Remakes sind aktuell der große Renner. Seien es Filme, Serien oder Spiele. Die 90er-Jahre-Animes werden dabei auch nicht außer Acht gelassen.
Am 7. Januar diesen Jahres erschien Trigun Stampede – umgesetzt vom CG Studio Orange und ausgestrahlt über TV Tokyo. Trigun Stampede basiert auf der in 1998 erschienen Serie Trigun des gleichnamigen Mangas von Yasuhiro Nightow.
Das Remake kann auf Crunchyroll gestreamt werden – in OmU oder mit deutscher Tonspur. Wer zusätzlich noch in die 1998-Version schauen möchte, findet diese auf Netflix – in OmU und deutscher Tonspur.
Bei Trigun Stampede handelt es sich nicht um einen klassischen Anime, wie wir ihn gewohnt sind. Studio Orange hat hier auf eine neue Art der Animation gesetzt und die ganze Serie in einem frischen, digitalen Look gestaltet. Das war, ehrlich gesagt, anfangs etwas gewöhnungsbedürftig und hin und wieder scheint es, als seien die Charaktere eher an einer Pixar-Animation entsprungen, aber im Laufe der Serie gewöhnt man sich an den frischen Stil und fliegt förmlich durch die Folgen.
Das Review enthält SPOILER!
Review
Wir begleiten Roberto De Niro und seine neue Kollegin Meryl Stryfe auf ihrem Weg, einen Artikel über Vash the Stampede zu schreiben. Meryl ist 23 Jahre alt und gerade ganz frisch in der Welt des Journalismus angekommen.
Sie begegnen Vash recht schnell auf ihrem Weg zu Jeneora Rock. Und da beginnt auch schon die actiongeladene Story von Trigun Stampede.
Meryl und Roberto lesen Vash zufällig auf dem Weg nach Jeneora Rock auf, während dieser gefesselt neben Opfern der Banditen baumelt. Vash bringt die beiden in Rosas Bar, einer netten, schwangeren Frau und ihrem Sohn. Die Stadt hat Vash einiges zu verdanken und deswegen behandeln die Einwohner ihn auch mit Respekt.
Meryl bemerkt, dass das Wasser merkwürdig aussieht und Rosa erklärt, dass es daran liegt, dass sie das Wasser aus einer anderen Stadt importieren müssen, da die Technik in der Stadt nicht mehr funktioniere. Der Grund: Die Pflanze, die die Stadt mit Wasser versorgt, liegt im Sterben.
Und das ist der Ausgangspunkt, an dem die Story richtig Fahrt aufnimmt.
Jeder, der Trigun 1998 gesehen hat, wird sich von diesem Storyeinstieg recht verwirrt fühlen. Ich hatte Trigun irgendwann mal geschaut, aber nie wirklich hingeschaut, weshalb ich sagen muss, dass ich mich an das Original nicht mehr so sehr erinnerte, als ich Trigun Stampede schaute.
Trigun Stampede ist anders und unterscheidet sich storytellingtechnisch massiv von der originalen Erzählung. Das mag alteingesessene Fans verwirren oder auch wütend machen, aber versuchen wir, die Unterschiede herauszuarbeiten und zu verstehen.
Kommen wir erst einmal zu den Unterschieden bezüglich der Charaktere.
Charakterunterschiede zwischen Trigun (1998) und Trigun Stampede (2023)
Wer den alten Anime kennt, wird gleich auf einige Unterschiede stoßen. Und dabei geht es nicht um die doch sehr unterschiedliche Animation und das Charakterdesign.
In Trigun sind Meryl Stryfe und ihre Kollegin Milly Thompson Angestellte der Bernardelli Versicherungsgesellschaft und untersuchen die größeren Vorkommnisse, die ihre Versicherungsfirma decken soll. Diese Vorkommnisse setzen sich aus Beschädigungen von ganzen Städten zusammen, für die Vash the Stampede die Schuld tragen soll. Merly Stryfe ist eine rationale Frau, die ihren Vorgaben folgt und alles versucht, die Gründe für die Beschädigungen zu finden und zu beweisen, dass sie tatsächlich Vash zuzuschreiben sind.
Milly auf der anderen Seite ist ein gutherziger Mensch, den nahezu nichts aus der Ruhe bringt. Sie ist fröhlich, teilt unbeholfen und unglaublich naiv. Aber auf eine liebenswürdige, wenn nicht manchmal auch sehr nervige Art und Weise.
In Trigun Stampede handelt es sich bei Meryl Stryfe um eine junge Journalistin. Die Kollegin Milly Thompson existiert nicht. Dafür lernen wir Roberto kennen – der alteingesessene Journalist, der gern mal zur Flasche greift.
Diese Meryl Stryfe will mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln beweisen, dass Vash nicht der Bösewicht und Bandit ist, den alle in ihm sehen. Sie versteht sich von Anfang an recht gut mit ihm und die Beziehung wird im Verlauf der Story nur besser. Sie ist eine starke Frau mit starken Prinzipien und einem sehr vorlauten Mundwerk.
Das Charakterdesign von Vash könnte nicht unterschiedlicher sein.
Vash (1998) ist ein lauter Charakter. Er ist immer präsent, leicht naiv, extrem tollpatschig und hält sich doch stellenweise für einen unglaublichen Weiberhelden. Die meisten Frauen haben aber leider kein Interesse an ihm.
Vash (2023) hat von Studio Orange nicht nur einen frischen Haarschnitt verpasst bekommen und trägt nun zeitgemäßere Kleidung – nein! Sein gesamter Charakter scheint ein paar Stufen „heruntergedreht“ worden zu sein.
Vash galt von Anfang an als ein Pazifist – und Pazifisten verabscheuen Gewalt und setzen sie selbst nicht ein. 1998 schien dieser Begriff ein bisschen dehnbar zu sein, denn Vash schoss und verletzte im Zuge dessen Menschen – was er zwar bereut – aber es ändert nichts daran, dass er in der Lage ist, Menschen zu bedrohen und zu verletzen. Die jetzige Version von Vash hingegen tut alles Mögliche, um das zu vermeiden. Seine Pistole nutzt er zur Abschreckung oder, um zu vermeiden, dass andere verletzt werden.
Er legt Wert darauf, dass niemanden etwas passiert und es jedem in seiner kleinen Crew gut geht. Seine Charakterzüge reichen von tollpatschig und naiv hin zu verantwortungsvoll und liebenswert.
Ich muss ehrlich sagen, dass das Remake Trigun einen frischen Anstrich verpasst hat und damit auch Fans gewinnen kann, die die 1998-Version gar nicht kennen.
Storytechnische Unterschiede
Abriss der 1998-Version
Die 90er-Jahre-Version umfasst 26 Episoden. Die Geschichte steigt damit ein, dass Meryl und Milly auf der Suche nach Vash the Stampede sind. Ihre Beschreibung lautet „Irokesenschnitt, groß und rote Kleidung“ – daraufhin begegnen sie zwar einem riesenhaften Mann mit grünem Iro und einem roten Shirt, nur ist das der falsche „Vash“. Gleichzeitig befindet sich der „richtige“ Vash in dessen Fängen. Schließlich ist auf Vash the Stampede ein Kopfgeld von 60 Millionen Doubledollar ausgesetzt.
Es geht von dort aus weiter zu einem verlassenen Dorf und zu einem Geschäftsmann, der mit Wasser handelt. Vash agiert als dessen Bodyguard. Milly und Meryl klopfen bei diesem Geschäftsmann an, um ihren Ermittlungen wegen der Beschädigungen nachzugehen. Auch hier treffen sie auf Vash. Ohne jedoch zu glauben oder zu akzeptieren, dass es sich bei Vash wirklich um den berühmt, berüchtigten Banditen handelt.
In Trigun begleiten wir die beiden Damen der Versicherungsgesellschaft und Vash durch die Wüstenlandschaften des Planeten Gunsmoke. Vash begegnet den beiden Frauen jedes Mal auf ein Neues in jedem Dorf und jeder Stadt, warten Menschen, die ihm wegen des Kopfgeldes nach dem Leben trachten. Er kämpft gegen die Nebraska Familie.
Auf einem Sandschiff, das sie auf kurzem Wege von der einen zur anderen Stadt bringen sollte, werden Sie von Banditen angegriffen, die das Schiff in ihre Gewalt bringen und drohen, in einen Abgrund stürzen zu lassen. Etwas, das sie gemeinsam verhindern können!
Auf dem Weg nach Mai City sammeln die Drei dann Nicolas D. Wolfwood in der Wüste auf. Ab da an erscheint Wolfwood dann und wann und begleitet die Geschichten des unfreiwilligen Trios.
Es dauert eine ganze Weile, bis Vashs Bruder Knives eine Rolle spielt. Von „Pflanzen“ oder der gesamten Hintergrundgeschichte ist erst eine lange Zeit keine Rede. Richtig spannend wird es erst ab dem Moment, in dem Legato Bluesummers in die Geschichte eingebunden wird. Legato hat die Kontrolle über die Gung-Ho-Guns, zu denen bspw. E.G. Mine gehören.
Abriss der 2023-Version
Trigun Stampede folgt einer anderen Timeline und setzt die Geschehnisse des Originalanimes in eine andere Ordnung. Es wird von Anfang an ein festes Ziel gesetzt und und es wird sehr schnell klar, dass nicht Vash die Vernichtungen und Probleme erschafft, sondern sein Bruder Nai.
Pflanzen haben ab Folge 1 eine wichtige Bedeutung und bestimmen ab dem Moment an die Handlung der Story.
Dieser Abschnitt enthält SPOILER!
So taucht die Nebraska Familie auf um die Pflanze von Jeneora Rock zu stehlen. E.G. Mine folgt diesem recht schnell, um nach Nebraskas Versagen die Pflanze an sich zu nehmen.
Knives wird im Zuge dessen bereits nach wenigen Folgen ein Hauptbestandteil der Erzählung.
Anders als im Original steht die dritte Stadt Julai noch. Und Vash ist auf dem Weg dorthin. Meryl und Roberto begleiten ihn.
Kurz darauf sammeln sie Nicolas D. Wolfwood ein. Einem vermeintlichen Priester, der seine Rolle aber nicht so ernst nimmt, wie seine 98er-Version.
Zazi, das Biest, nimmt eine zentrale Rolle ein, begleitet das Team hier und da in einigen Folgen. Ohne ihnen jedoch dauerhaft feindlich gesinnt zu sein.
Auch in Trigun Stampede spielt das Sandschiff eine große Rolle. Auch hier wird es von Banditen besetzt und ausgeraubt. Der große Unterschied ist nicht nur die Tatsache, dass es kein Show-Down zwischen dem Banditen-Anführer und Vash gibt oder dass das Schiff auf einen Abgrund gesteuert wird. Auch ist es nicht die Tatsache, dass Wolfwood dabei ist. Nein. Es ist Vashs Verhalten und die deutliche Darstellung seiner Fähigkeiten und seines Wissens. Nicht nur beherrscht er den Umgang mit alter Technologie, die Zuschauenden werden auch Zeuge davon, welche Rolle Pflanzen spielen und welche Verbindung er zu ihnen hat.
In Julai angekommen, geht es für das Team eigentlich nur noch downhill.
Das Ende der ersten Staffel schlägt einen Haken zurück zur Originalstory. Meryl wird damit bedroht, bei schlechter „Führung“ in die Versicherungsabteilung versetzt zu werden, während ihr mitgeteilt wird, dass sie einen Grünschnabel einlernen darf. Julai ist zu dem Zeitpunkt zerstört, was damit den Bogen zur Originalstory schlägt. Auch, was das Design von Vash angeht.
Es bleibt offen, wie die „Finale Phase“ des Animes aussieht und mit welchen Ähnlichkeiten oder aufgegriffenen Storylines wir ab da an rechnen können.
Fazit
Remakes schütten immer Öl in hitzige Diskussionen. Deswegen war es auch in diesem Fall zu erwarten, dass die Meinungen auseinander gehen. Diejenigen, die sich als die-hard Fans bezeichnen, versuchen ihr Möglichstes, all die negativen Aspekte zu finden. Diejenigen Zuschauer, die Trigun (1998) nicht kennen, feiern die Serie. Und dann gibt es diejenigen unter den alteingesessenen Fans, die unterscheiden können – zwischen Neu und Alt – und sich entsprechend darauf einlassen konnten.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich der 90er-Jahre-Version des Animes nicht viel abgewinnen konnte. Ich habe die Serie gesehen und kann mir daher ein Urteil bilden. Kann, mache ich an dieser Stelle nicht, da ich – wie zuvor erwähnt – Trigun und Trigun Stampede mehr oder weniger als zwei Seiten einer Medaille ansehe. Und was ebenso wichtig ist: Es hat sich in den letzten 25 Jahren einiges getan, was Technik, Erzählart und Umsetzung angeht.
Was ich aber gut fand, ist die Tatsache, dass man direkt verstanden hat, worum es in Trigun Stampede ging, während man bei Trigun eine sehr lange Zeit in der Luft hing und erst den Brotkrumen folgen musste.
Das frische Design und die komplette Umsetzung durch CGI ist neu und wird uns wahrscheinlich in Zukunft in mehr Animes begegnen. Was nicht schlecht ist, dass es klappt wurde immerhin mit NieR:Automata bewiesen. Man gewöhnt sich daran und ich fand es sogar hinterher sehr angenehm, die Folgen zu schauen. Die Animation ist flüssig, sehr schön anzusehen und auch in schnelllebigen, actionreichen Szenen wirklich wunderbar umgesetzt.
Ich mochte vor allem Vashs Charakterdesign von Anfang an, weil es etwas Zeitgemäßes und Modernes hat. Auch seinen Charakter fand ich sehr erfrischend, da es sich dabei mal um eine andere Art von Held handelt. Keinen eiskalten, abgeklärten Kerl, sondern um jemanden, der sich trotz all der schlechten Dinge etwas Kindliches und Naives behalten hat. Vor allem in einer Welt wie der, in der Vash und seine Crew leben.
Darüber hinaus bin ich ganz froh, dass Milly kein Teil dieser Crew war und wir stattdessen mit Roberto zu tun haben. Das ist aber eher eine persönliche Einschätzung, da ich Milly aus der Urserie doch sehr anstrengend empfunden habe. Roberto hingegen ist so ein entspannter Kerl mit einer ruhigen Art, die einem das Gefühl gibt, als habe er schon mit der Welt und den Umständen abgeschlossen. Er will einfach nur seinen Job machen und wird durch seine neue Kollegin immer wieder mit in das Schlamassel hineingezogen.
Wer also am Wochenende einen actiongeladenen Anime sucht, den man in ein paar Stunden durchschauen kann, ist mit Trigun Stampede sicherlich gut bedient.
Dieses Review spiegelt die Meinung eines Redakteurs wider, nicht die der gesamten Redaktion.