Babylon – Im Rausch der Ekstase: Filmreview

    Durch die Trailer war es schwer zu sagen, was da auf uns zu kommt. Nach dem Schauen des Filmes ist es schwer zu sagen, was geschehen ist. Der Film kreiert Stimmung, eine etwas bipolare Stimmung. Das klingt jetzt erst mal weit hergeholt, aber lasst mich erklären.

    Worum es geht

    Es gibt nicht allzu viel Einzigartigkeit in Damien Chazelles neuen Film. Den Rausch der 20er hat man zu hauf in anderen Filmen und Serien erlebt. Drogenexzesse sind für uns einfach nicht mehr der Schocker. Auch die Charaktere trumpfen nicht mit Individualität. Auf der einen ein alter Star (Brad Pitt), der langsam aus der Blüte seiner Zeit fällt. Ihm gegenüber eine junge anstrebende „Göre“ (Margot Robbie) und ein zurückhaltender, aber nicht weniger williger Emporkömmling (Diego Calva) die groß sein wollen. Durch sie erfahren wir das Showbusinness zurzeit als der Stummfilm vom Tonfilm übernommen wird.

    Das Erlebnis

    „Im Rausch der Ekstase“ heißt der Film im deutschen. Das muss er also bringen. Und das tut er. Die Kamera in Kombination mit der Musik tanzt uns um die Ohren. Hier bleiben Ohrwürmer hängen und LaLaLand Liebhaber dürfen sich freuen. Chazelle zeigte schon mit Whiplash und eben genanntem LaLaLand wie inspirierend Musik sein kann. Wir schwingen mit, lachen und haben Spaß. Der Exzess wirkt authentisch, nicht unnatürlich aufgesetzt. Es grenzt von Bildern, die wir selber schon einmal sahen zu Szenen, die absurd genug sind, dass man sie eben genau dort in Hollywood verbuchen würde.

    Kein Stück kommt ohne die imposante Trompete von Jovan Adepo aus

    Aber ist da genau das Problem? Wenn es so selbstverständlich wirkt, dass man sagt: „Ja glaube gut und gerne, dass es so aussah. Wahrscheinlich noch übler.“
    Der Schock fällt auf jeden Fall aus. Dafür wird die Lust des Teenagers gepackt und der Hedonist in uns möchte sicherlich mitfröhnen. Es ist also alles Spaß, denn die Probleme werden kaum zu Gesichte gebracht. Oder?

    Kritik am System oder Kritik an der Kritik?

    Schnell wird von Glorifizierung geredet. Viele meinen, die Fürchterlichkeiten der Zeit werden nicht richtig angesprochen und wir auch nicht emotional in sie einbezogen. Doch hier wird eben nicht mit dem fetten Kolben geschlagen. Chazelle macht es uns nicht ganz so einfach. Stattdessen ist es subtiler. Nach jeder Luststelle erfahren wir das Nebenspiel. Die Konsequenz des Systems. Es wird dir nicht emotional aufgedrückt, aber wir wissen ja Bescheid. Sexismus, Rassismus, der Verkauf eines Selbst. All das sind bekannte Geschichten und so können wir, angeregt von den kurzen Szenen, uns genug selbst erklären. Kleinste Hinweise und Andeutungen lassen klar werden, was eigentlich hinter der Fassade schwebt.

    Nicht zufällig erinnert der leitende Produzent der Filme in Babylon an Harvey Weinstein

    Dieses Spiel von Hoch zu Tief macht die genannte Bipolarstimmung aus. Kein Film zuvor spielt so sehr mit dem Stilmittel, einen emotionalen Moment einfach rasch und brutal aufzubrechen. Es wirkt in diesem Sinne sehr gewollt und man könnte meinen, es solle das Leben im Showbiz selbst beschreiben. Vom Amphetamin Rausch direkt zum Entzug. Jedes Mal äußerst gelungen.

    3 Stunden Rausch

    Vielleicht hätte man selber etwas Koks nehmen sollen, denn Richtung Ende verliert sich der Film nämlich leicht in seinem Spiel. Die Melodramatik der nicht lernen wollenden Margot Robbie, ein weiterer Absturz nach einem kurzen Moment des Erfolges und der konstante Versuch, noch einen drauf zu setzen.

    Irgendwann ist auch der größte Spaß ermüdent

    In der ersten Hälfte wollten wir noch immer mehr. Prunk, Spaß und Liebe. Langsam hat man dann aber genug des Emotionschaos. Es wird aber immer noch ein weiteres Mal düsterer und übler.
    Der Film zeigt zum Ende zwei Schlüsselszenen, die unsere Charaktere erdigen und der Realität ins Auge blicken lassen. Diese hätten aber schon deutlich früher kommen sollen und den Film beenden können. Die Aussage wäre dieselbe geblieben.

    Fazit

    Der Film hat seine Probleme, aber schafft auch einiges. Einerseits ist er mehr Unterhaltung und eine kleine Reise in den titelgebenden Rausch als wirklich neue Einblicke und Ansätze. Zum anderen ist er nur in einigen Szenen wirklichen spannend. Brad Pitts wütender Ausfall und der Dialog mit einer Journalistin sind die seltenen ergreifenden Momente.
    Dafür ist es aber lange Zeit unterhaltsam, zeigt eine Liebe zum Film und macht Lust. Zudem zeigt es einen guten Kommentar zum Thema befriedigtem Leben und dem Streben, gefangen in der menschlichen Sterblichkeit. Nicht originell, aber wohl gelungen.

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    Mehr Informationen

    Henning Jansen
    Mediengestalter, Drucktechniker, Hauptwerkmeister im Justizvollzug a. D. Aktuell allerdings auf die alten Tage Student. Schwerpunkte: Retro- und Indiespiele, RPGs, Strategie und Action aus SciFi und Fantasy. Hört seltsame Musik und spielt seltsame Spiele (Ja, sogar Textadventures und ASCII-Roguelikes).