Desperados 3 – Test

    Auf der letztjährigen GamesCom durften wir bereits Hand anlegen und jetzt also halten wir das fertige Produkt in unseren Händen. Desperados 3 hatte bei uns vergangenen Sommer einen hervorragenden Ersteindruck hinterlassen. Ob das Spiel auch tatsächlich diesem Eindruck gerecht wird, das verraten wir Euch hier in unserem Test.

    Desperados 3 ist für PC, Xbox One und Playstation 4 bereits erschienen. Unser Test basiert auf der Spielversion für PS4. Alle Screenshots sind der PC-Version entnommen.

     

    Vorwort

    Ich liebe es ja, wenn mich ein Spiel positiv überrascht, das ich vorher nicht so richtig auf dem Schirm hatte. Auf der GamesCom 2019 durfte ich THQ Nordic einen Besuch abstatten und u.A. zeigte man mir dort Desperados 3. Selbst Hand an den Controller legen durfte ich zwar nicht, aber das, was man mir dort zeigte in Form einiger Spielszenen, machte definitiv Lust auf mehr. Umso größer war dann auch die Freude, als ich Desperados 3 zum ersten Mal startete.

    Das Genre der Stealth-Real-Time-Strategie ist eines, das irgendwie nie den wirklich großen Durchbruch schaffte, aber immer wieder mit richtig tollen Titeln begeistert. Der wohl bekannteste Vertreter dürfte die Commandos-Reihe sein, später gesellten sich Jagged Alliance und auch ein Shadow Tactics: Blades of the Shogun dazu. Gerade der zuletzt genannte Titel ließ 2016 ordentlich aufhorchen und erntete durchweg beste Kritiken (Metacritic 85). Das machte Hoffnung, denn das ebenfalls erwähnte Jagged Alliance verlor sich teilweise in weniger gut umgesetzten Serienteilen. Gleichwohl steht für Desperados 3 eben jetzt auch das gleiche Studio in der Verantwortung, das eben jenes Shadow Tactics zum Ruhm verhalf. Und so schien es eigentlich nur noch als Formsache, dass Mimimi Productions und THQ Nordic hier ein neues Referenzspiel auf die Beine stellen würden.

    Und ja, das hier ist die neue Referenz. Desperados 3 ist so unfassbar klug durchdacht, dass es jedes weitere Spiel dieses Genres schwer haben wird, an dessen Position zu rütteln.

     

    Rachegelüste im Wilden Westen

    Die Geschichte von Desperados 3 ist ein Prequel zu den bisherigen Ereignissen der Spieleserie. Im Grunde erzählt man uns eine waschechte Rachestory, bei der unsere Hauptfigur John Cooper im Vordergrund steht. Unser Kopfgeldjäger zieht jedoch von Colorado bis nach Mexico nicht alleine in den Kampf, sondern darf auf tatkräftige Unterstützung der Freunde Hector Mendoza, Doc McCoy, Isabelle Moreau und Kate O’Hara bauen. Die Rahmengeschichte ist OK und nichts, was Euch vom Hocker reißen wird. Immerhin gibt es zwischendurch ein paar nette Twists, die dann doch für unvorhersehbare Momente sorgen.

    Jede der spielbaren Figuren hat seine speziellen Skills und die damit verbundenen Vor- bzw. auch Nachteile. Genau hier ist der Spieler gefordert, diese je nach Situation geschickt und möglichst punktgenau miteinander zu verknüpfen. Grundfähigkeiten besitzen alle Figuren, aber die Specials bieten eben die spielerischen Finessen. Während die drei bereits bekannten Figuren John, Kate und McCoy ihre Fähigkeiten übernommen haben, zeigt sich Hector als der Mann fürs Grobe. Nicht nur, dass er im Nahkampf ein echter Haudegen ist, er kann auch tödliche Falle aufstellen und mittels Pfiff die Gegner ins Verderben locken.

    Isabelle spielt sich anfangs etwas sonderbar, da sie über Voodoo-Kräfte verfügt und dieses spirituelle Feature etwas ungewohntes innerhalb von Desperados ist. Doch auch diese Geistesfähigkeiten fügen sich hervorragend ins Gesamtkonzept ein und sind retrospektiv sogar ein echtes Highlight. Sie kann Feinde für kurze Zeit innerhalb eines vordefinierten Radius übernehmen und steuern. Außerdem kann sie zwei Gegner miteinander verknüpfen: Was dem Einen zustößt, trifft auch den Anderen. Klingt vielleicht etwas strange, aber diese Fähigkeiten passen wie erwähnt perfekt in die Spielwelt.

     

    Quicksave ist dein Freund

    Zum Start jeder Mission schwenkt die Kamera eine Runde über die komplette Karte und verschafft euch einen ersten Überblick über das, was euch alles noch bevorsteht. Ganz ohne Übertreibung: Ihr werdet viel try & error erleben, besonders innerhalb der ersten Spielstunden. Glücklicherweise schafft Desperados hier den Spagat zwischen Einsteigerfreundlichkeit und hohem Anspruch. Euch steht eine steile Lernkurve bevor und je weiter ihr kommt, desto natürlicher und flüssiger laufen die Aktionen ab.

