Manchmal gibt es Spiele, die weit über ihre Spielzeit hinaus Bedeutung erlangen. Sie werden zu Klassikern, Kultspielen, Legenden. Sie wecken Emotionen und Leidenschaft noch viele Jahre nach ihrem Erscheinen. Ein solches Spiel ist Wasteland, entwickelt und released von Brian Fargos Interplay im Jahre 1988. Wasteland enthielt bereits damals non-lineares Spieldesign, multiple Wege um Hindernisse und Puzzles zu lösen und eine persistente Welt. Von Spielern und Kritikern gleichermaßen gefeiert, wurde Wasteland zum Ursprung der Fallout-Serie, da aus lizenzrechtlichen Gründen ein direktes Folgespiel nicht von Brian Fargo/Interplay entwickelt werden konnte. Brian Fargo, der 2002 inXile Entertainment mit seinem Interplay-Kollegen gründete, hat jedoch nie die Idee aufgegeben, ein Wasteland 2 zu entwickeln. 25 Jahre nach dem Release des Originals konnte sein Traum schliesslich Realität werden, nicht zuletzt dank großzügiger Unterstützung und Finanzierung durch Fans. Doch wird Wasteland 2 seinem Erbe gerecht?
Der erste Eindruck: solide Retro-Romantik
Sobald man Wasteland 2 startet, wird der Flair von „old-school“ allgegenwärtig. Die Charakter- oder besser Gruppenerstellung, denn wir beginnen die Reise direkt mit einer Gruppe von vier Charakteren – ist text- und zahlenlastig. Auf sieben Attribute und 29 Skills müssen wir unsere Anfangspunkte verteilen, dabei haben wir die Wahl zwischen klassischen Fähigkeiten wie Handfeuerwaffen oder Schlösser knacken oder auch exotischeren wie Toaster reparieren. Auch die visuelle Anpassung mutet an wie eine Reise in die Vergangenheit, und macht es einem nicht leicht, einen Charakter zu bauen der nicht direkt abgrundtief hässlich anmutet. Hat man die Charaktererstellung überwunden, findet man sich als ein Squad von Rekruten bei einem Begräbnis eines Veteranen wieder. Seinen Tod aufzuklären und seine Mission fortzuführen wird nun unser erster Auftrag, der uns den Weg in die Reihen der legendären Ranger ebnen soll. Die Spielansicht teilt sich in zwei Modi: in den einzelnen Begegnungen und Arealen der Spielwelt haben wir eine Art taktischer Kamera, die von schräg oben und frei drehbar auf unsere Gruppe blickt. In diesen Bereichen können wir die Gruppenmitglieder einzeln steuern oder die Gruppe als Ganzes bewegen, und können auch mit den Fähigkeiten und Inventar unserer Truppe interagieren. Zwischen diesen Bereichen bewegen wir uns in einem Kartenmodus, dabei wird die genaue Position unserer Truppe als ein Pin dargestellt. Bei diesen längeren Reisen verbrauchen wir Wasser, die als Ressource dient, und die es an Oasen aufzufüllen gilt. Darüber hinaus sind Teile der Karte radioaktiv verseucht, und ungeschütztes Reisen durch diese schädigt unsere Abenteurer über Zeit. Die Steuerung ist eingängig und das Spiel verzichtet auf ein Tutorial, erklärt jedoch die Mechaniken in kleinen, unaufdringlichen Tipps im laufenden Betrieb.
Entscheidungen, Entscheidungen – Freiheit oder Fluch?
