Die Monster AG?
Mit Left 4 Dead hat das Team des Entwicklerstudios Turtle Rock bereits bewiesen, dass sie König darin sind, einen asymmetrischen Shooter par excellence auf unsere Mattscheiben zu zaubern. Was letztlich nichts anderes bedeutet, dass nicht zwei ausgeglichene Teams gegeneinander antreten, sondern beide Parteien eine unterschiedliche Anzahl an Spielern zugeteilt bekommen. Im Falle von Evolve sind es genau 4 gegen 1.
Evolve im Schafspelz
Natürlich liegt in einem Werk wie Evolve der spielerische Fokus glasklar auf dem Multiplayer Modus. Nichts desto Trotz bietet das Spiel auch eine Kampagne für den Singleplayer, die sich Evakuierung nennt. Hier von einer waschechten Kampagne zu sprechen, wäre allerdings ziemlich übertrieben. Viel mehr müssen sich Einzelspieler auf eine fünffache Aneinanderreihung der Maps und Modi einstellen. Zwar darf man zwischen den Einsätzen kleinere Einstellungen für das nächste Match vornehmen, jedoch halten sich die Optionen dafür in Grenzen und sind stark überschaubar. Recht gut gelöst haben die Entwickler das Voranschreiten der Partien, denn je nach Ausgang der vorangegangenen Runde ändern sich die die Bedingungen für das folgende Duell. Je nachdem stehen den Jägern oder dem Monster mal mehr, mal weniger Gimmiks bzw. Features zur Verfügung.
Die restlichen vier Spielerslots werden mit Bots aufgefüllt. Deren KI ist zwar ganz ordentlich gelungen, für taktische Finessen bleibt aber Null Spielraum. Je nach Spielmodus kann das schon ein Akt der Verzweiflung bedeuten, denn die KI-Gesellen weigern sich stur, in Kleingruppen zu agieren oder sich klug durch die Flora zu bewegen. Dem entgegen klappt die KI des Monsters nahezu immer perfekt. Hat ein Bot die Rolle des Monsters, bleibt dieses nicht selten sehr dezent im Hintergrund, entwicklet sich weiter und schlägt dann im entscheidenden Moment brachial zu. Ist der Spieler das Monster, harmonieren die 4 KI-Jäger auch merklich verbessert miteinander und bieten dem Spieler Paroli.
Alles in Allem hat man sich im Singleplayer recht schnell satt gesehen, was allerdings völlig in Ordnung ist. Wie gesagt ist Evolve kein Spiel für einsame Zocker und macht auch keinen Hehl daraus, sein wahres Ich zu verbergen. Neueinsteiger sollten sich bevorzugt zuerst im Solomodus austoben, um Spielmechaniken, Taktiken und Karten besser kennenzulernen, bevor sie sich in den rasanten Multiplayer stürzen.
Einer auf alle und alle auf einen
Wie eingangs erwähnt ist der Mehrspieler-Modus in Evolve das Kernstück. Das ist jederzeit spürbar, so haben die Turtle Rock Studios schon mit ihrem Erstling Left 4 Dead ihre ganz eigene Zielgruppe geschaffen. Das taktische Gameplay rund um die Jagd auf die Bestien des Planeten Shaer lädt gerade zu ein, das Headset aufzusetzen. Das ist stellenweise auch bitter nötig, denn wie in der Zombiehatz zuvor ist Kommunikation das A und O. Erstaunlicherweise muss das niemandem gepredigt werden – die meisten Mitspieler, die wir im Matchmaking trafen waren mit entsprechendem Equipment ausgerüstet.
Im Gegensatz zum proprietären Einzelspielermodus spielt Evolve online seine Trumpfkarten aus: Die Nerven zerreißende Mischung aus Jagd, brutalem Kampf und taktischem Rückzug wird durch einen ganz besonderen Umstand nur noch mehr gewürzt. Die Tatsache, dass wir es als Monster mit vier echten Spielern aufnehmen müssen ist beispielsweise Segen und Fluch zugleich. Wo die künstliche Intelligenz der Bot nur stur ihren Routen folgt und entsprechend auf unser handeln als Ungetüm reagiert, lässt sich die Community gerne mal an der Nase herum führen. In Shear lebt ganz verstreut eine eigene Flora und Fauna, was eben auch aufscheuchbare Vogelschwärme impliziert. Wieso nicht diesen mal aus der Ferne per geworfenem Felsen aufscheuchen um so eine falsche Fährte zu legen?
4 Gegen Willi
Generell spielt sich die Monsterjagd viel dynamischer, als im Singleplayer wie aus dem FF. Haben wir jemandem im Team, der als Medic seiner Heilungsfähigkeit nicht nachkommt, zieht das logischerweise spürbare Konsequenzen für alle mit sich. Ein perfekt platzierter Luftschlag der Supporter-Klasse hingegen kann das ganze Spiel noch in letzter Sekunde wenden. Als Jäger lässt sich auch das oft überlegene Monster dann doch noch erlegen, weil der Spieler hinter dem Goliath dann doch ein bisschen zu übermutig an die Sache heran gegangen ist – statt sich gelegentlich ins Dickicht zurück zu ziehen. Alles in Allem ist Evolve extrem gut ausbalanciert, wie einschlägige Statistiken im Netz beweisen.
Leider trüben technische Probleme vielerorts das Bild des Mehrspielermodus‘. Man muss nur einen kurzen Blick in die offiziellen Foren des Entwicklers werfen, um zu sehen wo der Hafer brennt. Mehr als die Hälfte der Spieler leiden unter (plattformunabhängigen) Verbindungsproblemen, werden in der Lobby von ihren Freunden getrennt oder bekommen gar kein Spiel zustande. Turtle Rock schweigt hierzu zudem leider mehr, als sie drauf eingehen könnten um ihre Gefolgschaft zu beruhigen. Es stehen Patches aus, müssen aber noch adressiert werden, hieß es bereits mehrmals.
Zu guter Letzt schlägt vielen Spielern die aktuelle DLC-Politik des Publishers auf den Magen. Ganze spielbare Monster und quasi schon ein Dutzend kaufbare Zusatzpakete direkt nach Release sind de facto eine Zumutung. Wer nicht gleich auf den Season Pass, die Deluxe-Edition zurück greift oder gar kein Interesse an Kraken und Co hat, schaut Content-mäßig in die Röhre. Schade!
Wie die Zukunft des Spiels aussieht und ob es sich neben Titanfall in die Reihe der Sale-Titel einreiht, liegt nun allein in der Hand der Entwickler. Microsofts auf Hochglanz polierter Titanen-Shooter gewann seine Mehrheit der aktiven Spieler erst nach hiesigen Sonderangeboten, die das Spiel online verramschten. Ein Schicksal, das Evolve angesichts seines doch recht spannenden Mehrspieler-Modus‘ hoffentlich erspart bleibt.
Killer Grafik?
Wenn sich ein Titel die Cry Engine sichert, kann man in der Regel auch viel erwarten. Im Fall von Evolve befinden wir uns zwar nicht auf der Augenhöhe eines Ryse, aber verstecken muss sich die Monsterhatz optisch keineswegs. Die riesigen Levels sind schick und abwechslungsreich gestaltet. Ob in Gebieten mit Schnee oder in Regionen umgeben von riesigen Industriekomplexe, in Evolve durchläuft man eine glaubwürdige Umgebung mit vielen netten Details. Letztere sind vor allem bei den Monstern gelungen. Selbst aus direkter Nähe sind die gelungenen Schuppen, Stacheln, Hörner und weitere Elemente des Monsters gut zu erkennen und sehen beeindruckend aus. Abgerundet wird das ganze durch die gelungenen Animationen welche an Animationsfilme erinnern. Allerdings hätte man auch weit mehr herausholen können. So werden die düsteren Umgebungen leider nicht bei aktiviertem Feueratem des Monsters oder Gebrauch der Waffen aufgehellt. Auch sind Boden und Wandtexturen oft unscharf. Allerdings fällt das bei dem raschen Spielverlauf kaum auf. Dafür ist die Performance auch bei mittleren oder schwächeren Systemen hervorragend. So genügt schon ein Dual Core wie ein Intel E6600 mit 4GB Ram um den Titel mit höheren Details zu spielen. Allerdings sollte man dann mit hohen Ladezeiten und gelegentlichen Nachladerucklern rechnen. Auf unserem Testsystem I7 3770K bei 4,3Ghz, 16GB RAM und einer Geforce GTX970 gab es dementsprechend keine FPS-Einbrüche oder Rucklern. Allerdings sind die Anorderungen jenseits von Full HD, also in 4K enorm hoch und wir empfehlen mindestens eine GTX980.
Monströser Sound
Besitzer von 5.1 Anlagen freuen sich über die Soundkulisse von Evolve. Zwitschernde Vögel, und viele andere Geräusche vermitteln dem Spieler mitten in der Natur unterwegs zu sein. Das stampfen des Monsters und die wuchtigen Hiebe lassen den Woofer ordentlich beben während über die Surround-Boxen annähernde Gegner lokalisieren lassen. Die geschreie des Monsters erinnern zwar stark an Godzilla oder Jurassic Park, aber sind dennoch passend wie auch die Stimmen der Protagonisten. Diese wirken nicht langweilig abgelesen und tragen zur gelungenen Atmosphäre bei.
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Fazit
Evolve könnte der neue König unter den asymmetrischen Shootern werden. Die Betonung liegt auf könnte, denn dazu sollten die Entwickler nochmals gehörig am Feintuning des Spiels schrauben. Es ist beruhigend zu wissen, dass Evolve in seinem jetzigen Stadium einen ziemlich guten Gesamteindruck hinterlässt. Gerade das Balancing der Jäger verglichen mit dem Monster funktioniert aus meiner Sicht recht ordentlich. Dem entgegen schlägt die Problematik des Matchmakings, das langsam aber sicher zur Kinderkrankheit jeglicher Multiplayerspiele mutiert – und das nervt. Gerade bei Evolve, wo der Multiplayer gefühlt 99% des Spiels ausmacht, sind technische Ungereimtheiten in Form von Verbindungsabbrüchen, Lags und fehlerhaftem Matchmaking eine Qual. Dazu kommt eine DLC-Politik, die absolut grenzwertig ist, zumal Evolve kein free to play Titel, sondern ein Vollpreisspiel ist. Wer alle Inhalte haben möchte, muss tief in den Geldbeutel greifen.
Meines Erachtens nach steht uns mit Evolve ein neuer Anwärter auf dem Online-Koop-Thron im Türrahmen. Leider muss sich Entwickler Turtle Rock prinzipiell noch genau überlegen, wie sie mit ihrer neuen Marke hinwollen. Das Setting ist überaus stimmig, die Dynamik des Planeten Shae mit seiner gefährlichen Flora und Faune und auch das Balancing stimmen. Der Mehrspielermodus macht – wenn er denn mal nicht unter Verbindungsproblemen leidet – gerade mit Freunden sehr viel Spaß und hat für lange Zeit spannende Matches im Petto. Auch das Monster zu sein erfordert einen kühlen Kopf, weil rohe Gewalt selten etwas gegen ein eingespieltes Jäger-Team einzusetzen hat. Leider trüben wie schon oft erwähnt Matchmaking-Probleme das Bild und hier und da gibt’s auch grafische Fehler. Alles in Allem läuft die Monsterhatz jedoch rund; jetzt müssen die Turtle Rock Studios noch die Netzwerkprobleme beheben und vielleicht auch ein bisschen mit dem Publisher über dessen miese DLC-Politik sprechen.