Kann Techland mit dem Nachfolger „Gunslinger“ den Kopf aus der Schlinge ziehen oder schützt nun nichts mehr vor der offenen Falltür? Wir haben in der PC Version für euch die Waffen ausgepackt und bewegen uns in den Fußstapfen der Geschichte.
Eine Lektion in Geschichte
Wer kennt sie nicht? Die Dalton Brüder, Billy the Kid, Jesse James, Butch Cassidy und wie sie alle heißen. Wir spielen Silas Greaves und genehmigen uns ein paar Drinks im Saloon. Um uns herum einige interessierte Zuhörer, welche sich unserer Lebensgeschichte widmen.
Die Saloon Szenen erleben wir in Moment-Aufnahmen im Comic Stil, gleich wie die Vorstellung unser Duell Gegner. Das Spiel an sich erleben wir als First Person-Shooter, wobei sich der Erzählstrang auch hier stets weiter schlängelt. Mit Silas schildernden Worten erleben wir gleichzeitig seinen Rachefeldzug, denn seiner Familie wurde schreckliches angetan.
Während wir uns durch großteils massiven Kugelhagel bewegen, sammeln wir sogenannte „Nuggets der Wahrheit“ ein. Diese offenbaren uns, zusätzlich zu den historischen Rückblicken im Ladebildschirm, zu 54 Einzelpersonen detailreiche Informationen aus ihrem Leben. Erfreulich für jeden Fan dieser Epoche.
Der Erzählstrang
Während sich Silas also ein Drink nach dem anderen hinter die Binde kippt, führen uns die Gegebenheiten zumeist durch bleihaltige Luft und schlauchige Missionen. Auch wenn wir uns in freier Natur befinden, die Bereiche sind stark abgesteckt. Obwohl wir durchaus den ein oder anderen Höhenvorteil haben könnten, aber das Spiel wird niemanden erreichbare Felsvorsprünge erklimmen lassen.
Da helfen auch die ein oder anderen Gedächtnislücken, sicherlich auch bedingt durch den ansteigenden Promillepegel, seitens des Erzählers nicht darüber hinweg. Die was „Wäre wenn“ Situationen, korrigierend einwerfenden Kommentare der Zuhörer und nicht zuletzt der Versuch herausfinden was Ben wirklich weiß, lassen uns einige Momente
mehrmals erleben. Dennoch wird schon früh klar, wie das Ende der Geschichte aussehen wird. Auch wenn wir kurz davor die erste und einzige wirkliche Entscheidung im Spiel zu treffen haben.
Heißer Sand und blaue Bohnen
Ansonsten treten wir Bleihagel auf Bleihagel entgegen und sichern uns so den Weg unserer Rache, denn dieses mal ist es nicht die reine Aufgabe als Kopfgeldjäger die uns vorantreibt. Leicht gesagt als getan, denn die Gegner treffen verflucht gut. Interessant, dass sie dabei alles links liegen lassen und sich ausschließlich auf uns konzentrieren. Die explosiven Fässer um uns herum, könnten den Marktplatz zehnmal in die Luft jagen, für die Büchsen der Gegner dennoch nicht relevant genug.
Als dumm wollen wir die KI nicht bezeichnen. Es sind letztlich alles Pistoleros des Wilden Westens, dennoch funktionieren Standardelemente wie Deckung suchen und Deckung wechseln. Flankenangriffen beispielsweise liegen dafür nicht im Programm.
Vergleicht man es allerdings mit aktuellen Shootern (Crysis 3, Black Ops 2) sind die Schützen nur aufgrund ihrer Zielgenauigkeit gefährlich.
Im Laufe der Zeit gewinnen wir an Erfahrung und investieren die so erzielten Punkte in einer Art Talentbaum. So werden Pistolen, Gewehre und Schrottflinten verbessert. Per Aktionstaste kann schneller nachgeladen werden, höhere Zielgenauigkeit, Schnelligkeitsboni in Duellen sorgen für eine Besserstellung im Gefecht und sind unserer Meinung nach gut gewählt worden von den Entwicklern.
Hohe Berge, tiefe Täler
Die Umgebung sieht wirklich beeindruckend aus. Sonnenstrahlen brechen sich über Gipfeln und reflektierende Wasseroberflächen sehen genauso gelungen aus, wie die wabernde Hitze über dem Boden. Tauchgänge zeigen wie das Licht durch das kühlende Nass dringt und selbst Einschußlöcher lassen die heiße Sonne nicht draußen.
Wo wir gerade beim Thema sind: Diverse Materialien halten Feuergefechten nicht auf Dauer Stand. So können wir den Revolverträgern genauso zusetzen, wie sie uns. Das zwingt teils zum ständigen Stellungswechsel unter Feuer. Da kommt doch glatt wieder dieses Western Gefühl nach oben und wir denken wieder an unsere Rache… das Ziel welches vor uns liegt.
So feuern wir aus der gerade eingenommen Position, halbwegs sicher, während die Kugeln feindlicher Schützen Pfannen, Töpfe und andere Gegenstände in Bewegung bringen.
