Life Is Strange ist das neue Episodenspiel des französischen Entwicklerteams Dontnod, das bereits mit Remember Me einen spielerisch interessanten, aber leider erfolgsarmen Mysterytitel vor einigen Monaten präsentierte. Wir haben uns die erste Episode von Life Is Strange angeschaut und erlebten dabei einen überraschend spannenden Tag im Leben der Hauptprotagonistin Max.
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Life Is Strange Launch Trailer
Max ist eigentlich nur ihr Spitzname, im Vollen heißt unsere junge Dame Maxine Caulfield und ist allem Anschein nach ein ganz normaler Teenager. Das zumindest denkt man, wenn man im Vorfeld einige Stillszenen in Form von Screenshots zu Life Is Strange angesehen hat. Dass dies allerdings in keinster Weise den tatsächlichen Fakten entspricht, wird uns bereits beim unmittelbaren Spielstart klar. Life Is Strange wirft uns völlig unbedarft mitten rein ins Geschehen – kein Intro, keine Erklärungen und kein wieso, weshalb, warum. Da ist einfach nur Max, sie irrt an einer Küstenlandschaft umher mit einem Leuchtturm als Ziel. Dann aber zieht ein gewaltiger Sturm auf. Ein furchteinflößendes Unwetter, das meterhohe Wellen gegen die Klippen trommelt und dem kein Gebäude Stand halten könnte. Inmitten dieser auswegslosen Szenerie kappt das Bild erneut und Max wacht im Unterricht in ihrer Schule auf. War das alles nur ein böser Traum?
Im Falle von Max darf man allerdings nicht nur von einem gespenstigen Traum ausgehen, sondern viel eher von einer düsteren Zukunftsvision. Tatsächlich erlebt das zierliche Mädchen immer wieder aufs neue Ereignisse in ihren Visionen, die in naher oder weit entfernter Zukunft geschehen werden. Damit aber noch nicht genug, denn neben Gabe der Vorraussicht ist sie in der Lage, die Zukunft zu ändern. Max kann die Zeit zurückdrehen.
Mit dem Wissen um die Visionen und der Eingangssequenz wird schnell klar, dass Max, ihren Mitschülern, ihrer besten Freundin Chloe und allen Einwohnern des Städtchens Arcadia Bay, wo Life Is Strange angesiedelt ist, ungemütliche Zeiten bevorstehen. Max ihrerseits erfährt im Spiel angekommen bereits in den ersten Spielminuten, dass sie die Zeit und damit auch passierende Ereignisse manipulieren kann. Auf der Schülertoilette wird sie unfreiwillig Zeuge, wie ein Mitschüler eine Kommilitonin eiskalt erschießt. Dank ihrer Fähigkeit spult die Zeit zurück und das soeben erlebte läuft noch einmal ab. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass Max nun eben vorab eingreifen und die Situation entschärfen kann.
Und genau auf dieser Spulfunktion liegt der spielerische Fokus in Life Is Strange. Jede erlebte Sequenz kann auf Knopfdruck zurückgespult und dadurch zu einem alternativen Ausgang geführt werden. Dabei unterscheidet das Spiel in Erlebnisse, die zwingend manipuliert werden müssen, um in der Story vorwärts zu kommen, und in solche, die sich primär an die Moral von Max und auch des Spielers richten. Und diese wird schon in der ersten von insgesamt fünf Episoden mehr als ein Mal auf die Probe gestellt. Überhaupt fiebert man bei jeder zu treffenden Entscheidung mit Max enorm mit, was vornehmlich an zwei Faktoren liegt. Zum Einen hat der Spieler die Gewissheit, dass jede einzelne Entscheidung im Spiel den Verlauf aller weiteren Ereignisse ändern kann. Zum Anderen aber – und das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor – hat sich wohl jeder von uns genau diese Fähigkeit schon einmal herbeigesehnt. Eine getroffene Entscheidung nochmals ungeschehen werden zu lassen, eine Situation noch einmal erleben oder eine verpasste Chance nachholen zu dürfen.
In jedem Falle wird es spannend werden, in wie weit die Geschehnisse aus dieser ersten Episode, die je nach Spielintensität und Entdeckerdrang zwischen einer und knapp zwei Stunden dauert, Auswirkungen auf den weiteren Spielverlauf haben werden. Welche Rolle spielt Chloe und was hat es mit einer vermissten Mitschülerin auf sich? Und dann wäre da ja auch noch das monströse Unwetter aus der Eingangssequenz…
Natürlich glänzt ein Spiel wie Life Is Strange in erster Linie durch das geschickte und fesselnde Storytelling. Zumindest für die erste Episode können wir den Entwicklern den doppelten Daumen nach oben zeigen und sagen: Jungs, das habt ihr richtig gut hinbekommen. Mit viel Liebe zum Detail ging man ans Werk, man merkt jeder Raumecke an, dass an ihr detailliert gewerkelt und gerendert wurde. Die Hauptfigur ist lebensnah, die Schule und die Mitschüler sind realistisch und die auftretenden Konflikte zwischen Cheerleadern und Außenseitern wirken wie aus dem Leben einer US Kleinstadt gegriffen. Vielleicht sind einige Figuren etwas überspitzt dargestellt, aber unglaubwürdig ist keine einzige auftretende Person.
Grafisch setzt Life Is Strange weniger auf den aus anderen Episodenspielen bekannten Comicstil mit Cellshader Optik, sondern wirkt insgesamt malerischer. Die Spielwelt ist lebendig und farbenfroh und, ganz wichtig: authentisch. Letztlich trägt die Grafik ihren Teil dazu bei, warum man sich vom Spiel und insbesondere von Max in den Bann ziehen lässt. Der Sound geht ebenfalls voll und ganz in Ordnung und glücklicherweise setzt man ohne Lokalisierung auf den originalen Englischen Ton.
Fazit
Episodenspiele sind auf der Überholspur innerhalb der Spielegenres und Life Is Strange ist defintiv ein Grund dafür, warum dieses Genre derzeit so erfolgreich ist. Gerade die erste Episode muss in den Bann ziehen, damit das Interesse am Fortgang der Geschichte geweckt wird und das ist Dontnod definitiv gelungen. Max ist eine interessante Figur mit erstaunlichen Fähigkeiten. Wir sind gespannt, auf welche Entscheidungsreisen sie uns noch mitnehmen wird. Eins ist sicher: Nicht jede getroffene Wahl wird die richtige sein und längst nicht jede wird leicht werden. Die Emotionen kochen schon nach der ersten Episode bei uns hoch – in einem Spiel, das irgendwo zwischen Heavy Rain und Twin Peaks einzuordnen ist.