    Genau hier spielt euch hier das Quicksave-Feature in die Karten. Per Button speichert ihr fix den Spielstand und wenige Sekunden später seid ihr auch schon wieder im Spiel. Und weil das so schnell geschieht, bemerkt man die Spielunterbrechung kaum. Desperados 3 lebt davon, dass ihr fast alle Situationen effizient und unbemerkt erledigt und so passiert es häufig, Stichwort try & error wieder, dass ihr einzelne Sequenzen mehrfach versuchen werdet. Das schnelle Speichern und Laden lädt auch dazu ein, sich an mehreren Herangehensweise auszuprobieren. Eigentlich macht dies sogar ziemlich viel Sinn, denn genau so lernt ihr umso schneller, wie die Spielfiguren möglichst effizient miteinander harmonieren.

    Jede des 16 Level bietet dabei so unfassbar viele Möglichkeiten, dass man hier gut und gerne mal zwischen einer und drei Stunden pro Karte beschäftigt ist. Mehrmaliges scheitern natürlich mit inbegriffen. Manchen Situationen, denen man begegnet, legen eine logische Lösung offenkundig dar. Andere, die deutliche Mehrheit, hingegen erfordern ein kluges Austüfteln aller Parameter. Laufwege und Blickfelder von Feinden spielen hier eine ebenso große Rolle wie das geschickte Ausnutzen der Umwelt. So können beispielsweise Seile zum Klettern genutzt, Kisten umgestoßen oder Felsen ins Rollen gebracht werden. Seid kreativ, Desperados 3 geizt nie mit Optionen und lädt zum Experimentieren ein.

     

    Einfach nur gut

    Entscheidend für den Erfolg ist der Überblick über wirklich alle Eventualitäten zu haben. Die KI ist nicht dumm und die Umgebung kann euch zum Vor-, aber auch Nachteil verhelfen. Lauft ihr beispielsweise durch Matsch, dann hinterlässt die Figur Fußspuren, die Feinden dann beim Entdecken in Alarmbereitschaft versetzen. Umgekehrt könnt ihr das allerdings auch als taktisches Mittel mit Hector einsetzen, der seine Falle im Gebüsch versteckt und Banditen mit dieser falschen Fährte in ihr Verderben lockt.

    Über all dem schwebt der taktische Reiz und es kommt eher selten zu offenen Konflikten. In direkten Gefechten zieht man nicht selten den Kürzeren, da allen Waffen nur begrenzte Munition zur Verfügung steht und Skills einen Cooldown besitzen. Kommt es dann doch zu einer brenzligen Situation, dann ist der Showdown-Modus euer bester Freund. Per Button lässt sich die Zeit kurz einfrieren und ihr könnt die nächsten Schritte der Figuren parallel planen. Nützlich ist dies z.B. dann, wenn ihr gleich mehrere Feinde vor Euch habt, deren Blickfelder sich kreuzen und man nicht einen nach dem anderen rauspicken kann. Beendet man den Showdown, werden alle Planungen zeitgleich ausgelöst. Umgekehrt ist es ebenso möglich, die Zeit vorwärts zu spulen, was ebenfalls sehr hilfreich bei der Planung der folgenden Abläufe ist. Und die ganz 100%igen Spieler freuen sich am Ende der Mission darauf, dass man sich im Replay nochmal den kompletten Verlauf ansehen kann.

    Seid ihr nach rund 30 Stunden am Ende des Rachefeldzuges angekommen, dann könnt ihr euch an den Baron Challenges versuchen. Hierbei gibt euch das Spiel eine oder mehrere Aufgaben vor, unter deren Bedingung(en) ihr dann die Mission schaffen müsst. Z.B. gibt es hier die Vorgabe, dass ihr alle Feinde töten müsst, ihr jedoch über keinerlei Waffen verfügt. Der Schweregrad zieht bei den Challenges teils enorm an und erfordert ein noch wachsameres Auge, als es ohnehin schon von Nöten ist.

     

    Technik

    Desperados 3 in in allen Belangen fantastisch gut umgesetzt. Die scharfen Texturen lassen jedwede Objekte klar erscheinen und sind harmonisch ins Gesamtbild eingefügt. Hier wirkt jeder Stein genau am rechten Fleck, die Karten und Figuren versprühen waschechtes Wilder Westen Flair. Auffallend gut gelungen sind die Animationsabläufe der Figuren, die per motion-capture digital ihren Weg ins Spiel fanden. Beifall verdient die hervorragende Belegung der Buttons am Gamepad, die zu keinem Zeitpunkt Fragen offen lässt. Garniert wird das positive Gesamtbild von einem klasse Soundtrack, der wunderbar im Hintergrund säuselt und nie langweilig wird.

     

     

    Fazit

    Desperados 3 ist eine Wucht, den Entwicklern ist hier ein kleiner Geniestreich im Wilden Westen gelungen. Alle, wirklich alle Elemente des Spiels und deren Mechaniken greifen ineinander, dass sogar schweizer Uhrmacher ihren Hut ziehen würden. Dabei sind der eigenen Kreativität kaum Grenzen gesetzt und man ertappt sich dabei, Situationen auf mehrere mögliche Weisen lösen zu wollen. Die Lernkurve ist entsprechend steil und die Befriedigung bei gelungenem Vorgehen enorm. Als Kritiker muss man tatsächlich lange Zeit suchen, was oder ob man dem Spiel überhaupt negativ ankreiden kann.

    Commandos galt viele Jahre als Referenz des Stealth-Taktik-Genres, doch der Thron geht jetzt an Desperados 3. Hervorragend!

    Christoph
    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur