Selbstzensur ist eine geile Sache! Moment mal…
Wie im Artikel schon mehrfach erwähnt, gehen Publisher mittlerweile den Weg der freiwilligen Selbstzensur, um einer Indizierung des Spiels zu entgehen.
Man kann natürlich jetzt argumentieren, dass es deren gutes Recht ist; schließlich haben sie Millionen in die Entwicklung ihres Spieles gesteckt und wollen diese ja wieder reinholen. Und so klein ist der deutsche Markt nicht; wie immer angenommen wird.
Wer so argumentiert, hat leider nicht begriffen, dass eine Zensur immer eine Vorstufe zur absoluten Kontrolle ist.
Sämtliche Diktaturen dieser Welt, ob noch existent oder nicht, begannen mit Zensur. Und dann ging es immer weiter.
Apropos Diktatur: das Zeigen von Hakenkreuzen, wie recht am Anfang dieses Artikels kurz behandelt, ist in Deutschland nach §86 verboten. Allerdings nicht, wenn es der Kunst dient. Videospiele, die wohl ALLE Gamer als eine Form der Kunst zählen, sind eben nicht als Kunst deklariert; was bedeutet, dass ein Spiel, in dem Hakenkreuze zu sehen sind, automatisch eine Beschlagnahmung riskiert.
Negativbeispiele für diesen – nennen wir es mal freundlich – Schwachsinn der Videospielwelt sind das kürzlich erschienen South Park – Der Stab der Wahrheit und das 2009 erschienene Wolfenstein.
Während beim ersten Titel der Weg mit schwarzen Balken und gelöschten Tonspuren einherging (was auch in der Serie oftmals thematisiert wird und noch einigermaßen passend ist), war Wolfenstein natürlich verstümmelt bis zum Abwinken.
Wolfenstein spielt nunmal überwiegend im dritten Reich; da ist es auch logisch, dass Hakenkreuze zu sehen sind.
Der Publisher ging den Weg der Selbstzensur; und so wurde für den deutschen Markt eine eigene Fassung geschaffen.
Sämtliche Referenzen zu Nazis und dem Nationalsozialismus wurden gelöscht; die Bösewichte hießen von nun an Wölfe.
Man sieht schon und schüttelt den Kopf; Wölfe sind also Nazis.
Man könnte sich jetzt natürlich fragen: wenn man, wie in manchen Teilen der Serie, dem Ober-Nazi schlechthin auftreten würde; wie könnte man diesen verbauen?
Gar nicht, wäre wohl die korrekte Antwort.
Und so war es auch.
Witzigerweise wurde die deutschland-exklusive Fassung kurze Zeit nach Erscheinen wieder vom Markt genommen; Gerüchten zufolge hatte man bei der Lokalisierung und Kastration (anders kann man es leider nicht nennen) des Spieles ein Hakenkreuz übersehen.
Eines. In einem Spiel, welches im dritten Reich spielt.
In einem Spiel. Einem Spiel, an welchem wohl dutzende Menschen mitgearbeitet haben.
Jeder ein Künstler in seinem Fachbereich: Musiker, Programmierer, Regisseure, Zeichner, Storywriter und noch viele mehr.
Alles Menschen, die in jedem anderen Genre der Medien als Künstler gelten würden; aber wenn sie ein Spiel entwickeln, ist es keine Kunst. Zumindest nicht in Deutschland.
Traurig, wenn man es sich mal auf der Zunge zergehen lässt.
In anderen Ländern zählen Videospiele schon lange als Kunstform; bei uns in Deutschland sind Spiele es eben nicht.
Und so kann man einen Publisher auch dazu nötigen, bereits ausgelieferte Spiele wieder einzusammeln, um diese zu vernichten. Die Vernichtung des Geldes, welches man investiert hat, um diese Spiele auf Medium zu bannen, ist hier wohl nicht der Rede wert.
Wolfenstein mag seine Erwartungen wirklich nicht erfüllt haben; das sieht wohl jeder Gamer so.
Aber das Hickhack, welches von einem Symbol ausgeht, scheint sich auch in Zukunft nicht zu ändern.
Die Politik geht wohl davon aus, dass man als Spieler, der mit Hakenkreuzen konfrontiert wird, automatisch die rote Armbinde von Opi’s Speicher holt, dazu die alte Uniform anzieht und dem Nationalsozialismus huldigt.
Dass es in 99% der Spiele mit Dritter-Reich-Thematik darum geht, die Geschichte zu ändern oder gar zu einem positiven Ausgang zu verhelfen – und sei es nur virtuell – wird nicht bedacht.
Die Zukunft oder: was sich ändern sollte
Wer bis hierhin durchgehalten und sich alles mal in Ruhe durchgelesen hat; der wird mit Sicherheit zustimmen wenn man sagt: ändert was, aber zackig!
Jugendschutz ist an und für sich eine gute Sache, keine Frage; und es gibt Medien, sei es jetzt Film oder Spiel, die in Kinderhänden einfach nichts verloren haben.
Beispiele wurden genannt und behandelt.
Auch eine Indizierung ist absolut in Ordnung; wenn man denn wirklich verhindern will, dass ein Spiel in Kinderhände geraten könnte.
Aber eine wilde Selbstzensur aus Angst, ein Spiel nicht verkaufen zu können oder gar ein Verbot seitens einer staatlichen Stelle, um auch Erwachsenen diese Spiele vorzuenthalten, geht einfach zu weit.
Als erwachsener und mündiger Spieler sollte man selbst entscheiden können, was man für sich in Ordnung findet.
Mancher steht eben auf Strategie-Titel, andere möchten sich eben virtuell als Meuchelmörder durch die Gegend metzeln, um sein Ziel zu erreichen. Man kann darüber streiten, ob solche Spiele überhaupt Sinn ergeben, aber es gibt einen Markt dafür.
Und Spiele, in denen nun einmal geschossen wird, sollten nicht entschärft werden müssen, weil eventuell ein Kind dieses Spiel in die Hände kriegen könnte.
Andererseits, und auch dies wurde behandelt: Verbote bringen, in Zeiten der Globalisierung und insbesondere des Internets, überhaupt nichts mehr.
Während man in den 1980ern und 1990ern noch Glück haben musste, seine Medien beim lokalen Händler um die Ecke oder in der Videothek zu bekommen, reicht heute oft schon ein Mausklick, und man bekommt die volle Bandbreite an Medien, die in anderen Ländern ohne jedwede Zensuren auskommen.
Nebeneffekt dieser Bestellungen im Ausland ist gleichzeitig, dass dem deutschen Staat durch seine Zensurpraktiken natürlich auch Geld entgeht.
Wenn man bedenkt, dass Spiele bspw. in den USA für 59,99 US-Dollar über die Theke gehen und man für das gleiche Spiel in Deutschland 59,99 Euro zahlen soll; da kribbelt es natürlich in den Fingern, ob man jetzt für ein eventuell gekürztes/geschnittenes Machwerk noch den Betrag zahlen soll oder sich in den USA das Medium bestellt.
Selbst mit Extra-Versand aus den Staaten kommt man oftmals billiger davon; und da die meisten Spieler auf eine verhunzte, deutsche Synchronisation sowieso verzichten können, wird dieser Service auch gerne in Anspruch genommen.
Die Politik sollte sich mal anstatt von Verboten überlegen, wie man dieses Problem angehen kann, so dass ALLEN gedient ist. Publishern wie Spielern.
Pessimisten und Realisten werden aber den Weg der Politik schon vorausahnen: bevor sich hier an dieser Situation was ändert, gibt man lieber mehr Geld für umfangreichere Zoll-Abfangstationen und weitere Verbote aus, als den einfacheren Weg zu gehen.
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