Sniper Elite 3 – Test / Review

    Nach dem kleinen Überraschungserfolg von Sniper Elite V2 war klar, dass das Scharfschützenspektakel fortgeführt wird. Gut so, denn in Sniper Elite 3 werden die größten Kritikpunkte des Vorgängers ausgemerzt. In unserem Test zeigen wir euch, warum das Spiel einen ziemlichen Kontrast zu anderen Shootern bildet und wir das Spiel (vielleicht gerade deshalb) für rundum gelungen halten.

    Sniper Elite 3 erschien am 26. Juni für PC, Xbox 360, Xbox One, Playstation 3 und Playstation 4. Die Deutsche Version ist ungeschnitten. Unser Test basiert auf der Spielversion für Xbox One.

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    Es ist Dämmerung in der staubtrockenen Wüste. Langsam pirsche ich durch das dichte Gras und finde Deckung hinter einer Mauerruine. Vorsichtig erhasche ich mit dem Fernglas einen Blick in das feindliche Camp in einiger Distanz. Zwei Nazis patrouillieren um das Lagerfeuer. Auf einem etwas abgeschiedenen Aussichtsturm steht ein Schütze am Suchscheinwerfer, er hält nach potentiellen Gefahren ausschau und der Lichtkegel wandert langsam über die Ebene. Dieser muss mein erstes Ziel werden, denn er stellt die größte Bedrohung für mich dar. Also abwarten, bis die Patrouille aus dem Sichtfeld verschwunden ist und in der Hocke vorsichtig im Schatten der Felsen zur Rückseite des Wachturm geschlichen. Puh, mich hat niemand entdeckt. Wenige Leiterstufen später stehe ich hinter der ahnungslosen Wache, ein Stoß mit dem Messer in die Kehle und der Soldat sinkt lautlos zu Boden. Der Suchscheinwerfer ist rasch deaktiviert, jetzt bleiben nur noch die beiden Wachen am Lagerfeuer. Ein Leichtes für mich als geübter Scharfschütze. Der perfekte Moment ist da, als über den Nachthimmel ein paar Flugzeuge im Tiefflug fliegen, ihre Motoren werden meinen Schuss übertönen. Anlegen, Luft anhalten, abdrücken. Und noch einer weniger. Mist, die zweite Wache hat die Leiche entdeckt und ist alarmiert. Aber er weiß nicht, woher ihm sein Verderben droht, da kann er noch so sehr Deckung hinter einem Felsen suchen. Wenige Sekunden später ist er kurz unachtsam und haucht dann auch schon seinen virtuellen Geist aus. Treffer!

    Die beschriebene Szene ist mitten aus dem Spiel Sniper Elite 3 gegriffen. Im Kern geht es natürlich immer noch darum, fiese Nazis aus größtmöglicher Distanz möglichst unbemerkt zu eliminieren. Wo uns damals Sniper Elite V2 ins zerbombte Berlin führte, verschlägt es unser alter ego Karl Fairburne jetzt im dritten Teil nach Nordafrika. 1942 werkelt die Wehrmacht an einer neuartigen Waffe, Gerüchten zufolge eine Art Superpanzer. Weil die Alliierten mit ihren Streitkräften nicht wirklich vorwärts kommen, ruft man nach Fairburne. Ein einzelner Kämpfer, der im Verborgenen operiert, kann hier viel mehr Schaden anrichten, als ganze Armeen. Also auf in Richtung Suez Kanal, um den lebenswichtigen Nachschubsweg zu sichern und die Pläne der Wehrmacht zu durchkreuzen.

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    Die Story in Sniper Elite 3 ist nicht der Rede wert, eigentlich dient sie nur zur Begründung, warum wir erneut auf Nazijagd gehen. Auch die gesamte Spiellänge bleibt sie absolute Nebensache, kürzere Cutscenes mit Erzählstimme stimmen auf den folgenden Einsatz ein. Gleiches gilt auch für unseren Hauptcharakter Fairburne, der früh schon klarstellt, dass eigentlich niemand Scharfschützen mag. Er bleibt blass, belanglos, kloppt gelegentlich mit tiefer Brummstimme einen klugen Spruch und ist einfach ein austauschbarerer Antiheld mit perfekt sitzender Frisur.

