Rise of the Ronin – Test

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    Denken wir ans Japan im 19. Jahrhundert, dann fallen uns zu allererst die ikonischen Kämpfer mit ihren scharfen Klingen ein. Rise of the Ronin entführt uns in eben jene Zeitachse. Wir haben uns das Samurai-Spektakel auf Playstation 5 angeschaut, unsere Eindrücke lest ihr hier im Test zu Rise of the Ronin!

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    Leichterer Zugang durch weniger Souls

    Wenn man sich Rise of the Ronin im Detail anschauen möchte, dann kommt man nicht drum herum, kurz auf das Entwickler-Team einzugehen. Das namhafte Studio Team Ninja ist für Rise of the Ronin verantwortlich und vermutlich klingeln hier schon bei der ein oder dem anderen die Glocken. Das seit den 90er Jahren etablierte Studio lieferte u.A. nicht nur langlebige Reihen wie Nioh oder Ninja Gaiden ab, sondern auch das noch recht junge Wo Long: Fallen Dynasty.

    Schwertkampf ist Team Ninja also alles andere als fremd. Und trotzdem ist Rise of the Ronin im Grunde eine Art Gehversuch für sie, denn man versucht sich an neuem Genre-Terrain. Standen bislang vornehmlich Soulslike-Games in atemberaubenden Settings auf der Agenda, soll RotR deutlich zugänglicher für alle sein. Offene Spielwelt, eine Umgebung angepasst an die damalige Zeit und keinerlei Fantasiewesen stellen die Zutaten für ihr neustes Werk.

    rise of the ronin

     

    Getrennte Zwillinge

    Angesiedelt ist Rise of the Ronin wie bereits erwähnt im Japan mitten im 19 Jahrhundert. Hier brodelt es politisch ganz gewaltig. Im Inneren herrscht das Shogunat rigoros und ohne Gnade, während westliche Einflüsse dem Land von Außen zusetzen. Die Folge daraus ist eine Zerrissenheit, die man förmlich spüren kann. Wir schlüpfen in die Rolle eines Samurai oder wahlweise in die der Zwillingsschwester als Onni-Musha und dienen einem Clan, der sich gegen diese Tyrannei auflehnt.

    Im anfänglichen Charaktereditor erstellen wir wahlweise eine männliche oder weibliche Figur und starten dann unverzüglich in die Geschichte. Da Rise of the Ronin insgesamt sehr Story-fokussiert, werden wir an dieser Stelle nicht mehr Worte über die Geschichte verlieren. Nur so viel: Bei einem Gefecht kann nur einer der beiden Zwillinge fliehen und ihr habt die Qual der Wahl, wer es sein soll. Ein Geschwisterteil bleibt zurück und der rote Faden des Spiels wird es von nun an sein, herauszufinden, was mit der anderen Hälfte geschehen ist.

    Dabei macht es durchaus einen Unterschied, welchen der beiden Zwillinge ihr spielen werdet. Rise of the Ronin stellt euch fortlaufend zahlreiche Handlungsoptionen vor. Je nach Figur bekommt ihr entsprechend komplett andere Möglichkeiten an die Hand.

     

    Gut und Böse sind Grautöne

    Im Kern geht es hier also um eine Geschichte innerer und äußerer Einflüsse. Japan hat mit sich selbst zu tun, die Obrigkeit tritt nach unten und der Westen versucht seinerseits, die Geschicke von Außen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Es ist eine Geschichte des Misstrauens, des Vertrauens und der Rache – einer äußerst blutigen Rache sogar. Schminkt euch am besten gleich zu Beginn ab, dass ihr es hier mit eindeutig Guten und Bösen Jungs zu tun habt.

