Der perfekte Scharfschütze agiert lautlos, aus dem Versteck heraus und vor allen Dingen mit tödlicher Präzision. In Sniper: Ghost Warrior 2 schlüpfen wir in die Rolle eines solchen Snipers und sollen unseren Job in eben jener geforderten Perfektion erledigen. Also haben wir uns den Tarnanzug übergestreift und die Welt durch das Zielfernrohr erkundet, hier unser Test zu Sniper: Ghost Warrior 2.
Sniper: Ghost Warrior 2 ist die konsequente Fortführung des 2011 erschienenen Sniper: Ghost Warriors. Dieser erste Teil war durchaus spaßig und mehr als solide, konnte aber im Gesamtpaket nicht vollends überzeugen. Logisch, dass ein zweiter Teil her sollte und ebenso logisch, dass man einige Verbesserungen erwartet. Seit wenigen Tagen ist dann jetzt Sniper: Ghost Warrior 2 im Handel erhältlich.
Unser spielbarer Charakter namens Cole Anderson ist Scharfschütze und zählt zu den Besten in seinem Job. Da ist es keine Frage, dass man ihn für brisante Spezialaufträge gerne als ausführendes Organ heranzieht. Und wo Scharfschützen für geheime Einsätze gebraucht werden, da sind böse Terroristen oft nicht weit. Die mitunter stereotype Geschichte rund um Sniper: Ghost Warrior 2 katapultiert uns ohne große Umwege hinein in ein Szenario voller Schurken und Banditen, die bis an die Zähne bewaffnet sind und der friedlichen Welt mit biologischen Waffen drohen. Aber diese Rechnung haben sie ohne uns gemacht und schon geht es auf in den großen Feldzug.
OK, das Wort Feldzug trifft den Nagel nicht ganz auf den Kopf. Damit würde man Sniper: Ghost Warrior 2 auch nicht gerecht werden, denn obwohl wir hier von einem Egoshooter reden, darf man das Spiel tunlichst nicht in einen Topf mit den Call of Dutys, den Battlefields und ihren unzähligen Nachahmern werfen. Nein, Sniper: Ghost Warrior 2 spielt sich von Grund auf anders, was aber überhaupt nicht bedeuten soll, dass die Action zu kurz kommt. Anders eben, als das, was wir gerne mal als Einheitsbrei bezeichnen.
In Rambo-Manier, wie man es oft vorgesetzt bekommt, kommt man in Sniper: Ghost Warrior 2 keine 5 Schritte weit. Andere Fähigkeiten liegen im Fokus, das unentdeckte Ausspähen feindlicher Stellungen, das Finden einer guten Schussposition und das Abdrücken des Abzugs im richtigen Moment. Kleine Fehler können schon oft über Erfolg und Misserfolg entscheidend sein: Fliegt unsere Tarnung auf und man hat uns entdeckt, dann kann man sich die Chancen ausmalen, die man mit einer Einzelschuss-Waffe gegen eine Horde anstürmender Terroristen mit Maschinengewehren hat. Besser, man atmet vorher tief durch und geht jede Situation mit Bedacht an.
In fast jeden Einsatz folgt uns ein treuer Kamerad, unser allgegenwärtiges Auge quasi. Dieser lotst uns über den richtigen Weg zum Ziel, markiert per Fernglas Feinde und hat immer einen guten Ratschlag für das weitere Vorgehen parat. Diese Hilfen sind gut, fast schon zu gut, denn meist greifen sie unserer eigenen Analyse zu schnell voraus. Während man selbst also noch die Feindstellung erforscht und gemächlich den Masterplan schmiedet, hat unser Spotter schon die Lösung bereit. Die eigene Initiative und Kreativität leidet darunter.
Also schön, dann sind wir also irgendwann in unsere Deckung geschlichen und haben alle Ziele ausgekundschaftet. Sofern uns der Spotter nicht die Reihenfolge an auszuschaltenden Zielen vorkaut, sollte man mit wachsamen Augen die Laufwege aller feindlichen Patrouillen studieren. Rumstehende Benzinfässer eignen sich bestens für das Ausschalten einer ganzen Gruppe – dann allerdings mit viel Tamtam und so gar nicht leise. Besser als im ersten Teil durchdringen unsere Geschosse jetzt auch endlich Kisten und dünne Wände. Gegner in Barracken oder solche, die Schutz hinter leichter Deckung suchen, stellen also kein großes Problem mehr dar. Vorausgesetzt zumindest, dass unsere Kugel ihr Ziel nicht verfehlt. Das ist auf dem höchsten Schweregrad recht knifflig, denn Wind und Distanz zum Ziel müssen stets korrekt einkalkuliert werden. Auf den leichteren Stufen schaltet sich eine Zielhilfe dazu, die per rotem Punkt den Einschlagspunkt der Kugel markiert. Typisch für ein Sniper-Spiel ist auch die Abhängigkeit vom eigenen Puls. Ist dieser zu hoch, lässt es sich eben nur unruhig zielen, selbst in der Hocke oder im Liegen. Praktisch: Per Knopfdruck kann unser alter ego die Luft anhalten und dann steht dem tödlichen Treffer eigentlich nichts mehr im Wege.
Einzelne Missionen bringen zwischendurch Abwechslung ins alltägliche Geschäft eines Scharfschützen, wo der Fokus etwas mehr auf Nahkämpfen liegt, etwa eine Flucht aus der Gefangenschaft. Ansonsten spielen sich alle übrigen Missionen recht ähnlich. Anpirschen, Ziele ausmachen und zuschlagen.
Warum Sniper: Ghost Warrior 2 zu keinem Spitzenspiel avanciert, liegt an mehreren Punkten:
1. Die unausgegorene KI
Die künstliche Intelligenz unserer Gegner schwankt von übermächtig, allsehend und -hörend bis hin zu strohdumm. 2 Beispiele, um dies etwas zu verdeutlichen. In einer Mission sind wir trotz waltender Vorsicht sehr früh von einer Gruppe Gegner entdeckt worden. Und trotzdem wir gut getarnt im Gebüsch in mehreren hundert Metern Abstand lagen, trafen uns die Feinde mit ihren MG Salven nahezu perfekt. Das ist nicht nur frustrierend, sondern auch recht unrealistisch. Und in der nächsten Mission konnten wir dann Gegner ausschalten, obwohl Wachen nur wenige Schritte weiter direktes Sichtfeld auf das Geschehen hatten. Gekümmert hat es die Kerle allerdings wenig. Auch explodierende Fässer lassen einige Kameraden völlig kalt, als wäre das absoluter Alltag. Frei nach dem Motto: Hier fliegt doch ständig was in die Luft.
2. Lineare Erkundungstour
So weitläufig die Welt in Sniper: Ghost Warrior 2 auch scheint, sie ist es leider nicht. Dabei wäre die verwendete CryEngine 3 ja quasi prädestiniert für offene Welten und alternative Wegrouten. Hier aber sind unsere Wege fast ausnahmslos strickt vorgegeben, was von daher schade ist, als dass man bei einem Scheitern der Mission nicht einen anderen Sniperpunkt suchen darf. Gerade alternative Herangehensweisen an eine Gefahrenstelle hätten für einen hohen Wiederspielwert sorgen können, aber so tendiert er gegen 0.
3. Zu kurz!
Der Fokus von Sniper: Ghost Warrior 2 liegt augenscheinlich auf dem Einzelspieler-Modus, zumindest suggeriert der knappe Multiplayer das (mehr dazu weiter unten). Und mit einer Spielzeit von 5-6h hat man das Spiel schnell beendet. Ohne den erwähnten Wiederspielwert fehlt hier etwas mehr Umfang.
Wir haben gerade schon den Multiplayer erwähnt und dieser fällt tatsächlich recht karg aus. Ausschließlich Team Deathmatch steht als Modus zur Auswahl, gespielt wird mit 4-12 Spielern. Und jetzt Achtung, es gibt 2 Karten. In Worten: Zwei. Also bitte, hier muss dringend Nachschub her und das am besten auch noch möglichst schnell, sonst sind die Server schon bald leergefegt und das währe gleichermaßen unnötig wie schade. Immerhin hebt sich der Multiplayer auch von besagtem Einheitsbrei übriger Shooter ab, der verschanzte Deckungskampf ist adrenalingeladen und vergleichsweise entschleunigend.
Als Engine kommt die beliebte CryEngine 3 zum Einsatz und sie sorgt für rundum schicke Optik. Egal, ob wir uns im dichten Dschungel, im felsigen Himalaya oder zerbombten Sarajevo befinden, die Grafik ist durchweg gelungen. Besonders die tollen Wassereffekte und dichten Urwaldflechten wissen zu gefallen. Unterstrichen wird die gute Optik durch stylische Kamerafahrten bei der Killcam, die man ja bereits aus anderen Sniperspielen her kennt.
Für die Ohren hat man natürlich auch gesorgt und so gibt es einen durchkomponierten Soundtrack, der sich dynamisch dem Geschehen anpasst. Patzer gibt es bei der Synchronisation, teilweise fehlten Satzenden und dadurch wurden Gesprächsfetzen verschluckt.
[box_info]*Update*[/box_info]Als ob CI-Games unseren Bericht schon vorab gelesen hat, kamen während des Tippens gleich 2 Meldungen reingeflattert, die obige Kritikpunkte etwas entschärfen. Der frisch angekündigte DLC für die Single-Player namens „Siberian Strike“ lässt uns endlich in bester open-world Manier frei umherstreifen und soll viele Freiheiten bieten. Na das wäre doch mal was, genau sowas möchten wir bei Sniper: Ghost Warrior 2 sehen. Schade, dass so etwas erst per kostenpflichtigen DLC nachgeliefert wird, aber da sind wir mal gespannt.
Das zweite Update betrifft den Multiplayer und geht ebenfalls genau auf die Kritik unsererseits ein. Gleich 2 neue Karten kommen kostenlos dazu, ebenfalls ein weiterer Spielmodus. Danke dafür, das dürfte doch für einige unterhaltsame Stunden gepflegter Sniperaction sorgen!
Fazit
Bleibt als Fazit festzuhalten, dass Sniper: Ghost Warrior 2 ein ziemlich zweischneidiges Schwert ist. Gute Ideen bei der Spielgestaltung vs. viel zu wenige spielerische Freiheiten. Gegner ala Chuck Norris vs. begriffsstutzige Dummbatzen. So könnte man die Waagschale immer weiter und weiter füllen. Immerhin freut man sich auch einfach mal, wenn sich ein Shooter von der Masse abhebt und das tut Sniper: Ghost Warrior 2 teils sehr deutlich. Die unkomplizierte Steuerung geht fix in Fleisch und Blut über und lässt den Spieler schnell in die Spielwelt ein- bzw. untertauchen. Den vielleicht gröbsten Schnitzer leistet man sich beim Umfang, denn nach 5-6h ist Sense und ohne Nachschub an Maps dürfte auch beim Multiplayer bald die Luft raus sein (Update siehe oben). Alles in Allem ist Sniper: Ghost Warrior 2 solide, leider nicht mehr. Da es als Budgetspiel im Handel erhältlich ist, kann man von einiger Kritik etwas absehen und man sollte dem Game in jedem Falle eine Chance geben, zumal Freunde des ersten Teils und/oder Sniper Elite V2 in jedem Falle unterhalten werden.