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Die sind doch verrückt
Stets hört sich die akkustische Interpretation von Gunslinger sehr realistisch an. Sei es Silas selbst, Kugeln die uns um die Ohren fliegen und an Felswänden abprallen oder Gegenstände treffen. Nie würde uns das Gefühl verlassen am richtigen Ort zu sein.
Heranstürmende Indianer mit Tomahawks bewaffnet lassen uns mit ihrem gellenden Schrei die Waffe herumreißen, denn wenn wir nicht schnell genug sind ist es um unseren Skalp geschehen. Nur die Entscheidung ob es zeitlich vereinbar wäre den Gewehrschützen vom Felsen herunter zu holen, hält uns noch davon ab die im Kampfrausch versunkene Rothaut in einem Schwall von Blut untergehen zu lassen.
Auch wenn Call of Juarez: Gunslinger ab 16 eingestuft ist, ist der Blutgehalt des Spiels enorm. Selbst die über Steam erhältliche Version ist originalgetreu, was in heutiger Zeit schon fast an ein Wunder grenzt. Das übertreffen nur noch die Duelle.
Nah beieinander stehend und mit Adleraugen begutachtend, bereiten sich die beiden Schützen darauf vor den kalten Stahl aus ihrem Gürtel zu ziehen und dem jeweils anderen das Licht auszuknipsen. Mit der Maus halten wir dabei den Fokus auf dem Gegner, während mit den Tasten A und D die Handposition verändern um schneller ziehen zu können. Im Moment der inneren Ruhe hören wir den Herzschlag und wissen gleich ist der Moment gekommen.
Die Frage bleibt nur: Ziehen wir ehrenvoll oder gehen wir auf Nummer sicher? Wer nicht ganz so mutig ist zieht verfrüht, kassiert dafür aber weniger Punkte und somit weniger Erfahrung.
Langeweile? So schnell nicht!
Auch wenn die Story selbst in ca. 5-6 Stunden durchspielbar ist, heißt das noch lange nicht, dass alle Munition schon verschossen sei. Nach einmaliger Absolvierung der Geschichte, steht der Dritte zur Verfügung, auch als „New Game+“ betitelt. Eigenschaften hierfür sind: Kein Fadenkreuz, keine Displayanzeigen. Der Vorteil: Alle gewonnen Skills bleiben vorhanden. Wirklich viel schwieriger sind die Gegner im Vergleich zum mittleren Schwierigkeitsgrad allerdings nicht. Sie verhalten sich absolut gleich und die Zielkünste schienen für uns ebenfalls noch wirklich besser zu sein.
Zwei Möglichkeiten seine Fähigkeiten zu verbessern und sich gleichzeitig mit der Welt zu messen, sind der Arcade- und Duell Modus.
Der Arcade Modus lässt uns einige Bereiche der Erzählung nochmals sehen. Nun gilt es sich anhand von Zeit, Kombo-Punkten und zielgenauen Treffern so viel Punkte zu sammeln wie nur möglich. Die gewonnen Skillpunkte aus dem Story Bereich zählen hier allerdings nicht, der Arcade Modus hat seine eigenen Fortschritte.
Im Duell beweisen wir gegenüber 15 nacheinander antretenden Gegnern unsere Schiesskünste. Sind wir fünf mal gestorben ist der Wettbewerb beendet und das Ergebnis wird zusammengefasst.
Fazit
Call of Juarez: Gunslinger hat den Test bestanden. Endlich fühlt sich der Wilde Westen wieder so an wie er es auch tun sollte. Der stets passende musikalische Hintergrund und die sehr realistisch klingenden Schießereien sind ein großer Beitrag für das richtige Gefühl am Abzug.
Die ungefähr 6 Stunden Spielzeit sind unserer Meinung nach okay, denn danach ist, dank weltweiten Leistungsvergleichen in Arcade und Duellen, immer noch nicht Schluss. Auch der freigeschaltete Schwierigkeitsgrad lädt zum erneuten spielen ein. Ohne nennenswerten Anzeigen fühlt es sich doch noch etwas Echter an, während der Einsatz von Kimme und Korn deutlich steigt.
Mit knappen 15 Euro Verkaufspreis stimmt das Preis-, Leistungsverhältnis absolut.
Persönliches Fazit
Ich bin sicher das Gunslinger auch Spieler einsteckt die weder Genre-, noch Epochenanhänger sind. Die Atmosphäre ist dank Erzähler und persönlichem Verbindungsaufbau zum Hauptprotagonisten dicht genug, so dass die kleinen Schnitzer kaum mehr relevant erscheinen. Und nicht zuletzt erfordern die Schießkünste instinktiveres handeln. Ein zusätzlich fesselnder Faktor.
Witzigerweise musste ich schon in den ersten 15 Minuten an ein Spiel aus dem Jahre 1997 denken. LucasArts erschuf mit Outlaws damals keinen Kassenschlager, aber selbst nach 9 Jahren gab es durch die eingefleischte Community noch neue Levels. Auch Outlaws wusste zu Zeiten als Quake schon gänzlich auf Polygone setzte, durch Story, musikalischem Hintergrund und Gameplay zu überzeugen.