    Viel spannender wird es da schon in den einzelnen Missionen. Derer gibt es 12, wobei der erste Einsatz als Tutorial dient und ziemlich zügig absolviert ist. Ab dann aber lässt man uns so richtig von der Leine und das Spiel entfaltet seine ganze Pracht. 12 Einsätze klingt auf dem Papier nach einem überschaubaren Umfang. Bedenkt man allerdings, dass für eine Mission gerne mal 1,5 Stunden benötigt werden, dann läppern sich viele Spielstunden zusammen. Geplante DLCs werden in Zukunft dazu beitragen, dass man mit Sniper Elite 3 wohl auch ohne weiteres die 20 Stunden Marke knacken kann, sofern man das Spiel auch in vollen Zügen ausschöpft.

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    Eingangs erwähnten wir, dass die größten Schwachstellen aus V2 geradegerückt wurden. Damit meinen wir im Besonderen die Levelstruktur und die KI. Fangen wir beim Leveldesign an.

    Die einzelnen Missionen suggerrieren eine offene Spielwelt, die bei genauerer Betrachtung aber natürlich nicht komplett offen ist, wie könnte sie das auch? Viel mehr erwarten uns enorm große Außenareale, die durch Brücken, Tunnel oder kleinere Schluchten miteinander verbunden sind. Und innerhalb dieser Riesenareale genießen wir dann auch den kompletten Handlungsfreiraum, den man sich als Undercover-Schütze wünscht. Vorbei die Zeiten schlauchiger Level mit kleineren Abzweigungen, Sniper Elite 3 lädt den Spieler zur freien Erkundung ein. Und genau das macht den Spielreiz so groß, denn nur unter genauer Beobachtung der Levelstruktur geht der lautlose Plan auf. Die Welt ist gespickt mit Häusern, Ruinen, Aussichtstürmen, Anhöhen, Zelten, Felsen, und und und. Wo es beim Vorgänger noch einen klaren Weg gab, stehen uns jetzt zig mögliche Variationen zur Wahl. Oft ist das Mittel der Wahl, einen erhöhten Punkt zu erklimmen und dort den Feldstecher auszupacken. Dank Markierfunktion können bis zu 8 Ziele getagged werden, die dann permanent sichtbar bleiben. Außerdem verrät uns der Blick durchs Fernglas, wo Gegenstände mit Sprengpotential liegen, wo Fahrzeuge ihre Schwachstellen haben und wo ein Generator steht. Letztere Gerätschaft eignet sich hervorragend zum Übertönen unserer Schussgeräusche: Ein kleines Symbol am oberen Bildschirmrand verrät, wann die Außengeräusche laut genug sind und somit den Knall des Gewehr überdecken.

    Aber auch einem geübten Heckenschützen passiert es, dass ein Schuss nicht 100% sitzt und die Wachen auf uns aufmerksam werden. Und damit zu Punkt 2 besagter Verbesserungen, die KI. In Sniper Elite V2 war es noch so: Sind wir aufgefallen, war urplötzlich die halbe Wehrmacht hinter uns her und jeder Soldat wusste sofort, wo wir versteckt auf der Lauer lagen. In Sniper Elite 3 hat sich dieses dezent nervige Szenario gewandelt. Vertendelt man einen Schuss, dann sind zunächst die Wachen alarmiert. Sie gehen in Deckung und suchen weiträumig das Gebiet ab. Verhalten wir uns dabei ganz ruhig, gehen sie wenig später auch schon wieder ihrer Arbeit nach. Machen wir jedoch im alarmierten Zustand munter wieter und eröffnen erneut unvorsichtig das Feuer, werden wir entdeckt, die Hatz auf uns beginnt und die Feindtruppen beginnen ihren Angriff. Nicht seltenstellen sich die Kameraden dabei sogar recht geschickt an. Während mehrere Soldaten auf uns feuern, versuchen weitere eine Flankierung, werfen Granaten oder stürmen frontal los. Hier hilft ein Stellungswechsel, denn die Truppen halten an dem Punkt fest, an dem sie uns das letzte mal erpicht hatten. Am unteren HUD befindet sich neben dem Marker zum Alarmzustand eine Distanzanzeige zum letzten Sichtungspunkt. Schaffen wir die unbemerkte Flucht aus dem Radius, löst sich zaghaft der Alarmzustand wieder auf. Und an dieser Stelle kann man dann der KI auch wieder den Vorwurf machen, dass sie mitunter sehr dümmlich agiert. Überlegt man sich, dass vor wenigen Sekunden der Kamerad zur Linken erschossen wurde und man dann wieder seiner normalen Patrouille nachgeht … naja, nicht gerade ein Zeichen für einen hohen IQ. Das gilt besonders dann, wenn ein Soldat auf der Leiche eines Mitstreiters stehen bleibt, aber fröhlich pfeift.

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    Wer die Definzite der KI überdecken möchte, der wechselt schnell in einen höheren Schweregrad. Dann nämlich haben die Feinde bessere Ohren, einen schärferen Blick und sind extrem treffsicher. Weiterhin entfallen für den Spieler Hilfen wie etwa die Markierung für den Einschlag der Kugel, Minimap und taggbare Objekte. Wer auf dem Grad Realistisch spielt, der bekommt ein enormes Adrenalinpaket geboten, denn der kleinste Fehltritt führt fast unweigerlich zum Scheitern. Richtig ärgerlich ist es dann, weil das freie Speichern ebenfalls in diesem Schweregrad gestrichen ist. Ein run-and-gun führt aber auch selbst im leichtesten Schwierigkeitsgrad zum schnellen Tod, selbst wenn sich im Inventar ein paar Medikits tummeln.

    Wo wir schon gerade beim Inventar sind: Fairburne darf 3 Waffen und eine Hand voll weiterer Items, etwa Minen, Granaten und Medikits, mit auf die Reise nehmen. Beim Start jeder Mission darf man sich sein Wunschset zusammenschustern. Das Repertoire an Ballermännern setzt sich stets gleich zusammen. Eine Pistole, ein MG und natürlich das Scharfschützengewehr. Für letzteres gibt es diverse Upgrades, die mittels Abschüsse gesammelter XP freigeschaltet werden. Diese XP setzen sich aus treffsicheren Kills über lange Distanzen oder auch das sinnvolle Nutzen der Umgebung (z.B. durch das Besteigen eines Scharfschützennestes) zusammen.

    In Sniper Elite V2 schnappte die Schere der Zensur zu und das wohl markanteste Feature fehlte bei uns in Deutschland, die KillCam mit X-Ray Ansicht. Sniper Elite 3 ist ungeschnitten erschienen, es gibt also die volle Ladung explodierender Körperteile. Wahlweise lässt sich die morbide Slowmotion auch permanent deaktivieren oder man drückt sie einfach per Button weg. Bei besonders „ansehnlichen“ Kills aus der Entfernung kommt besagte KillCam gerne zum Einsatz. Die Kamera schwenkt um das fliegende Geschoss und zeigt verlangsamt den Weg zum Ziel. Kurz vor dem Einschlag wird nochmals entschleunigt und der feindliche Korpus zeigt in einer Art Röntgenansicht alle Knochen und Organe. Tja und dann zerbersten diese in tausend Stücke, der Tote sinkt zu Boden. Bei uns hat diese explizite Darstellung dazu geführt, dass wir immer wieder neue Körperteile treffen wollten. Eine Tatsache, die auch von den Entwicklern unterstützt wird und beim Blick in die Trophys bzw. Achievements den Drang zum Humor offenlegt. „Charlies Herausforderung“ etwa hat man absolviert, wenn man einen Hodentreffer aus mindestens 100 Meter Entfernung geschafft hat.

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    Abseits der üppigen Kampagne bietet Sniper Elite 3 Spaß im Multiplayer, sowohl on- wie offline. Gemeinsam daheim auf der Couch gibt es neben Survival Maps noch den interessanten Overwatch Modus: Ein Spieler übernimmt den Sniper, der andere den Spotter bzw. Beobachter. Mit dem Fernglas bewaffnet ist er derjenige, der Ziele für den Schützen markiert und alle Gefahrenquellen aufspürt. Die kompetitiven Modi im Online Multiplayer bieten die übliche Kost, die sich jedoch durch die Grundveranlagung des Spiels teils deutlich von anderen Shootern unterscheiden.Deathmatch und Team Deathmatch kennt jeder, in Sniper Elite 3 bekommen sie aber durch das Design der Karten und eben das betont gewollte lautlose Vorgehen eine ganz eigene Qualität. Spaßig finden wir den Modus „König der Distanz“, bei dem sich zwei Teams bekämpfen und aus möglichst großer Entfernung snipern. Am Ende der Runde werden die durch Kugeln zurückgelegten Meter addiert. Zum Zeitpunkt des Tests war erschreckend wenig auf den Servern los, oft starteten die Runden nur mit der Hälfte der möglichen Spielern, schade. Ob sich das Spiel schleppend verkauft oder ob der speziell für Xbox One 10GB große Day-One Patch dafür verantwortlich ist, wissen wir nicht. An der Technik kann es nicht liegen, denn die läuft einwandfrei. Keine Lags, schnelle Ladezeiten, alles kein Thema.

    Nur diese eine Sache bei der Grafik hat uns gestört. Grundsätzlich sieht Sniper Elite 3 auf der Xbox One wirklich schick aus. Kein Meisterwerk an Next-Gen, aber man merkt den deutlichen Qualitätsanstieg. Die weitläufige Flora und Fauna wirkt authentisch und man fühlt sich mittenrein in die Wüste versetzt. Besagter Störfaktor ist ein auffallend hohes Maß an Kantenflimmern, der im Multiplayer auftritt. Besonders beim Blick durchs Fernglas wird so das Aufspüren von Feinden eine echte Qual, weil das Flimmern ein permanenter Begleiter ist und man so kaum filigrane Bewegungen ausfindig machen kann. Dazu gesellen sich gelegentlich ein paar dezente Clippingfehler, etwa dann, wenn ein toter Soldat zu Boden geht und plötzlich bis zu den Knien in einem Felsen versinkt. Beim Sound gibt es wenig Grund zum Meckern. Die Synchronsprecher machen ihren Arbeit zuverlässig, einzig der gute Karl Fairbrune wirkt gerne mal unterkühlt oder gar cool. Die dynamische Musik im Hintergrund bleibt meist seicht seuselnd, nur um dann im nächsten Moment bei einem Feuergefecht ein ordentliches Crescendo zu entfalten. So macht das Spaß.

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    Fazit

    ChristophSniper Elite wird auch mit dem dritten Teil kein Spiel der Masse werden. Aber das muss es auch nicht und vielleicht ist das sogar gut so, denn im Mainstream angekommen versickern diese vermeintlichen Perlen gerne wieder in Belanglosigkeit. Das wäre im Falle von Sniper Elite wirklich schade, denn, obwohl es sich um einen Shooter handelt und es davon schier unendlich viele gibt, betritt das Spiel seinen ganz eigenen Weg und zeigt mit dem vorliegenden dritten Teil die konsequente und verbesserte Fortführung von Sniper Elite V2. Der größte Pluspunkt ist das Leveldesign, das schlichtweg keinerlei Vorgaben hat und man als Spieler die 100%ige Freiheit des Scharfschützen genießt. Die KI hat sich ebenfalls weiterentwickelt und macht über weite Strecken Freude, aber dann kommen immer wieder diese Aussetzer dazu, die unnötig sind. Ein völlig neues Erlebnis von einem Deathmatch erlebt man mit Sniper Elite 3, ich kenne zumindest kein Spiel, wo es so derart ruhig in diesem Modus zugeht. Und über das muss man sich im Vorfeld beim Kauf bewusst sein: Sniper Elite 3 ist kein Call of Duty oder Battlefield. Es ist wesentlich entschleunigter, ohne wirklich langsamer zu sein. Stattdessen stehen Planung, Taktieren und ein ruhiges Händchen im richtigen Moment auf der Agenda. Als Fan des Vorgängers kann ich eigentlich nur beide Daumen nach oben strecken und sagen: Gut gemacht, gerne mehr davon!

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    Christoph
    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur