzer Zeit weniger frisch wirken. Neben den Action-Elementen streut Heading Out kleine Story-Ereignisse ein. Der Spieler kann sich entscheiden, ob er Fremden hilft, sie beraubt oder einfach ignoriert. Diese Entscheidungen wirken sich auf den Ruf des „Interstate Jackelope“ aus, einer Art Legende, die man verkörpert. Manche Optionen sind nur wählbar, wenn man einen entsprechenden Ruf hat. Leider bleiben diese Episoden oft oberflächlich. Sie sorgen zwar für Abwechslung, tragen aber wenig zum großen Ganzen bei. Hier wäre mehr Tiefe wünschenswert gewesen.

Einzigartiger Grafikstil
Optisch sticht Heading Out sofort heraus. Der schwarz-weiße Graphic-Novel-Stil erinnert an Werke wie Sin City und verleiht dem Spiel eine unverwechselbare Identität. Wichtige Elemente wie Ziele, Gegner oder die bedrohliche Angst werden durch kräftige Farben hervorgehoben, Gelb, Rot, Blau. Dieses minimalistische, kontrastreiche Design sorgt dafür, dass jede Szene wie eine Comicseite wirkt. Besonders im Finale entfaltet der Stil seine volle Wirkung. Und dieser sehr unverkennbare Stil reiht sich auch direkt sehr schön mit den generellen Themen und Ansätzen des Spiels ein und vermittelt ein sehr gutes Gefühl der Isolation, der ständigen Flucht und den immer wiederkehrenden emotionalen und schwerwiegenden Entscheidungen, die ihr auf dem Weg immer wieder treffen müsst.

Auch der Soundtrack ist ein zentrales Element. Jedes Rennen und jede Flucht ist an einen Song gekoppelt, dessen Länge das Event bestimmt. Besonders der Track zu Beginn von Akt IV hat Hit-Potenzial und treibt die Action perfekt an. Leider passt nicht jeder Song zum Geschehen. Einige ruhige oder gar melancholische Stücke wirken fehlplatziert und nehmen den Rennen die Dramatik. Zwar ist keine Musik wirklich schlecht, aber die stilistische Uneinheitlichkeit reißt gelegentlich aus der Immersion.mTechnisch läuft Heading Out insgesamt stabil, wenngleich wir im Test auf dem Steam Deck einige Abstürze hatten. Das größte Problem ist jedoch die Lesbarkeit: Die Schriftgröße ist extrem klein und auf Handhelds kaum zu entziffern. Selbst wichtige Belohnungen oder Menüs sind nur schwer erkennbar. Auf einem Monitor fällt das Problem deutlich weniger ins Gewicht, bleibt aber ein ärgerliches Design-Manko.

Wiederholung statt Abwechslung
So spannend das Konzept klingt, so sehr kämpft Heading Out mit der Wiederholung. Viele Rennen, Radiodialoge und Ereignisse wiederholen sich zu oft. Während gute Roguelites wie Hades oder Dead Cells es schaffen, jeden Run frisch wirken zu lassen, fühlt man sich hier schnell, als würde man dieselbe Strecke zum zehnten Mal fahren. Neue Elemente wie Barrikaden oder Staus werden zwar nach und nach eingeführt, fühlen sich aber eher wie kleine Modifikationen an statt echter Gameplay-Revolutionen. Das untergräbt die Langzeitmotivation.

Fazit: Stilvoll, aber nicht ausgereift
Heading Out ist ein mutiges Experiment: ein Roadmovie zum Spielen, gepaart mit Roguelite-Mechaniken und einem unverwechselbaren Grafikstil. Atmosphärisch ist das Spiel stark, und die Flucht-vor-der-Angst-Mechanik sorgt für ständigen Druck. Doch die Umsetzung schwächelt. Die Wiederholungen, die kaum unterscheidbaren Fahrzeuge und die oberflächlichen Entscheidungen verhindern, dass Heading Out das volle Potenzial ausschöpft. Wer über diese Schwächen hinwegsehen kann, erhält dennoch ein atmosphärisches Erlebnis, das man so in dieser Form selten sieht. Am Ende bleibt ein solides, visuell starkes Spiel, das Lust auf eine Fortsetzung macht, in der hoffentlich mehr Tiefgang und Abwechslung steckt.

