Spätestens 2004 lehrte uns Zack Snyder mit Dawn of the Dead, dass mit einer Zombie-Apokalypse nicht zu spaßen ist. Ein Aufeinandertreffen mit unseren blutigen Verwandten ist über die Maße ungesund – von einem Biss ganz zu schweigen. Warum wir uns in State of Decay von Undead Labs dennoch primär um menschliche Anliegen kümmern müssen und so mehr und mehr wie eine Kindernanny fühlen, obwohl eine anhaltende Zombie-Plage eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellen sollte, lest ihr in den nachfolgenden Zeilen.
Alles fing friedlich mit einem Urlaub abseits der Zivilisation an. Abgeschnitten von Internet und sonstigen Nachrichtenwegen ging völlig an uns vorbei, dass während unserer Auszeit die Epidemie ausbrach und alle zu wandelnden Toten machte. Nur ein Schuss in den Kopf löse das Problem – ein Problem, was sich ganz bald unser annahm. Mit State of Decay möchte der Entwickler auf den Hype-Train um Zombies und Co aufspringen und lieferte damals auf der Xbox 360 eine angenehme Mischung verschiedener Genres. Heute, rundumerneuert und im wahrsten Sinne des Wortes verschönert auf der Xbox One, haben wir als Überlebender die Aufgabe – wer hätte es gedacht – zu überleben. Schnell stellt sich heraus, dass wir nicht die einzigen sind, deren Hintern gerettet werden müssen. Bei wem nun der Beschützer-Instinkt geweckt wurde, darf sich tapfer auf die Schulter klopfen: Auf ihn wartet viel Arbeit.
Mein Haus, mein Auto, meine Knarre… und andere Überlebende
Wer glaubt, in State of Decay besteht die Hauptaufgabe nur darin, in Zombie-Ärsche zu treten, hat sich mächtig getäuscht. Nach einer Weile treffen wir auf Überlebende, die sich in entsprechender Hierarchie in einer Kapelle nördlich des Hauptschauplatzes verschanzt haben. Wo zu Beginn Misstrauen dem Spieler gegenüber herrscht, tragen wir recht schnell die Hauptaufgaben zur Versorgung der Sippe auf unseren Schultern. Von allen Grundversorgungs-Wegen abgeschnitten liegt es von nun an uns, für Nahrungsmittel und all den anderen Krempel zu sorgen, den man zum erfolgreichen Überleben in solche einer Situation benötigt.
Ihr schert euch um Lebende und wandelnde Tote gleichermaßen? Sims sind auch toll?
So ziehen wir also mit den im Lager ausgerüsteten Utensilien los, um beispielsweise Tagesziele zu erreichen. Meist befinden sich nebst Bandagen und den verschiedensten Medikamenten, welche in unserer Kindheit meist auf dem obersten Regal standen, eine Handfeuer- und eine Nahkampfwaffe. Wenn wir wiederkehren kommt es oft vor, dass sich einige Schießprügel mehr im Beutel befinden – ausrüsten lassen sich von beiden Gattungen jedoch immer nur jeweils eine. Während wir uns also auf den Weg machen um beispielsweise für den Chefkoch unserer 5-Mann-Siedlung Steaks für ein erheiterndes Festessen zu organisieren, fällt uns flott auf wie limitiert die Munition ist und schnell mutiert unser vermeintliche Held zu Bruce Lee‘s verschollenem Zwillings-Bruder. Sollte das nicht reichen, um uns eine Horde stinkender Untoter im Vorgarten eines von uns zu plündernden Hauses zu entledigen, sollten einige Roadkills mit den in der Spielwelt verstreuten Fahrzeugen Abhilfe schaffen.
State of Decay spricht in vielen, facettenreichen Aspekten die Sprache der Gnadenlosigkeit einer Zombie-Apokalypse. Das Beispiel mit der Munition ist das geringere Übel, vielmehr ärgern wir uns bei Versagen über den permanenten Tod des Charakters und somit den Verlust seiner mühsam geschliffenen Nahkampf-, Ausdauer-, Schusswaffen-Fähigkeiten und mehr. Die Gegenstände lassen sich natürlich beschaffen – diese ehrenvolle Aufgabe übernimmt der Nachfolger unseres gescheiterten Avatars, welcher nach einer deprimierenden Begrüßungsrede im entsprechenden Überlebenden-Lager losgeschickt wird um die brauchbaren Reste aufzuklauben und sich dem Kreislauf der immer größer werdenden Belanglosigkeit anschließen.
DayZ lässt… ließ grüßen!
Moment? Zombies, menschliche Bedürfnisse und jede Menge zu tun – weshalb schreibt der schnieke Autor plötzlich über Belanglosigkeit? So sehr es mich auch schmerzt, ich muss in diesem Langzeit-Test auch auf die Defizite dieses tollen Ansatzes eines Meisterwerks reden. Die Grafik ist im Jahre 2015 zwar noch immer nicht zeitgemäß, doch 1080p und schärfere Texturen retten das verblichene Bild, welches das Spiel damals noch auf der Xbox 360 abgab. Hinzu kommen Glitches der ganz bösen Sorte – jene, welche man in Mods wie DayZ oder Indie-Titel noch vergeben kann. Sei es der Kritik nicht genug, schludert das Spiel mit dem eingangs erwarteten Langzeit-Spaß, als sei es eine unnütze Gliedmaße ohne der man auch so ins Ziel humpeln und schlurfen könnte. Das Auftauchen neuer Gruppierungen, welche ebenfalls ums Überleben kämpfen oder gar das Einmischen des Militärs runden das Bild nicht besonders ab – sie erweitern es lediglich um schon zu oft gesehene Spielelemente. Warum zum Henker sollte das Militär vereinzelt ohne explizites Ziel Artillerie auf eine Gruppe Zombies am Rande der Stadt abfeuern? Wieso kann ich mich nicht gegen die Soldaten stellen, die vorerst eine Ausgangssperre über das Örtchen verhängen? Weshalb wird mein Auto 20 Meter durch die Luft geschleudert, wenn ich in einen etwas muskulöseren Zombie rase? Immerhin gibt es stets etwas zu tun und die Atmosphäre passt wunderbar – der stimmig komponierten Hintergrundmusik sei Dank.
Facettenreichtum überlebt jede Apokalypse
Was jedoch unterstrichen werden muss, ist die Liebe im Detail. Da spratzt der Oberkörper bei einem Treffer mit der Schrotflinte auseinander, ein anderer Zombie humpelt mit einem Bein weiter auf einen zu und die in der Spielwelt verteilten Alltags-Gegenstände stellen sich überraschend oft als improvisierte Retter in höchster Not heraus. Nur noch ein Schuss in der Kammer unserer Pistole und in einem Kleingarten rennen knappe zwei Dutzend Z’s auf uns zu? Ein gezielter Schuss auf die Gasflasche des Grills der ehemaligen Besitzer verwandelt den Schweiß auf unserer Stirn in ein breites Grinsen. Auch die vielen verschiedenen Gegnertypen, welche mit fortlaufender Spielzeit zunehmen und die realitätsnah gestaltete, recht große Spielwelt zeigen, wieviel Herz tatsächlich im Spiel steckt.
Fazit
Abschließend kann ich State of Decay jedem Zombie-Freund ans Herz legen. Eine hohe Toleranzgrenze für Logikfehler sollte man trotz allem mitbringen. In den ersten Dutzend Stunden ist das Survival-Actionspiel ein Festschmaus für Openworld-Freunde oder einfach Spieler, die sich gerne Austoben und dabei neben Kopfschüssen und Tritten auch Rohstoffe an NPCs verteilen. Im späteren Verlauf wirkt vieles schnell abgenutzt, doch Erfolge und der Drang die Spielwelt immer weiter von Untoten zu säubern und einen Neuanfang anzupeilen lassen weiterspielen. Bravo Undead Labs! Ein zukünftiger Koop-Modus könnte so einiges retten. Immerhin runden beide Erweiterungen das Bild angenehm ab und mit mehr als anderthalb Tausend Gamerscore gibt es neben Z’s wirklich viel zu erledigen. Und ein Online-Ableger soll scheinbar bereits in der Mache sein.
Vielen Dank an Undead Labs für das Testmuster!