Es gibt Filme, die auch Jahrzehnte nach ihrem Release nichts von ihrer Faszination verloren haben.
Sei es, weil sie prägend für ein ganzes Genre waren; weil sie die Computertechnologie (Stichwort: CGI) im Filmemachen salonfähig gemacht haben oder weil sie von vielen Zuschauern so verehrt werden, dass sie beinahe zu einer Religion geworden sind (Star Wars oder auch Star Trek wären hier als Beispiele zu nennen).
Aber es gibt auch Filme, die trotz ihrer eigentlich einfachen Thematik so traurig und doch so gut sind, dass sich eine loyale Fanbase um diese Filme gebildet hat.
In unserer neuen Reihe „Filme ohne Verfallsdatum“ (Name in Anlehnung eines regelmässigen Events des Pforzheimer Kommunalen Kinos ) möchten wir hier Filme zeigen, die trotz ihres Alters prägend für eine ganze Generation waren. Beginnen möchten wir mit einem Klassiker aus dem Jahre 1994, „The Crow – Die Krähe“, basierend auf einem Comic des Zeichners James O’Barr.
Handlung
Es ist die Nacht bevor sich Rockmusiker Eric Draven (Brandon Lee) und seine Verlobte Shelly Webster (Sofia Shinas) das Ja-Wort geben wollen…
Es ist „Teufelsnacht“, die Nacht vor Halloween:
Kriminelle ziehen durch die unsagbar düstere Stadt, brandschatzen und tyrannisieren die Einwohner. Vor allem die Männer des Gangsters Top Dollar (Michael Wincott) kennen keine Gnade. Sie überfallen Eric und Shelly in ihrer Wohnung und Eric muss hilflos mit ansehen, wie die Gang seine Verlobte vergewaltigt und anschließend ermordet, bevor sie auch ihn tötet.
Ein Jahr nach dem Verbrechen steigt Eric aus seinem Grab, an seiner Seite eine Krähe als ständiger Begleiter. Sie hat ihn zum Leben erweckt, sie verleiht ihm übernatürliche Kräfte, durch ihre Augen sieht er alles – auch seine und Shellys Mörder. Sie können ihm nicht entkommen – es ist nur eine Frage der Zeit, wann und wo die Krähe Rache nimmt…
Hintergrund
Wenn man über „The Crow – Die Krähe“ redet, kommt man unweigerlich zum traurigsten Fakt, den dieser Film zu bieten hat: den Tod des Hauptdarstellers Brandon Lee am 31. März 1993.
Lee, Sohn des legendären und ebenfalls viel zu jung verstorbenen Bruce Lee, hätte mit diesem Film mit Sicherheit seinen endgültigen Durchbruch in Hollywood geschafft und wäre aus den viel zu großen Fußstapfen seines Vaters herausgetreten. In diesem Streifen zeigte er ein Können, auf welches sein Vater mit Sicherheit stolz gewesen wäre.
Was war passiert? Bei der Überfallszene in der Wohnung des Paares Eric Draven und Shelly Webster war geplant, dass Draven mit einer Einkaufstüte vor der Brust durch die Tür schreitet und von einem der Gangster, Funboy (Michael Massee) erschossen wird.
Die Produktion, welche sich bereits im Zeitverzug befand, hatte an diesem Abend keinen Waffenspezialisten (dieser wurde bereits nach Hause geschickt) und der Revolver, eine Smith & Wesson Model 629, wurde mit einer Platzpatrone befüllt. Allerdings wurde für eine Nahaufnahme in einer vorherigen Szene aus Kostengründen auf kommerzielle Dummys verzichtet, und aus einer echten Kugel wurde das Schießpulver entfernt (dies diente dem Dreh einer Nahaufnahme, in der man die Kugel in der Mündung der Waffe sehen sollte). Beim Entladen nach dieser Szene wurde allerdings das Zündhütchen der Kugel betätigt, so dass die Kugel in die Mündung getrieben wurde.
Beim Dreh der Todesszene von Eric Draven wurde diese Kugel von dem zugeteilten Effekt-Assistenten übersehen (der echte Spezialist war bereits heimgeschickt worden), und die Waffe wurde mit einer Platzpatrone geladen. Dieser Fehler sollte Lee das Leben kosten, da die feststeckende Kugel (die keiner bemerkt hatte) durch den Druck der Platzpatrone mit beinahe der selben Kraft aus der Mündung gefeuert wurde wie eine echte Kugel. Lee wurde aus einer Entfernung von 12 – 15 Fuß (ca. 4 bis 5 Metern) in den Bauch getroffen und fiel rückwärts um. Im Drehbuch war vorgesehen , dass er nach vorne umkippt. Die Crew, die erst an einen perfekten Take dachte, weil Lee improvisiert habe, stellte kurz darauf fest, dass Lee einen kleinen Einschnitt hatte, und ließ ihn direkt ins Krankenhaus transportieren, in dem er nach einer sechsstündigen Not-Operation für tot erklärt wurde.
Lange war nach dem Tode Lee’s unklar, ob man den Film überhaupt veröffentlichen würde. Der tödliche Unfall ereignete sich im März 1993, der Release war weit mehr als ein Jahr später. Problematisch stellte sich die Tatsache heraus, dass Lee noch drei Tage zum Drehen gehabt hätte.
Nach einem langen Rechtsstreit – unter anderem aus versicherungstechnischen Gründen – und der Fürsprache von Lee’s Mutter – Linda – und seiner Verlobten Eliza Hutton wurde beschlossen, den Film zu Ende zu bringen, um Lee ein filmisches Denkmal zu setzen.
Die fehlenden Szenen wurden mit Hilfe des Stuntdoubles und persönlichem Freund von Lee – Chad Stahelski, Regisseur der späteren Hits John Wick und John Wick: Chapter 2 – und Computertechnologie vollendet, was zur damaligen Zeit und dem damaligen Budget – 15 Mio. US$, welches von Paramount noch einmal um 8 Mio. US$ aufgestockt wurde – revolutionär und teuer war.
Michael Massee – der Schauspieler, welcher die tödliche Waffe während des Drehs bediente – kam über dieses Drama nie hinweg und sagte wenige Jahre vor seinem Tod im Jahre 2016, dass man mit so einer Schuld niemals leben könne und er regelmäßig Alpträume habe.
Fazit
Ein Film, der – trotz der eher ausgelutschten Thematik des Revenge-Genres – eine bleibende Erinnerung hinterlässt. Nicht nur, dass Lee die Rolle des Eric Draven für 102 Minuten zum Leben erweckt und den Schmerz, den sein Charakter antreibt, mitfühlen lässt. Wenn man sich über das typische „Gucken und Vergessen“ hinwegsetzt und sich auch mit den Hintergründen beschäftigt – der Film wurde u.a. Brandon Lee und seiner Verlobten gewidmet, die er kurz nach Drehschluss heiraten wollte – so hat man hier einen Film, der einen einfach berühren muss.
Auch wenn Lee mit seiner Rolle alles andere überstrahlt, so spielen auch die restlichen Cast-Mitglieder – unter anderem Tony Todd (Final Destination, Candyman), Ernie Hudson (Ghostbusters I & II), Michael Wincott (Robin Hood, Alien – Die Wiedergeburt) und Bai Ling (Wild Wild West, Crank 2 – High Voltage) – ihre Rollen ausgezeichnet.
Die Geschichte selbst ist natürlich vom Übernatürlichen beeinflusst – ein Toter wacht nach einem Jahr wieder auf und nimmt Rache an seinen Peinigern, und ist dank seiner Krähe beinahe unverwundbar – bietet aber auch gelegentlich Zeit zum Nachdenken. Die Bösewichte sind – mit Ausnahme des Gang-Anführers T-Bird – allesamt Kanonenfutter bzw. Futter für die Würmer. Oder wie es Draven in einer Szene formuliert:
Sie sind alle tot. Sie wissen es nur noch nicht.
Der Gang-Anführer T-Bird stellt hier allerdings einen Sonderfall dar. In der Szene seines Todes sieht man, wie er von Draven in seinem Auto gefesselt wird und er den ihm anfangs Fremden darum anfleht, ihm zu erklären, was dies alles solle. Nach einer kurzen Rückblende stellt er dann erschrocken fest, dass der vor ihm stehende Mann genau jener Mann ist, den er und seine Gang ein Jahr zuvor erschossen und dann aus dem Fenster geworfen haben. In diesen Moment kann man interpretieren, dass der Böse – dem Menschenleben egal sind – feststellt, dass es ein Leben nach dem Tode gibt und man sich im Nachleben seiner Taten verantworten muss.
Was den Film und sein Drumherum allerdings besonders nachdenklich machen und traurig stimmen, sind die Worte Brandon Lee’s in seinem letzten Interview, welches er 1993 gegeben hat.
Er zitierte aus dem Roman The Sheltering Sky (dt. Himmel über der Wüste) des Autors Paul Bowles, und später wurde dieses Zitat als eine dunkle Ahnung Lee’s dargestellt. Ob dies stimmt, kann keiner mit Sicherheit sagen; allerdings war das Zitat so prägend, dass es auf Brandon Lee’s Grabstein graviert wurde:
Because we don’t know when we will die, we get to think of life as an inexhaustible well. And yet everything happens only a certain number of times, and a very small number really. How many more times will you remember a certain afternoon of your childhood, an afternoon that is so deeply a part of your being that you can’t even conceive of your life without it? Perhaps four, or five times more? Perhaps not even that. How many more times will you watch the full moon rise? Perhaps twenty. And yet it all seems limitless…
Ruhe in Frieden, Brandon Lee.