Ich muss zugeben, dass meine Liaison mit Fallout erst mit Teil 3 begann. Da hat die Liebe dann aber auch direkt auf den ersten Blick gefruchtet. Unzählige Stunden habe ich seit dem in Fallout 3, New Vegas und all ihren DLCs verbracht und so fieberte ich als einer von Millionen weltweit dem Release von Fallout 4 mehr als entgegen. Vor rund zwei Wochen war es dann so weit, als wir alle ins Regal beim Händler griffen, um uns Fallout 4 zu sichern.
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Dieser Test basiert auf der Spielversion für Xbox One. Ich also alter Konsolero habe Fallout 3 und New Vegas seiner Zeit auf der Playstation 3 gespielt und hatte damit, trotz allen Spielspaßes, schon immer meine liebe Mühe gehabt. Was war los? Grafik gut, Gameplay top, Story unterhaltsam, alles schien in Ordnung zu sein. Bis dann die ersten DLCs erschienen und das Unheil seinen Lauf nahm. Ich war eine der vielen gebeutelten Seelen, denen die herunterladbaren Inhalte mehr Frust als Lust bescherten. Schuld daran war die technisch unsaubere Integrität der DLCs, die das Spiel im besten Falle zum Ruckeln und im schlimmsten Falle zum Absturz brachten. Bis zu den ersten neuen Inhalten für Fallout 4 dauert es aber noch ein Weilchen und zumindest bis dahin kann ich beim Spiel aus dem Vollen schöpfen. Und das macht man bei Fallout ohnehin wie ganz von selbstverständlich von Anfang an so.
Bevor man jedoch richtig rein katapultiert wird, gibt es das obligatorische Intro, das auch dieses Mal wieder zur Charaktererstellung genutzt wird. Neben dem Geschlecht kann man sich stundenlang am Editor austoben und jedes noch so kleine Körperdetail festlegen. Wem das egal ist, der kann natürlich auch auf eine Standardvorgabe setzen. Dabei wird euch dann allerdings entgehen, dass die Gestaltung auch Auswirkungen auf euren späteren Spross haben wird. Hat man seine Figur erstellt, legt die Story dann kurze drauf auch schon richtig los und die Idylle weicht einem drohenden Atomkrieg. Und wenn die Sirenen schrillen, dann packt man sich eben ganz fix seine Liebsten und verschwindet in einen Atombunker. In unserem Falle liegt glücklicherweise der Vault 111 nahe bei und wir überleben knapp die menschliche Auslöschung. Viele Jahre später erwachen wir aus dem Kälteschlaf, in den man uns geschickt hat, um die Zeit, bis die Oberfläche wieder bewohnbar ist, zu überbrücken. Blöderweise ist unser Nachwuchs schon früher aufgewacht und ihn hat nichts mehr im Vault gehalten. Die Suche beginnt also…
Ob mit Köter oder menschlichem Gefährten: Wir laufen meist in der Minigruppe durch Boston
Ab jetzt müsst ihr das erste Mal die Mundwinkel nach oben ziehen und euch am Spiel freuen. Denn raus aus dem Vault heißt willkommen in Fallout 4. Spätestens ab diesem Moment fühlt sich ein Spieler wie ich heimisch und das wird Zocker der Vorgängerteile ähnlich gehen. Jeder Schnipsel darf umgedreht werden und jeder noch so plump wirkender Müll wird auf wertvolle Inhalte überprüft.
In dieser wunderbaren postapokalypischen Spielwelt wird man dazu verleitet, immer wieder einfach nur stehenzubleiben und sich umzusehen. Dem Setting merkt man zu jeder Sekunde an, dass diese zerstörte Oberwelt von Boston mitten aus den 50er Jahren gerissen wurde – herrlich. Ganz genretypisch starten wir mit den ersten Schritten Richtung Zivilisation und schon bald bekommen wir das erste Quest verpasst. Und so nimmt Fallout 4 seinen Lauf: Ihr bekommt kaum Vorgaben, hangelt euch lose am roten Faden der Geschichte entlang, letzten Endes schreibt ihr aber eure ganz eigene Story. Und die wird es mitunter ganz schön in sich haben, wenn ihr euch auf macht, um alle gut 230 Orte von Fallout 4 zu besuchen.
Schon recht früh im Spiel begegnen uns rivalisierende Clans und Gruppierungen. Mit den einen wird man eher warm, als mit den anderen und so fällt je nach Geschmack die Wahl unserer Verbündeten aus. Damit einher geht das Errichten einer eigenen Siedlung. Mit den benötigten Materialen dürfen wir neue Gebäude errichten, die wiederum neue Siedler beherbergen, welche für uns alle möglichen Jobs verrichten. Je mehr Leute man anzieht, desto mehr muss man sich auch um deren Bedürfnisse kümmern. Fallout bekommt hier einen kleinen Hauch von Wirtschaftsmanagement. So werden beispielsweise Feldarbeiter zur Ernte geschickt, damit alle Bewohner genügend zwischen die Zähne bekommen. Zum Bau neuer Häuschen kann dann auch tatsächlich so ziemlich jeder Schrott verwendet werden, den wir unterwegs auflesen. Und sei er noch so unnötig, nehmt alles mit, was ihr tragen könnt und sortiert später aus. Vielleicht eignen sich auch einige Gimmiks als schicke Deko, wer weiß das schon. Früher oder später beginnt man damit, seine Bauten nicht nur praktisch, sondern auch optisch hübsch zu bauen. Einziger Negativpunkt beim Bau von Außenposten oder Siedlungen ist die Steuerung bzw. das Funktionsmenü. Die Listenansicht ist auf Dauer ermüdend und insgesamt wenig motivierend, besonders dann, wenn der Pool an Items stetig zunimmt und man ellenlang scrollen muss. Wer auf den Bau überhaupt keine Lust hat, der lässt ihn übrigens einfach links liegen. Siedlungen sind kein Muss, sondern rein optional. Tut euch aber den Gefallen und rackert euch durch die ersten schweren Gehversuche, denn wenn die Bauten erst errichtet sind, greift hier ein kleiner Suchtfaktor und man möchte immer höher und schöner gestalten.