    Ein großer Pluspunkt des Storywritings ist es, dass ihr wieder und wieder vor den Kopf gestoßen werdet. Figuren, denen ihr eben noch geholfen habt, stehen euch wenig später als Feind gegenüber. Dieses clevere System bringt es selbstredend mit sich, dass ihr euch durch Entscheidungen von Handlungssträngen ausschließt. Ein Fakt, der den Wiederspielwert nicht unerheblich steigert. Aber – und das ist der Minuspunkt – durch eben diese vielschichtige Verästelung der Figuren, ihrer Clans und deren Standpunkte verliert sich Rise of the Ronin auch gerne mal im Klein Klein. Auch das gehört zur Wahrheit: Es gab zahlreiche Momente, bei denen wir uns an eine Person nicht mehr erinnert haben. Insbesondere nach Spielpausen kann die Verwirrung rund um den status quo wirklich groß sein.

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    Präzise Kämpfe

    Vorab waren wir uns unsicher, in welches Genre wir Rise of the Ronin denn nun packen sollen. Gar nicht so leicht, haben wir es doch hier mit einem Zutatenmix aus den unterschiedlichsten Bereich zu tun. Man muss es ja ohnehin nicht zwingend in eine Schublade stecken, aber wenn man es unbedingt machen möchte, dann wäre es ein Assassin’s Creed mit einem Souls-Kampfsystem.

    Das heißt im Klartext, dass ihr die Angriffsmuster eurer Gegner beobachten solltet. Timing ist das Gebot der Stunde, auf dass ihr einen gegnerischen Angriff perfekt kontert. Habt ihr seine Ausdauer reduziert, setzt ihr selbst zum tödlichen Hieb an. Die Kämpfe sind also taktischer Art, pures Button-Smashing wird ab der ersten Sekunde todbringend bestraft. Die Facetten bekommt ihr anfangs natürlich erklärt und ihr seid dann bestens gewappnet für das punktgenaue Parieren und dem folgenden Zeitfenster für kritische Treffer. Wenn die Tasten sitzen, dann sind die Kämpfe sehr direkt und äußerst befriedigend.

    Problematisch wird es nur dann, wenn ihr euch gleich mehreren Gegnern in den Weg stellt. Das Kampfsystem ist auf Einzelgegner ausgelegt, nicht aber auf Gruppen. Sobald euch die Klingen aus allen Richtungen entgegen sausen, wird es überaus schwierig, alle Angriffe erfolgreich zu parieren.

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    Die KI ist nicht Next-Gen…

    Zum Glück gibt das Spiel genau das auch her, womit wir den Schwenk rüber zum Assassin’s Creed Vergleich machen. Ihr habt zahllose Varianten, wie ihr einen Gegner ins Nirvana schicken könnt. Das könnt ihr genau so im Hinterkopf behalten: Die Frage ist nicht ob, sondern wie ihr es erledigt. Dazu erkundet ihr idealerweise die Umgebung aus und nutzt selbige dann zu eurem Vorteil. In dichten Gräsern versteckt ihr euch, nutzt Greifhaken zum Erklimmen von Gebäuden oder klettert an ihnen herauf. Dazu kommen Laufrouten von Feinden und zahlreiche Waffen und Gadgets, auf die ihr zurückgreifen könnt. Die oben erwähnten Gegnergruppen fallen euch nur zur Last, wenn ihr nicht sorgsam vorab einzelne Feinde aussortiert habt.

    Das machen euch die Feinde auch je nach Situation durchaus leicht, zumindest abseits der 1 vs. 1 Kämpfe. Wenn ihr beispielsweise versehentlich einen Trupp aufschreckt, dann hilft es, sich eine Deckung zu suchen und abzuwarten. Nach kurzer Zeit gehen wieder alle ihres Weges, als wäre nie etwas gewesen. Im feudalen Japan wird scheinbar keine Alarmglocke geläutet oder Bewegungsroutinen durchbrochen, zumindest nicht in Rise of the Ronin. Und apropos Laufen: Selbst simples Wegrennen kann euch schon helfen, da Feinde nur zu gerne an Objekten hängen bleiben und dann sinnfrei eine Wand anstarren. Sind sie dabei zu weit von ihrem Wachpunkt entfernt, verpuffen sie und spawnen dann an eben jenem Ausgangspunkt wieder neu. Selbst das kann man zu seinem Vorteil nutzen, wenn man diesen Punkt kennt. Man lockt sie weg und schleicht sich dann an ihren Spawn, um dann darauf zu warten, dass sie dort neu erscheinen. Meucheln war nie leichter und auf diese Art kann man sich selbst hochklassiger Gegner sehr leicht entledigen.

