A Plague Tale Requiem Test / Review

    Plague Tale: Requiem feiert

    Jetzt muss es krachen

    Nach dem hochgefeierten Überraschungshit A Plague Tale Innocence (2019) war die Erwartungshaltung an das französische Asobo Studio natürlich groß. Die Fans waren ganz rattig (höhö) auf einen Plague Tale Nachfolger und damit die Fortsetzung der packenden Story. Es gab aber auch schon damals Meinungen über repetitives und ein nicht ganz „smoothes“ Gameplay. Inwieweit die Geschichte von Amicia und ihrem kranken Bruder weiter geht und wieder Fahrt aufnimmt und ob die alten Hürden überwunden werden konnten, erfahrt ihr jetzt! Ist der 2. Teil so „rattenscharf“ wie sein Vorgänger?

    Vive la France

    Wir befinden uns noch immer in Frankreich, kaum ein Jahr nach Ende des 1. Teiles. Rattenmann und Blutträger der Plage, Hugo, findet sich mit seiner Familie und Alchemielehrling Lucas in einer neuen Stadt wieder. Von Inquisition und Pest keine Spur.
    Es scheint endlich gut zu laufen für die Familie de Rune. Jedoch: 2. Teil, neue Sorgen… oder doch wieder alte? Hugo ist nach Ende des 1. Teiles noch nicht geheilt und man sucht weiterhin nach fähigen Gelehrten. Bei der Suche nach einem der großen Magister der Alchemie, stoßen wir auf abgesperrte Stadtteile und verärgerte Wachen im Waffenrock. Nach einer kurzen Schleichpassage und geschicktem Austricksen der Patrouille wird uns klar, dass auch in der idyllischen Zufluchtsstadt etwas Übles auf uns lauert.

    Schon bald brechen auch im Plague Tale Nachfolger die Ratten aus allen Öffnungen und verschlingen die benannten Wachen, jetzt im Schlafrock. Der schaurige Kampf ums nackte Überleben beginnt!

    Im Nachfolger wird direkt deutlich: Der Fokus liegt noch immer auf den tollen Charakteren und ihrer Verbindung zueinander. Es wird schon fast (aber nur fast) penetrant wie Hugo nach seiner Schwester ruft und sie sich liebevoll um ihn sorgt. Die Zwei geben ein tolles Paar ab und man fiebert sofort wieder mit. Die Mutter nimmt hier eine überraschend blasse Rolle ein. Zumeist schaut sie überfordert zu und sucht verzweifelt nach einem Heilmittel in der Alchemie. Sobald Hugo aber in einen Schockzustand verfällt, weiß sie damit kaum umzugehen.

    Zum verlieben. Wer hier nicht sofort selber nach Frankreich will, muss verrückt sein

    Da ist jemand aber gewachsen

    Bei Amicia selber gibt es einige Wandlungen. So scheint sie die Spitze ihrer Pubertät zu erreichen, denn sie fängt nun immer stärker an gegen ihre Mutter und die Obrigkeit des Alchemistenordens zu rebellieren. Hier ist das Wohlergehen Hugos wieder an erster Stelle und sie ist bereit alles zu tun.

    Verständlich nach dem ganzen Erlebten, aber trotzdem überraschend, kommen jetzt auch vermehrt Wutausbrüche dazu, denn sie hat keine Lust mehr sich von Soldaten herumschubsen zu lassen. Das zeigt sich auch in neuen Gameplay Möglichkeiten. Sie kann nun im Nahkampf Gegner betäuben und erhält eine Armbrust mit denen auch gepanzerte Soldaten zu töten sind. Dann gibt es auch noch ein Messer, welches zur Not einmalig in eines Soldaten Brust gerammt werden kann. Als Ausgleich hat man es dann in jedem Level mit deutlich mehr Gegnern als noch im Vorgänger zutun. Man kann also beruhigt sein: schleichen lohnt sich weiterhin. Von gewaltsamen Durchmetzelversuchen ist eindeutig abzuraten. Außerdem ist die Anzahl der Bolzen in der Armbrust stark beschränkt und die aufgehobenen Messer können auch benutzt werden um Truhen zu öffnen und somit an mehr Loot zu gelangen.

    Ab jetzt werden unachtsame Soldaten gnadenlos Niedergestochen. Amicia hat die Schnauze voll!

    Ratten, überall Ratten!

    Asobo Studios möchte die Diversität der Vorgehensweisen unterstützen und bietet für die meisten Level verschiedene Pfade und mehrere Möglichkeiten der… Problemlösung. Dazu gibt es einen beschaulichen Skilltree der sich je nach Umgang mit der Situation levelt.

    Tötet man z.B. mehr Soldaten, schaltet man neue aggressivere Methoden frei. Beim subtilerem Schleichen verringert sich dann die generelle Lautstärke. Es entwickelt sich also ein dynamischeres Spiel, dass auch Lust macht verschiedene Wege zu finden.

    Trotz allem fallen auch im Nachfolger von Plague Tale Innocence die Mankos des 1. Teils wieder auf, denn alles in allem wiederholen sich Segmente immer Mal wieder. Man schaffte es aber die verschiedenen Sequenzen so geschickt einzufädeln, dass man des Schleichens und Zündelns nicht müde wird. Zwar waren die Rattenmassen im 1. Teil geschickter eingefädelt, aber hier gibt es ein tolles Intermezzo mit den kreischenden Geigen und gierigen Nagern. Die Spannung wird durch gute Musik untermalt und entlädt sich in teils düsteren oder fiesen Momenten. Es wird also nie langweilig.

    In gesunden Abständen bekommt man neue Fähigkeiten und Möglichkeiten für Alicia und Hugo der nun, wie in Trailern angekündigt in Ratten schlüpfen kann. Trotzdem wirkt es, als seien die neuen Fähigkeiten nur für recht spezifische Level auserkoren und fügen sich nicht nahtlos in das gesamte Spiel ein.

    Aus allen Löchern kommen sie gekrochen. Es gibt nichts was sie aufhalten kann!

    Noone expects the Spanish Inquisition

    Die Interaktion mit der KI ist im Nachfolger hingegen sehr gut gelungen. Auf normalem Schwierigkeitsgrad gibt es keinen Freifahrtschein, wird aber auch nicht nervig anstrengend. Mit Geschick und Kalkül lassen sich die Wachen gut umgehen, es braucht aber auch immer wieder mehrere Anläufe und Geduld. Die Wachen sind nicht völlig auf den Kopf gefallen und suchen tatsächlich intensiv nach der Protagonistin. Hier muss man sich dann schnell zu helfen wissen und mit seinen Utensilien, welche in groben Mengen zur Verfügung stehen, umgehen können. Nur in sehr actionreichen und schnellen Situationen wirkt die Steuerung etwas behäbig und stellt sich der sonst smoothen Gameplayerfahrung in den Weg. Das kann in manchen Passagen wirklich nerven, da sie wegen einer kleinen Ungenauigkeit wieder von Vorne beginnen.

    Gemeinsam gegen die Welt.

    Schön und schaurig – Unser Fazit:

    Der Plague Tale Nachfolger Requiem weiß einfach wie man mit Atmosphäre umgeht. Das Spiel ist verdammt hübsch und muss dafür kein AAA-Titel sein. Abwechselnd sind hier brutale Fressorgien von Ratten in düsteren Höhlen, zwischen feindlichen Soldaten und dann wieder eine Aussicht… man will einfach nur selber dort sein. Die Liebe der Charaktere ist großartig dargestellt und findet sich in den genannten Szenen wieder. Die mit eisiger Hand klammernde Angst um Hugo auf der einen und die herzerwärmende Zuneigung der beiden Geschwister auf einer Wiese, wenn sich Alicia eine Blume hinters Ohr steckt. Dies ist zu keiner Zeit unpassend oder artifiziell.

    Man setzt hier auf bekannte Stärken und das zu Recht. Und auch wenn das Gameplay manchmal etwas ruckelt oder wieder leicht repetitiv scheint. Das alles lohnt sich für den orchestralen Aufbau, der sich in einem epischen und dramatischen Ende ergießt.

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    Henning Jansen
    Mediengestalter, Drucktechniker, Hauptwerkmeister im Justizvollzug a. D. Aktuell allerdings auf die alten Tage Student. Schwerpunkte: Retro- und Indiespiele, RPGs, Strategie und Action aus SciFi und Fantasy. Hört seltsame Musik und spielt seltsame Spiele (Ja, sogar Textadventures und ASCII-Roguelikes).