Erinnert ihr euch noch an die Ankündigung von Fuse im letzten Jahr auf der E3? Wenn nicht, dann liegt das mit ziemlicher Sicherheit nicht etwa an einem belanglosen Trailer, sondern eher am Namen des Spiels. Was sich seit wenigen Tagen als Fuse im Regal wiederfindet, wurde ursprünglich Overstrike getauft. Ah, jetzt klingelt es dann auch. Overstrike, das war doch dieses humoristische Team aus 4 Söldnern mit jeder Menge abgefahrener Waffen in den Händen. Ja, genau das meinen wir.
Zur Auffrischung hier nochmal das Video von der letztjährigen E3 in voller Pracht:
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Jetzt sind seit dem einige Monate ins Land gezogen und nach dem Durchspielen von Fuse müssen wir festhalten, dass sich nicht nur der Name geändert hat. Wo im Trailer noch Ironie und leichter Slapstick dominiert, ist das Endergebnis deutlich nüchterner ausgefallen. Aber immer der Reihe nach…
Ganz genretypisch glänzt die Geschichte hinter Fuse mit wenig Geistesreichtum und bedient sich dem klassischen schwarz-weiß Muster. Wir, die Guten, müssen die Welt vor den Bösen retten. Denn die bösen Jungs wollen mit Hilfe der außerirdischen Substanz Fuse die Weltherrschaft an sich reißen. Unser Team an Spezialisten hingegen bastelt sich lieber aus dem gleichen Fuse die abgefahrensten Ballermänner, um die machthungrigen Terrors aufzuhalten. Alles dreht sich eben um das namensgebende Fuse.
Das Wir-Gefühl steht im Fokus des Geschehens, denn grundsätzlich agiert unser Overstrike Team, so heißt es nämlich noch nach wie vor, als 4er Gruppe. Wo die Story schon kaum kitschiger sein könnte, setzen die 4 Protagonisten in Sachen Stereotypien noch einen oben drauf. Der Anführer des Teams ist der narbige Muskelprotz, der an den typisch patriotischen Kriegsveteranen erinnert. Sein farbiger Kumpane hingegen ist eher der Fettnäpfchentreter, der durch coole, mehr oder minder lustige Floskeln sein Image zu überspielen versucht. Und natürlich dürfen die zwei Quotenfrauen nicht fehlen, die grazil in ihren wohlproportionierten Körper durch das Getümmel huschen. Die eine im Stile einer dunkelhaarigen Beauty-Queen, die Rothaarige der etwas nerdige Typ.
Stop. Im Hinblick auf die Trailer im Vorfeld könnte man ja jetzt auf den Gedanken kommen, dass doch alles perfekt zusammenpasst. Eine abgedroschene Story, klischeebelastete Hauptfiguren, witzige Dialoge und verrückte Waffen. Würde es auch, wäre Fuse denn auch das Spiel geworden, was Overstrike uns suggerierte. Statt dessen wird man das Gefühl nie los, dass man letztlich dem Spiel so viel Identität geraubt hat, dass es sich wie eine Light-Version anfühlt. Es existiert z.B. definitiv eine Portion Wortwitz, aber die Anzahl an amüsierenden Einzeilern kann man an zwei Händen abzählen. Fuse nimmt sich selbst irgendwie zu ernst. Das ist schade, denn hätte man die überspitzte Darstellung ins finale Spiel portiert, dann wäre wahrscheinlich am Ende ein 3rd Person Shooter mit frischem Wind dabei herausgekommen. So aber avanciert Fuse irgendwo in der Mitte zwischen übertriebener Albernheit und stockernstem Geballer, weder Hü noch Hott eben.
Das bedeutet aber nicht, dass Fuse keinen Spaß macht oder gar ein schlechtes Spiel ist. Es droht mit dieser potentiell dagewesenen, aber nicht genutzten eigenen Identität aber leider das Versinken im Sumpf der ach so vielen Deckungsshooter, die zu Hauf in den Regalen stehen. Warum man sich letztlich dazu entschied und Fuse mehr dem Mainstream anpasste, bleibt wohl ein nicht zu lüftendes Geheimnis.
Über Storytiefe und oberflächliche Charaktere kann man sich streiten, für die einen sind solche Dinge unheimlich wichtig, anderen völlig egal. Weniger streitsam ist dagegen die Intelligenz aller Figuren, die wir nicht selbst steuern. Also alle bis auf eine, denn das gilt sowohl für Feind, wie für Freund – in diesem Falle also auch für unsere 3 übrigen Kameraden. Wenn wir die KI bewerten sollen, dann würden Begriffe wie Toaster oder Stroh fallen. Ihr versteht, worauf wir hinauswollen: Gegner gleichen Schießbudenfiguren und laufen bereitwillig mitten in unser Sperrfeuer. Immerhin sprinten die Gegner gerne in Deckung, nur bringt das leider nichts, wenn sie sich vor der Barriere aufhalten und nicht dahinter. Ärgerlich sind die Aussetzer unserer Kollegen vom Team, wenn diese 2 Meter neben uns munter Gegner unter Beschuss nehmen, anstatt uns mit der dringend benötigten Heilung zu versorgen. Die Boni der schicken Fuse-Waffen werden auch nur bedingt geschickt eingesetzt. Manchmal kratzt man sich eben am Kopf, warum unser KI-Captain das Schutzschild lieber gegen 2 anstatt gegen 20 Gegner zückt.
Abhilfe schafft hier – und damit wären wir dann auch endlich beim Prunkstück von Fuse angekommen – der Koop. Wer mindestens 1 Kumpel als Mitzocker hat, der erlebt mit Fuse ein kleines Spektakel. Im Koop zu 4rt geht dann so richtig die Party los. Endlich kann das Team so sinnvoll agieren, wie es das Spiel auch vorsieht. Der Leader stürmt mit geladenem Schutzschild voran, dicht dahinter lassen die beiden Damen Izzy und Naya die Rohre glühen und feuern auf alles, was sich bewegt. Tatsächlich funktioniert Teamplay im Koop richtig gut und es macht auch wesentlich mehr Freude, sich an den Fuse-Waffen zu ergötzen. Hier wird eine Energiewelle entfesselt und dort lassen wir ein kleines Schwarzes Loch entstehen, bäm.
Beim Spaßfaktor gibt es also große Unterschiede, ob man alleine oder mit genügend Mitzockern spielt. Die grundlegenden Spielmechaniken funktionieren in allen Modi und das auch überzeugend gut. Die Steuerung sitzt bereits nach wenigen Minuten wie aus dem FF, darüber hinaus funktioniert das Zielen mit restlos allen Ballermännern leicht und präzise. Das Deckungssystem ist ebenfalls sehr zufriedenstellend gelöst und alle Aktionen gehen flüssig in die nächste über, hier stockt einfach nichts. Vom Sprint in die Deckung huschen, mit elegantem Schwung darüber hinweg gesprungen und ab hinter die nächste Barikade geflitzt – alles kein Problem.
Als eingestreutes RPG-Element besitzt jeder Charakter in Fuse noch einen kleinen Fähigkeitsbaum. Für getötete Gegner und lange Abschussketten füllt sich langsam das Punktekonto und die so gewonnene Erfahrung können wir in aktive und passive Perks investieren. Von denen darf dann im Spiel jeweils nur 1 eingesetzt werden. Das klingt wenig, macht aber nur so auch wirklich Sinn, denn letztlich hat ja jede Figur 1 Skill und das macht dann in der Summe 4, andernfalls wäre das Overstrike Team schlicht zu übermächtig.
Grafik und Sound sind absoluter Standard, hier gibt es soweit nichts neues. Die Level wirken teilweise etwas trist, die Gebäudekomplexe hätten einen Kleks mehr Farbe vertragen. Immerhin ist die deutsche Synchro mehr als ertragbar, was ja längst nicht bei jedem Spiel der Fall ist. Die Stimmen sind passend gewählt und verleihen den sonst eher blassen Figuren dann doch ein klein bisschen Charme. Auf der technischen Seite müssen wir die saubere Programmierung definitiv loben. Keine Clippingfehler, keine Frameeinbrüche, keine Pixelsüppchen – bravo!
Fazit
Quo vadis Fuse? So ganz schlau sind wir aus dem fertigen Spiel nicht geworden, in den Videos vorab ließ sich ein etwas anderes Spiel erwarten. Alle Figuren hätten mehr (exzentrischen) Feinschliff vertragen, witzige Dialoge sind zu spärlich gesäht und alles wirkt irgendwie viel zu ernst. Bleibt das Gefühl, dass hier unnötig viel Potential auf der Strecke blieb und dem Spiel die völlig eigene Identität genommen wurde, aus welchen Gründen auch immer. Wo im Singleplayer die KI gerne mal streikt, entpuppt sich Fuse im Koop als kleines Sahnestück. Hier funktioniert die effektgeladene Ballerorgie hervorragend und macht dank zunehmender taktischer Tiefe und sinnvoll einsetzbaren Fuse-Waffen sogar enormen Spaß. In der Gesamtsumme ist Fuse also ein Spiel mit 2 Seiten, an dem der einzelne Spieler weniger Freude als der Gruppenspieler haben dürfte. Also dann, schnappt euch Freunde, fahrt das Hirn auf 50% Leistung runter und habt Spaß mit Fuse. Fuse birgt genug Potential, um mit einer Fortsetzung auf der nächsten Konsolengeneration durchzustarten. Dazu sollte man sich allerdings aus der Deckung des Einheitsbreis wagen und mit den stärken von Overstrike voll auftrumpfen.
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