Wer sich für äußerst kuriose Hardware interessiert, könnte am 27. Februar 2020 fündig werden. Heritage Auctions – welche unter anderem ein original-versiegeltes und gegradetes Super Mario Bros. für das NES für satte 100.000 Dollar an den Mann gebracht hat – haben nun ein weiteres Stück Videospielgeschichte im Portfolio: die Nintendo PlayStation.
Jetzt werden sich sicher viele denken „Was ist denn an einer PlayStation so besonders, die krieg ich für 10€ bei ebay!“; und lesen anschließend noch einmal: da steht nicht Sony, da steht tatsächlich „Nintendo PlayStation“.
Der geneigte Leser wird jetzt fragen: „Häh? Wieso Nintendo? Was hat Nintendo mit der PlayStation zu tun?“
Rückblick
In den späten 1980ern werkelte Nintendo fleissig am Nachfolger seines überaus erfolgreichen Nintendo Entertainment System, kurz NES. Das Super Nintendo Entertainment System (SNES, Retro Review hier) befand sich in der Entwicklung, in Zusammenarbeit mit Sony entstand auch der Soundchip (SPC700) der neuen Konsole. Da sich Gerüchte mehrten, dass die Firma Sega – die damalige Nr. 2 der Konsolenwelt – an einer Erweiterung ihres – in Japan bereits Ende 1988 erschienenen – Mega Drive (in den USA Genesis getauft) arbeitete, welches die noch recht junge CD-Rom Technologie nutzen sollte; entschloss sich Nintendo mit Sony eine Allianz einzugehen, um eine CD-Erweiterung für das SNES zu entwickeln: die Idee zur PlayStation war geboren.
Eine auf dem Papier mächtige Allianz
Während Sony für die Hardware sorgen sollte, besaß Nintendo natürlich unter anderem sehr beliebte Franchises, die eine immer größere Fangemeinde um sich scharte: Mario, Donkey Kong, Kirby, Zelda und noch einige andere Spielefranchises wurden immer größer und sorgten für prächtige Gewinne. Was also sollte schiefgehen?
Papiere sind zum Lesen da
Die Konstruktion des Prototyps schreitete prächtig voran, bis Hiroshi Yamauchi (der damalige Chef von Nintendo und Enkel des Gründers des 1889 gegründeten Unternehmens) persönlich einschritt. Beim Abschluss der Verträge ist Nintendo nämlich ein entscheidendes Detail entgangen: Sony wollte exklusive Vermarktungsrechte, auch für Spiele mit Nintendo-Figuren. Nintendo – schon zu der Zeit äußerst bedacht, ihr geistiges Eigentum zu wahren – war damit absolut nicht einverstanden, und so schloss man hinter dem Rücken von Sony einen Vertrag mit Philips ab, ihres Zeichens Miterfinder der CD-Technologie – ironischerweise gemeinsam mit Sony.
Es kommt zum Bruch
1991 sollte es dann zum großen Bruch der Unternehmen kommen. Auf der Consumer Electronics Show – kurz CES – stellte Sony den Prototypen der CD-Erweiterung der Öffentlichkeit vor…kurz darauf verkündete Nintendo auf dem gleichen Event das Ende des Vertrages mit Sony mit gleichzeitiger Öffentlichmachung der Kollaboration mit Philips.
Der Rest ist quasi Videospielgeschichte:
Sony fühlte sich gedemütigt und benutzte das erlangte KnowHow für das Entwickeln der 1994 in Japan erschienenen SONY PlayStation (PSX oder auch PS1), auch der Vertrag zwischen Nintendo und Philips wurde gelöst. Es erschienen – als Teil des Vertrages mit dem niederländischen Konzern – ein paar wenige Spiele mit lizenzierten Nintendo-Figuren für das CDi von Philips, die allerdings weder in Qualität noch vom GamePlay her überzeugen konnten.
Die 200 produzierten Prototyp-Einheiten der geplanten Nintendo PlayStation wurden zurückgerufen und vernichtet…vermutlich alle; bis auf einen. Und genau dieser wird jetzt zur Auktion gebracht.
Aber wie kommt ein Stück Videospielgeschichte in die Hände eines Sammlers, der diese jetzt zu Geld machen will?
Das Glück ist mit den Tüchtigen
Olaf Olaffson – erster Präsident von Sony Computer Entertainment Inc. – wechselte Mitte der 1990er zu einem Kreditkartenunternehmen und nahm den Prototypen wohl als Andenken mit. Als er später dann zu Time Warner wechselte, ließ er diesen dort. Das Kreditkartenunternehmen ging Pleite, und diverse Kisten mit wild zusammengewürfelten Besitztümern der Firma wurden durch die Insolvenzverwalter an den Mann gebracht.
Der aktuelle Besitzer des Prototypen – Terry Diebold – erwarb eine dieser Kisten für 75 Dollar, ohne zu ahnen, welchen Schatz er da erworben hatte.
Für ihn war das Ding ohne Bedeutung, bis sich sein Sohn dafür interessierte und ein Bild davon auf Reddit postete; ab da ging die Geschichte dann viral. Mehrere unabhängige Experten haben – auch aufgrund der großen Skepsis wegen der kuriosen Geschichte – bestätigt, dass der Prototyp tatsächlich existiert und dass er SNES-Spiele abspielt. CD-Gamez gibt es nur eines als Homebrew, also das Gerät spielt keine PlayStation (1) Spiele ab.
Reise, Reise…
Seit mehreren Jahren nun sind Diebold und sein Sohn mit dem Ding unterwegs und besuchen verschiedene Conventions, um den Prototypen vorzuführen. Jetzt entschied sich Diebold den Prototypen versteigern zu lassen, mit einem Startgebot von satten 1.000.000 US-Dollar.
Ein früheres Angebot eines Sammlers aus Norwegen in Höhe von 1,2 Mio. US-Dollar lehnte er ab; mit der Begründung, schon seine Reisen zu den verschiedenen Conventions hätten ihm nur Kosten verursacht, die höher liegen würden.
Daher entschloss er sich jetzt zur Auktion, die im nächsten Jahr stattfindet.
Ob er damit zu hoch pokert oder das Gerät tatsächlich für weit mehr als die erforderliche 1 Mio US-Dollar den Besitzer wechselt, wird man dann am 27. Februar 2020 sehen.
Für Leser, die sich dafür interessieren oder gar noch die eine oder andere Million im Sparschwein haben, hier der Link zur Preview der Auktion:
https://comics.ha.com/itm/video-games/nintendo-play-station-prototype-sony-and-nintendo-c-1990s/p/7224-87001.s?ic4=GalleryView-Thumbnail-071515
Man kann sich jetzt natürlich darüber streiten, ob so ein exotisches und einmaliges Gerät in irgendeinem Sammler-Zimmer enden sollte oder doch eher in ein Museum gehört.
Fakt ist allerdings, dass es tatsächlich einmal eine friedliche Zusammenarbeit zwischen Nintendo und Sony gegeben hat und dass der Markt für Videospiele heute vielleicht ganz, ganz anders aussehen würde, hätte sich Nintendo damals nicht aus dem Vertrag mit Sony gewunden.