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    … und die Grafik ist es auch nicht

    Bevor wir zur Grafik kommen, sei nochmals kurz erwähnt, dass Rise of the Ronin exklusiv für Playstation 5 entwickelt wurde. Das ist insofern erstaunlich, als dass die Grafik wirklich alles andere ist als hübsch ist. Oder werteneutraler formuliert: Es sieht überhaupt nicht nach einem PS5-Titel aus.

    Das Design ist großartig, das können wir an dieser Stelle einfach ausklammern. Die Spielwelt wirkt lebendig und absolut glaubhaft für ein Japan im 19. Jahrhundert. Die Objektdichte passt ebenfalls und die kompakte Größe ist ebenfalls perfekt.

    Immerhin bietet euch das Spiel einen Qualitätsmodus mit Ray-Tracing an – aber selbst hier sieht alles recht bieder aus. Wechselt ihr in den Performance-Modus, fühlt ihr euch eine Konsolengeneration zurück versetzt. Man ist hier wirklich eher am PS4-Niveau angekommen als an dem der Playstation 5. Das Spiel läuft dann zwar spürbar flüssiger, so ganz frei von Rucklern ist es allerdings nicht. Die Qualität insgesamt hinkt deutlich hinter dem zurück, was man eigentlich im Jahr 2024 erwarten dürfte. Grobkörnige Texturen all überall und insbesondere die undetaillierten NPCs sind teils gruselig anzusehen.

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    Spielwelt

    Schaut also bitte nicht zu genau hin, Rise of the Ronin gewinnt ziemlich sicher keinen Schönheitspreis in diesem Jahr. Habt ihr den Prolog beendet, öffnet sich die fast komplette Spielwelt für euch. Nicht zu groß, nicht zu klein und überall mit Leben befüllt – Freund und Feind. Und Katzen! Wo andere Spiele uns generische Sammelquest aufdrücken, schickt uns Rise of the Ronin zum Katzenkraulen. Es sind diese Kleinigkeiten, die für ein stimmungsvolles Gesamtbild sorgen. Außerdem bringt jede noch so kleine Nebenaufgabe auch immer etwas Kontext mit sich. Man hat hier nie den Eindruck, dass man etwas erledigt, nur um einen Marker von der Karte verschwinden zu lassen.

    Die übersichtliche Map ist übrigens längst nicht so überfrachtet, wie man es bei ähnlichen Genrevertretern kennt. Hier wurde also weniger mit der Gießkanne gearbeitet, sondern mit jeder Markierung versucht, diese sinnvoll in die Geschichte oder aktueller Ereignisse einzupflegen. Dort sucht ihr einen entschwundenen Verräter, drüben helft ihr fliehenden Zivilisten und so weiter. Schreine füllen den XP-Stand und gelegentliche Zufallsbegegnungen fordern euer Kampfgeschick ein ums andere mal heraus.

    Damit ihr die dünnen Schuhsohlen nicht zu schnell abnutzt, müsst ihr längst nicht jeden Weg per pedes zurücklegen. Pferde und Gleiter transportieren euch über weite Strecken, während der Greifhaken in kurzer Distanz oder für das Erklimmen von Höhen zum Einsatz kommt. Die obligatorischen Schnellreisepunkte komplettieren das Bild.

    Das Reisen, egal auf welche Art, läuft sehr zügig ab, hier bekommt Rise of the Ronin mitunter sogar richtig Tempo. Das kann man auf zwei Arten interpretieren: Entweder nennt man es unrealistisch oder zeitsparend. Wenn ihr beispielsweise euren Gaul ruft, dann sitzt ihr direkt auf ihm und müsst nicht zu ihm gehen und aufsteigen. Dem Vierbeiner dürft ihr dann sogar auf der Karte einen Zielpunkt markieren, woraufhin er sich selbstständig auf den Weg macht. Sprinten könnt ihr ebenfalls ganz ungehemmt, euch geht nie die Puste aus. Das sind Kleinigkeiten, die spielerisch gesehen immer wieder etwas Zeit einsparen und so den Spielfluss kontinuierlich hoch halten.

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    Skillung und Loot

    Sowohl ein Fähigkeitenbaum, als auch Equipment dürfen in keinem guten Action-RPG fehlen. Rise of the Ronin bietet uns mehrere Skilltrees an, mit deren Hilfe wir unsere Figur entsprechend dem bevorzugten Spielstil leveln dürfen. Kritische Treffer werden wirksamer, die Heilung verbessert usw. Alternativ können wir auch Punkte in Charme oder Intelligenz investieren, wodurch sich dann wiederum neue Dialogoptionen oder Waffenhaltungen auftun. Sich auf ein paar Waffengattungen zu spezialisieren, ist nicht die dümmste Idee.

    Denn ihr habt wirklich zahlreiche Waffengattungen zur Wahl. Von denen dürft ihr immer zwei mit euch führen, eine dritte dient dem Fernkampf, also beispielsweise Bogen oder Muskete. Die Nahkampfwaffen von Schwert über Katana bis hin zu Stangenwaffen spielen sich alle recht ähnlich, besitzen aber individuelle Timings und Affinitäten. Je nach Gegnertyp spielt euch also die ein oder andere Klinge besser in die Hände.

    Waffen und Rüstungen findet ihr über die gesamte Spieldauer hinweg im Überfluss. Das ist durchaus wörtlich gemeint und man fühlt sich fast schon an den Sammelwahn in Diablo erinnert. Glücklicherweise lassen sich alle Gegenstände beim Händler filtern und mit einem Knopfdruck verkaufen. So kristallisiert sich schnell heraus, dass ihr nur hochstufige Waffen und Rüstungsteile überhaupt nutzt bzw. weiterhin im Inventar mit euch führt. Schade ist diese Flut dennoch, denn man neigt dazu, nicht jedes Objekt im Detail anzuschauen, sondern einfach nur schnell wieder den überflüssigen Plunder loszuwerden. So sind uns mit Sicherheit einige nette Boni entgangen, weil wir sie in der Masse an Gedöns nicht entdeckt haben.

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    Fazit

    Rise of the Ronin ist im Endeffekt mehr als die Summe seiner Einzelheiten. Team Ninja hat es geschafft, ihr ausgeklügeltes Kampfsystem aus Souls-Spielen geschickt mit Mechaniken aus Assassin’s Creed zu paaren.

    Freunde intensiver und knackiger Kämpfe kommen hier voll auf ihre Kosten. Dank regulierbarer Schweregrade können aber auch Einsteiger fix ins Spiel finden. Unfair wird es zu keinem Zeitpunkt, dafür aber gelegentlich unübersichtlich, wenn ihr mehreren Gegnern gegenüber steht. Beim Loot wurde schlicht übertrieben, so viel Variation hätte es bei weitem nicht gebraucht. Diablo und Borderlands lassen an dieser Stelle herzlich grüßen. Immerhin kann man sich auch ganz schnell wieder von all dem Überfluss beim Händler trennen.

    Die Spielwelt ist wunderschön gestaltet, in der grafischen Präsentation allerdings aus der Zeit gefallen. Habt ihr den etwas zähen Einstieg gemeistert, dann dürft ihr euch auf ein fesselndes und facettenreiches Open-World-RPG freuen.

    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur