Quantum Break – Test / Review

    Ungelogen lange habe ich auf eine weiße, leere Fläche gestarrt. Lange, bevor ich hier in Worte fassen konnte, was Remedy Entertainment mit Quantum Break abgeliefert hat. Das Ringen um die passenden Worte in meinem Kopf glich einem Schauspiel, wie es nur eine intensive Schießerei aus einem Max Payne sein könnte. Die Dramatik, die Anspannung und das Herzklopfen, in diesem Testbericht dem neuen Titel rund um Jack Joyce auch nur annähernd gerecht zu werden, könnte aus der Feder von Alan Wake persönlich stammen. Doch genug Zeit geschunden; nachfolgend lest ihr selbst, was es mit Quantum Break auf sich hat.

    Sam Lake, der in Wahrheit in seinem Heimatland (Finnland) Sami Järvi heißt, ist bekannt für seine Anekdoten über schießwütige Alkoholiker und von Alpträumen geplagte Autoren. Mit dem neuen, Microsoft-exklusiven Werk, so meint man, will er jedoch ein neues Zeitalter einläuten und Dimensionen definieren. Großes Vorhaben, erstaunliche Umsetzung – wie Quantum Break überraschend gut beweisen kann. „Eine atemberaubende, nie dagewesene Mischung aus Spiel und Serie“, so beschrieb er es mal auf der E3 in Los Angeles. Und siehe da: Die anfängliche Skepsis, aufgeschäumt durch gescheiterte Versuche eines ähnlichen Modells (Defiance ich hör‘ dich noch immer jauchzen!), wurde in den letzten Tagen schnell und ohne Mühe vom Spiel aus der Welt geschafft.

    Um den Testbericht übersichtlicher zu halten, werde ich Ihn nachfolgend (in Anlehnung an Quantum Break selbst) in Akte unterteilen.

    quantum-break-live-action-in-game-show-jack-joyce.0Akt I |Handlung| Quantenphysik & Petyr Baelish

    Jack Joyce (wunderbar von Shawn Ashmore verkörpert) ist ein Durchschnittstyp, also auf ganzer Linie ein Normalo. Als er jedoch eines Morgens um 04:00 Uhr überraschend von seinem besten Freund und ehemaligen Kommilitonen Paul Serene zur Riverport Universität gerufen wird, um einem Experiment beizuwohnen, ändert sich das schlagartig. Nicht nur er – das gesamte Gefüge der Zeit, wie wir sie kennen, beginnt beim Experiment zusammen zu brechen – und wir sind mitten drin.

    Aus einem spontanen Besuch wird die Kehrtwende für Jacks Leben und Bedrohung für unsere Dimension. Sein Freund Paul verschwindet in der vermeintlichen Zeitmaschine, Jack wird von mysteriösen Strahlen durchflutet und Chaos bricht los. Was hier wie ein trickreicher Indie-Film aus einer Top-Ten Liste auf Reddit oder Imgur klingt, entpuppt sich als Interstellar-esquer Trip durch Raum und Zeit. Aber ein Videospiel? Nein; es sei denn Sam Lake führt Regie.

    Ein paramilitärisches Einsatzkommando stürmt den Campus, mit dem offensichtlichen Ziel, sich aller Augenzeugen dieses Experiments und Unfalls zu entledigen. Auf der Flucht mit Will, Jacks ebenfalls an der Universität promovierender Bruder, werden wir mit den Soldaten konfrontiert und nach und nach kommen ungeahnte Fähigkeiten zum Vorschein. Jack kann immer mehr Raum und Zeit manipulieren um sie sich zu Nutze zu machen. Doch dann taucht Paul wie aus dem Nichts auf, befehligt das Killerkommando und bringt Will um die Ecke. Dass er plötzlich ähnliche Kräfte wie Jack zu haben scheint, bleibt in dem Moment nur noch abschließend wie ein Kloß im Hals stecken und wirft Fragen über Fragen auf.

    Was hat es mit dem Konzern Monarch Solutions auf sich, dem das Einsatzkommando untersteht? Und wieso sieht Game of Thrones Kleinfinger alias Petyr Baelish plötzlich so alt aus, kann die Zeit manipulieren und brachte Will um? Überhaupt… wieso ist die Inszenierung so dermaßen filmreif? Wie dem auch sei – Remedy Entertainment schafft es mal wieder, den Spieler an den Controller zu fesseln und mit jedem weiteren Level und Episode (dazu gleich mehr) Fragen aufzuwerfen, welche die Spannung bis zum fulminanten Ende immer weiter zuspitzen. Dabei schafft das Spiel mit erstaunlicher Leichtigkeit den Balanceakt zwischen glaubwürdiger Handlung auf Basis von physikalischen Gesetzen und einer filmreichen Darstellung, wie wir es nur aus dem Kino gewohnt sind.

    3004866-quantum_break_takedownAkt II |Gameplay & Serie| Matrix trifft Interstellar

    Quantum Break ist im Grunde ein Third-Person-Shooter. Wir steuern Jack durch abwechslungsreiche Level und versuchen nicht zu viele Kugeln ab zu bekommen. Klingt leichter, als es tatsächlich ist, denn hierbei gilt es mehr Gefahren zu trotzen als zu Beginn erwartet und eine gewisse Auswahl an physikalischer Rätsel zu meistern. Wobei selbst der Begriff „physikalisch“ vermutlich zu plump für die im Spiel zum Einsatz kommende Kombination aus Zeitmanipulation und -reise ist. Gelegentlich ist Köpfchen gefragt um grandios animierte, zerstörte Brücken, Säulen und Co. für das Weiterkommen wiedererbauen zu können. Prinzipiell lässt sich Jacks Abenteuer in vier Teile auftrennen: Kampf-, Rätsel-, Geschichtspassagen und die Live-Action-Serie. Abschließend gewürzt mit Entscheidungsmöglichkeiten, die große Kreise ziehen.

    Gut animiert huscht Jack automatisch in Deckung, wenn wir uns einer Wand oder Säule nähern. Während uns Kugeln verschiedenster Gegnerarten um die Ohren fliegen, überlegt Jack sich seine weitere Vorgehensweise. Zu Kontrahent A warpen und dabei B eine Kugel in den Kopf jagen? Zum Abschluss der Combo eine dicke Quantenexplosion in einer Gruppe zünden? Keine Frage, wir lassen uns nicht ziemen und setzen die Fähigkeitenkette dank separater Cooldown-Timer kurzerhand um. In den ruhigen Passagen gilt es Audiologs und verstreuten Emails aufmerksam zu studieren, während Gespräche mit Komplizen und sogar die Umgebungen ihr Teil zum Handlungsfluss und einem Aha-Moment nach dem anderen beitragen. Direkt nach dem ersten umfangreichen Kapitel trifft uns der erste (und nicht letzte) dicke Plottwist mitten ins Gesicht und lässt uns auch noch entscheiden, wie die Konsequenzen aussehen? Bravo, Remedy!

    Nach diesen Entscheidungen, von denen wir eine Hand voll im Spiel treffen werden, sind die Auswirkungen sofort zu sehen: In Form der groß angekündigten Live-Action-Serie mit der eingangs erwähnten Star-Besetzung. Shawn Ashmore spielt Protagonisten Jack Joyce wundervoll authentisch und auch Aidan Gillen alias Paul Serene brilliert mit seinen dank Game of Thrones geschärften Bösewicht-Facetten. Jede der etwa 20-40 minütigen Episoden beginnt direkt nach den jeweiligen Spielsequenzen und ist (unüblicherweise – bzw, in dem Fall eher innovativerweise) somit ins Spiel eingebunden. Damit entfällt lästiges hin und her wechseln zwischen Spiel und Serie; außerdem wird uns die Entscheidung abgenommen, wann wir den Controller aus der Hand legen. Nicht wie bei Defiance, wo sich Serie und Spiel langfristig gegenseitig überholt hatten, was für viel Durcheinander und schließlich den Fall der Marke sorgte. Die Besetzung passt gut zu den Rollen, die Geschichte wirkt auch in der Serie nicht aufgesetzt.

    Alles in Allem ist Quantum Break ein gelungener Mix, der den Versprechungen der damaligen E3 ohne Probleme gerecht wird. Die Integrität der Serie im Spiel und die dank MoCap gut eingefangenen Charakter-Impressionen finden sich 1:1 im Spiel wieder. Diese Details, viele verstreute Hinweise und das cineastische Gameplay sorgen für ein rundum mehr als zufriedenstellendes Bild.

    game-of-thrones-fans-will-recognize-petyr-baelish-legally-aidan-gillen-as-the-antagonist-paul-seAkt III |Technik| MoCap sie zu knechten

    Ohne viel Umschweife: Das Spiel ist ein wahrer Augenschmaus. Auch auf der Xbox One trotzt Quantum Break nur so vor Details und Shader, Schattierung und Lichtfall sind perfekt platziert. Wie im Vorfeld schon heiß im Internet diskutiert wurde, läuft das Spiel auf Microsofts Heimkonsole auf einer nativen Auflösung von 720p. Jedoch trickst das Entwicklerteam hierbei mit Shadern und gewisse Mechaniken, damit der Wegfall von FullHD nicht sonderlich auffällt. Und das ist wahrlich gelungen. Der Kompromiss macht sich lediglich in manchen Texturen aus der Ferne bemerkbar, dafür läuft das Meisterwerk butterweich und während unseres gesamten Tests ohne irgendwelche Performance-Einbrüche.

    Alles andere haut den Konsolero in mir schlicht vom Hocker und Quantum Break wirkt an vielen Stellen eher wie ein Grafik-Benchmark mit einer durchdachten Handlung und gut inszeniertem Gameplay. Ganz besonders stechen die detaillierten und präzise animierten Gesichter der einzelnen Charakter heraus. Motion Capture ist wahrlich die beste Entscheidung gewesen: Shawn Ashmore, Aidan Gillen und Dominic Monaghan sind nur die drei größten Namen der Besetzung, welche den Figuren die Gesichter liehen. Um so tiefer ist die Bindung dann später im Verlauf der parallel verlaufenden Live-Action-Serie. Generell kann Quantum Break als derzeitiger Referenztitel auf der Xbox One stehen bleiben. Was grafisch geboten wird, mag auf von der PC-Fassung wohl überboten werden, lässt euch auf der Xbox One trotzdem mit Leichtigkeit hier und da mit einem offenen Mund zurück.

    Auch akustisch schlägt Quantum Break problemlos ein. Der Mix aus perfekt abgestimmtem, cineastischen Soundtrack aus der Feder von Petri Alanko und lizenzierten Rock/Punk-Titeln fügt sich passend ins Setting und die verschiedenen Szenen ein. Beides findet sich auch in der Serie wieder, was das Gesamtbild parallel zum Spiel gut abgleicht und seine Verwurzelung in die spielbaren Level gut unterzeichnet. Waffen und Explosionen kommen wuchtig, die Synchronisierung authentisch rüber. Gute Arbeit.

    fu05gyHAkt IV |Fazit| Kinnladen werden fallen

    Mit Quantum Break schafft es Remedy, nach Alan Wake und Max Payne (1,2 – nicht 3), ein neues Meisterwek zu liefern. Die Symbiose aus Spiel und Serie gelingt erstaunlich gut und verstärkt die Bindung zwischen Spieler und Protagonisten nur noch mehr. Wir wollen wissen wie es weiter geht, was es mit Monarch auf sich hat und warum Paul… ihr seht selbst. Die gut gewählten Schauspieler tragen viel dazu bei, die Spannung aufrecht zu halten und auf technischer Seite gibt es nichts zu bemängeln. Im Gegenteil – so auf Hochglanz poliert und filmreif wie Quantum Break waren wenige Titel in den letzten Jahren. Die Action und das Gameplay mit Jacks außergewöhnlichen Fähigkeiten machen unheimlich Spaß und bieten viele Möglichkeiten, den jeweiligen Herausforderungen zu trotzen.

    Abschließend lässt sich eines ganz besonders unterstreichen: Dieses Gefühl, das sich einstellt wenn man gerade das Finale seiner Lieblingsserie gesehen hat; im Wissen dass dies (vorerst) das Ende war – Remedys neue Epik Quantum Break hinterlässt es. Ich will wissen wie es weiter geht. Ich will immer mehr Entscheidungen treffen, ihre Auswirkungen aus Perspektive der Antagonisten(!) in der Live-Action-Serie beobachten und gelegentlich über subtil gestreute Hinweise auf Alan Wake stolpern. Durch die Zeit zu „wooshen“ und das Aneinanderreihen von Fähigkeiten ist ohnehin ganz großes Kino.

    Im Netz wurde vor kurzem von jemandem behauptet, Quantum Break sei Microsofts The Last of Us. Ein Titel, der in die Geschichte eingehen könnte. Das kann ich nur mit viel Applaus bejahen.QB


    Quantum Break wurde von uns auf Microsofts Xbox One getestet. Vielen Dank an Microsoft und Edelmann für die frühe Bereitstellung des Testmusters.

    Dominik Waltz
    Egal ob Games, Hard- oder Software ich bin einfach für alles Technische zu begeistern. In der Game2Gether Redaktion habe ich einen Weg gefunden diese Leidenschaft mit der Welt zu teilen. Als eingefleischter PC-Gamer bin ich für alles zu begeistern was sich auch nur im Geringsten mit einem Computer befasst. Des Weiteren habe ich ein starkes Interesse gefunden was Handys und Gadgets rund ums Smartphone betrifft. Mein neustes Hobby habe ich in der Konsole entdeckt und befasse mich nun mit der PS4.