Schon nach kurzer Spielzeit wird klar: Wasteland 2 fordert Euch Entscheidungen ab, mit denen ihr den Rest des Spiels leben müsst. Das Spiel zwingt Euch, sich beim leveln zu entscheiden welche Fähigkeiten ihr hochstufen wollt, denn ihr werdet nicht genug Punkte haben um alles abzudecken. Ihr könnt zwar dadurch, dass Ihr vier Charaktere führt und nicht nur einen, eine einigermaßen ausbalancierte Gruppe erstellen, es werden jedoch immer bestimmte Fähigkeiten fehlen – und damit bleiben Euch bestimmte Wege oder Räume verschlossen. Jede der vielen Fähigkeiten eröffnet Euch bestimmte Möglichkeiten: Türen aufbrechen, um an zusätzliche Ausrüstung zu kommen, Fallen entschärfen, Computer hacken um elektronische Schlösser zu öffnen oder Informationen zu erhalten, zusätzliche Dialogoptionen um Gesprächspartnern wertvolle Informationen und Hinweise zu entlocken oder Kampf abzuwenden. Viel schwerwiegender noch sind die moralischen Entscheidungen, vor die Euch das Spiel stellt. Bereits in der ersten Mission fordern zwei Siedlungen gleichzeitig Eure Hilfe an. Ihr habt jedoch nur Zeit, um einem der beiden Hilferufe zu folgen. Egal wie ihr Euch entscheidet, die Auswirkungen werden für Euch noch Stunden später spürbar sein. Immer wieder werdet ihr in Wasteland 2 feststellen, dass eine vielleicht vor Stunden getroffene Auswahl euch plötzlich einholt. Manche davon sind bedeutsamer als andere: manchmal fehlen bestimmte Dialogoptionen, manchmal ist eine komplette Stadt mit Händlern und Missionsgebern leer und verwüstet. Auf jeden Fall beeinflussen Eure Entscheidungen den Spielverlauf dauerhaft, und oft stellt sich erst nach Stunden heraus, und ob eine augenscheinlich gute Tat nicht vielleicht geradezu katastrophale Auswirkungen hatte.
Kritischer Treffer!
Der rundenbasierte Kampf in Wasteland 2 folgt weitgehend den klassischen Vorbildern des CRPG Genres. Attribute, Fähigkeiten und Modifikatoren beeinflussen die prozentuale Chance, dass eine bestimmte Aktion gelingt, mißlingt, oder ein kritischer Effekt (positiv oder negativ) eintritt. Initiative legt fest, in welcher Reihenfolge die Charaktere und Gegner dran sind. Jeder Charakter hat eine bestimmte Anzahl Aktionspunkte, die er für verschiedene Aktionen pro Runde verbrauchen kann, ein Anteil der nicht verbrauchten Punkte kann in die nächste Runde übernommen werden. Das ist zwar nicht besonders originell oder spannend, jedoch genau das, was Fans des Genres erwarten.
Alt oder auf alt gemacht?
Wasteland 2 ist durch und durch ein Spiel der alten Schule. Doch stellenweise sieht es auch alt aus. Die Charaktermodelle und deren Texturen sehen grobschlächtig und – seien wir ehrlich – ziemlich hässlich aus. Manchmal fühlte ich mich an inXiles eigenes Bards Tale erinnert welches immerhin schon neun Jahre auf dem Buckel hat. Die Welt selbst ist zwar liebevoll und detailiert gestaltet, doch in 2014 wäre da einiges mehr drin. Der Sound hingegen ist hervorragend umgesetzt. Die Umgebungsgeräusche unterstreichen die Szenerie perfekt, immer wieder hören wir Funksprüche die uns das Gefühl vermitteln, in einer düsteren aber belebten Welt zu sein.
Fazit
Wasteland 2 vermittelt erfolgreich das Feeling klassicher Rollenspiele, und vermag sowohl alte Fans als auch Genreneulinge zu begeistern. Solide, ausgefeilte Spielmechaniken und eine detailierte und lebendig gestaltete Spielwelt mit hunderten von NPCs sorgen für Freude am Spiel, und die Vielfalt an möglichen Spielwegen und Lösungen sorgt für langangaltende Spielbarkeit. Die Grafik wirkt zwar stellenweise etwas veraltet, dies tritt jedoch schnell in den Hintergrund, denn die liebevoll gestalteten Spielareale und stimmigen Umgebungsgeräusche sorgen für hervorragende Atmosphäre. Wasteland 2 ist nicht nur der Nachfolger eines Klassikers – es selbst hat all das Zeug, zu einem Kultspiel zu werden.
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