Und jenseits vom Fachwissen: was zeichnet einen Forensiker aus?
Man muss Details mögen. Also eine große Vorliebe für das Spezielle haben als für das Allgemeine. Aber mögen reicht da nicht, man muss auch ein Auge dafür haben.
Hast du schon mal etwas Fallentscheidendes bei deiner Arbeit übersehen?
Das erfahren wir erstens nicht, denn unser Team ist leider oft die letzte Instanz. Zweitens versuche ich Murx zu vermeiden, indem ich den anderen Teammitgliedern sehr offen zuhöre. Das verhindert hoffentlich Fehler, denn jeder sieht was anderes.
Du beschreibst in verschiedenen Interviews, dass man sich von den Toten als Menschen distanzieren muss. Wie genau funktioniert das? Lernt man das mit der Zeit bei der Arbeit?
Du darfst einfach nicht darüber nachdenken, was mit dem Menschen passiert ist. Es ist auch kein Unterschied, ob nur der Arm abgehackt oder die gesamte Leiche in 20 Zentimeter dicke Stücke zerlegt ist. Das ist vollkommen schnuppe. Das kann man nicht lernen, das ist wie mit den Details: Entweder du magst sie oder eben nicht.
Wie steht es denn mit dem Respekt vor den Toten? Darf man in der Leichenhalle schon mal das Pausenbrot auspacken?
Ich esse tagsüber nix. Das hat unter anderem damit zu tun, dass ich tagsüber oft bakterienreiche oder geruchsstarke Flüssigkeiten oder Teilchen an Händen, Haaren oder Klamotten habe… so gesehen kein Problem. Ich selbst habe auch noch nie jemanden am Tatort essen sehen, weil man dadurch ja erstens Spuren legen würde und sich zweitens auch auf die Arbeit konzentrieren soll. Ein Stahlkocher wird wohl auch nicht neben dem Hochofen sein Ei-Brötchen auspacken.
Was schätzt du, wie viele Leichen du insgesamt schon untersucht hast?
Absolut nicht den Hauch eines Schimmers. Hunderte. Die spannendere Frage ist vielleicht eher, wie viele Spuren ich untersucht habe – zehntausende?
[Foto: Thomas van de Scheck für Benecke.Com]
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