Sind die APs aufgebraucht, laufen Kämpfe in Echtzeit ohne VATS ab
Beim Schlendern durch Bosten bekommen wir es natürlich auch mit allerhand Gesindel und Mutanten zu tun. Hier zeigt sich dann auch die größte Veränderung in Fallout 4, denn das Kampfsystem wurde grundlegend modifiziert. Es wird in Echtzeit gekämpft, was dazu führt, dass sich Fallout 4 deutlich rasanter und actiongeladener anfühlt als seine direkten Vorgänger. Der Schritt zum rassigen Shooter ist zwar etwas zu scharf formuliert, aber es geht definitiv in diese Richtung. Das berühmte VATS-System bleibt erhalten, pausiert jetzt aber nicht mehr das Geschehen. Wird VATS aktiviert, verlangsamt sich die Zeit. Bedeutet, dass man zwar nach wie vor einen guten Bonus bei der Taktierung der Kämpfe bekommt, aber man darf eben nicht mehr unendlich lange am Plan feilen. Früher war VATS ein sicherer Hafen, in Fallout 4 muss man damit leben, dass man auch unter VATS deftigen Schaden schlucken kann. Dazu kommt, dass sich S.P.E.C.I.A.L.s und Perks jetzt gemeinsam im Charaktermenü wiederfinden. Komplett entfernt wurden dagegen Karma und das Abnutzen von Waffen.
Wenn man das so liest, dann fragt man sich, ob Bethesda mit diesen Neuerungen der Serie nicht ein Stück weit seine Seele geraubt hat. Ja, das mag sich als Fallout-Veteran ziemlich ungewohnt spielen, aber eben nicht schlecht. Fallout 4 ist nicht mehr ein reines und ungelenkes Rollenspiel, sondern legt eine Schippe Action und Spielfluss dazu. Und das ist per se gar nicht so verkehrt, wie es sich lesen mag. Viel eher fokussiert man sich auf den Fortgang des Abenteuers und wird weniger stark im flow gebremst. Wenn man sich darauf eingelassen hat, dann spielt sich Fallout 4 sogar deutlich störungsbefreiter als Teil 3 und New Vegas. Eigentlich wird man dann nur noch gebremst, wenn man mal wieder zu viele Sachen im Gepäck mit sich rumschleppt und nicht mehr ordentlich laufen kann.
Welchen Perk hätten sie denn gerne?
Technisch gesehen war die Fallout-Reihe besonders bei der Grafik immer für Luft nach oben hin bekannt. Fallout 4 macht keine Ausnahme, wobei wir betonen wollen, dass das Spiel phantastisch aussieht. Die Dichte an Objekten sorgt nunmal dafür, dass immer mal wieder Texturen von rumliegenden Items nicht ganz so verzückend aussehen, wie man das vielleicht gerne hätte. Ebenso typisch sind die leicht hölzernen Bewegungsabläufe der Spielfigur, wenn man aus der 3rd-Person View dem Geschehen folgt. Man kennt es und irgendwie gehört es zu Fallout mit dazu. Störend finden das wohl nur Neulinge in der Spielserie, denn alte Hasen lächeln sowas einfach locker weg. Deutlich problematischer sind die häufigen Ruckler, die wir auf der Xbox One erleben mussten. Diese traten regelmäßig auf und folgtem keinem erkennbaren Muster. Sie kamen bei dichtem Gegneraufkommen und bei gähnender Lehre gleichermaßen. Abhilfe schaffen hier zwei Dinge: Der aktuellste Patch und eine Spielinstallation auf externem Datenträger. Und in der Tat spielt sich damit Fallout 4 schon deutlich flüssiger. Nicht absolut ruckelfrei, aber so hält sich die Masse an merkbaren Rucklern eben stark in Grenzen.
Wie nahezu immer muss man den Sound löblich erwähnen. Angefangen von stilechten Hits, die hier aus einem Autoradio und dort aus einem Lautsprecher dröhnen bis hin zur Sprachausgabe machen die Entwickler hier alles richtig. Bei der extremen Größe ist es erstaunlich, dass die Sprecher im Grunde alle einen guten Job erledigt haben und doch sehr zum gelungenen Ambiente beitragen. Und endlich kann unsere eigene Spielfigur jetzt auch sprechen, juche.
Man darf modifizieren und rumschrauben, wie man Zeit und Lust hat. Von Beidem hat man in Fallout 4 genug!
Fazit
Das beste an Fallout 4 ist, dass es genau das Spiel ist, was man sich als Fan der Serie erwartet hat. Wo andere Spieleschmieden mit hirnverbrannten Neuerungen daher kommt und diese anpreist, macht Bethesda einfach da weiter, wo sie mit New Vegas aufgehört haben. Heraus gekommen ist ein riesiges Brett, das im Genre der Rollenspiele ganz weit oben mitspielt. Und das, obwohl Fallout 4 einen großen Schritt gen Kino-Action gewandert ist, was dem Spiel frischen Wind einhaucht und alten Staub der Saga weg pustet. Ja, man muss hier und da Abstriche in Kauf nehmen, aber das macht man für einen solchen Opus einfach gerne. Für die kommenden Winterwochen können wir uns jedefalls kaum einen besseren Stundenfresser vorstellen.