Uwe Boll.
Für jeden Gamer ist dieser Name wohl ein absoluter Schrecken.
Nicht genug, dass er als legitimer Nachfolger von Ed Wood gesehen wird; es gab eine Phase im Leben dieses Mannes, in der er dachte, uns Gamer mit Meisterwerken beglücken zu müssen.
Glück allerdings hatten laut einhelliger Meinung nur die, die sich vehement geweigert haben, sich auch nur ein Machwerk dieses Mannes anzusehen.
Sei es Far Cry, House of the Dead, Bloodrayne, Dungeon Siege oder Alone in the Dark; jede Spielserie, die auch nur ein Minimum an Coolness besaß, wurde von Boll genommen und zum Film verarbeitet. Und dafür von der Gamergemeinde gehasst.
2007 dann sollte er einen Film bringen, dem von vielen Seiten direkt keine Chancen eingeräumt wurden.
Ein Spiel, welches (laut einhelliger Meinung vieler Nicht-Gamer) vor Menschenverachtung nur so strotzt?
Als Verfilmung?
Von Uwe Boll?
Kann das funktionieren?
Als Gamer bekam man bei dem Namen des Regisseurs, wie erwähnt, bereits steife Nackenhaare.
Ob die Verfilmung von Postal der Vorlage gerecht wird, der Film Spaß macht und Uwe Boll vielleicht doch mal einen Film gemacht hat, den man nicht sofort in die Tonne kloppen will, soll uns dieses Review näherbringen.
Story
[quote]Der arbeitslose, verarmte Dude lebt mit seiner stark übergewichtigen und untreuen Frau Bitch in einer kleinen, heruntergekommenen Wohnwagensiedlung in der Kleinstadt Paradise im US-Bundesstaat Arizona. Um seiner bedauernswerten Misere zu entkommen und seine finanzielle Situation endlich zu verbessern, schließt er sich mit seinem Onkel Dave zusammen, der das Oberhaupt einer apokalyptischen Sekte ist. Dieser beabsichtigt, die begehrten Krotchy-Puppen vor ihrem Erstverkauf zu stehlen, da diese durch ein Schiffsunglück stark im Wert gestiegen sind.[/quote]Vergleich zum Spiel
Vom Spiel zum Film
Dass man bei einem Spiel wie Postal eine sehr niedrige Hemmschmelle haben muss, ist alleine durch die Indizierung klar. Wie man weiß, ist die BPjM rigoros, was Gewalt gegen Menschen und Tiere angeht; und folgerichtig ist dieses Spiel auch nur für Volljährige erhältlich.
Der Film wiederum hat eine 16er-Freigabe erhalten, was bei manchen Szenen fragwürdig ist, aber die FSK wird wissen, was sie getan hat.
Als Beispiel sei hier nur die Anfangsszene genannt, in welcher sich zwei Terroristen im Flugzeug darüber streiten, wieviele Jungfrauen sie denn nun nach dem Flugzeugattentat (eine eindeutige Anspielung auf 9/11) zu erwarten haben. Als ihnen Osama Bin Laden am Telefon mitteilt, dass er ihnen die ursprünglich 100 versprochenen Jungfrauen nicht garantieren kann (sondern „vielleicht 20“), wollen sie umdrehen; während die Passagiere ins Cockpit stürmen und den Flieger zum Absturz bringen.
Weitere Beispiele: in der Behörde, in der sich der Postal Dude einfindet und in der jemand durchdreht und durch die Gegend ballert, während unser „Held“, auf dem Boden rumkriecht, um eine niedrigere Nummer zu ziehen, nur um dann mitgeteilt zu bekommen, dass die Behörde nun geschlossen hat.
Der schwarze Polizist, der eine Asiatin auf offener Straße einfach erschießt, um seinen Kollegen (gespielt von Ralf Moeller) dann mitzuteilen, dass sie ihn einen „Ni**er“ genannt hätte.
Das alles kann man als schwarzen Humor sehen, und viele Gags zünden auch; zumindest für einige Sekunden.
Der Vorlage gerecht wird der Film; manche Charaktere sind einfach so witzig und gleichzeitig so dumm, dass man sich ein Grinsen nicht verkneifen kann.
Szenen wie die, in denen die beiden Polizisten des Dude’s Frau – Bitch – in deren Wohnwagen beglücken oder der Dude einfach gejagt wird, obwohl er nichts getan hat, waren ja schon in der Vorlage zu finden; und auch im Film kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Auch viele Dinge, die die Vorlage ausgemacht haben (der Katzen-Schalldämpfer, gewalttätige „Make Peace, not war“-Demonstranten; korrupte Bullen, wohin man blickt) wurden eingebaut, vermissen tut man natürlich diverse Dinge; aber das Medium Spiel hat eben den Vorteil, dass hier der Fantasie kaum Grenzen gesetzt sind; was – insbesondere im Falle von Postal – für manch zartbesaitete Seele allerdings doch wünschenswert gewesen wäre.
Die Schauspieler oder: ich sch*** auf’s ERNSTL! Gebt mir ein U
Es gibt gute und schlechte Schauspieler, das ist ein Fakt, den niemand abstreiten kann. Die Guten und Schönen kommen in AAA-Filmen mit gewaltigem Budget zur Geltung, die Schlechten oder Vergessenen prügeln sich offensichtlich um die Rollen in B-, C– oder gar D-Produktionen.
Bei Streifen, in denen Uwe Boll Regie führt und auch noch für das Drehbuch verantwortlich ist und eventuell sogar eine kleine Rolle innehat, denkt wohl manch ein Kritiker sofort an den Buchstaben U; und die Schauspieler, die in solchen Streifen mitwirken, müssen sich dann oft viele Worte oder Sätze mit U gefallen lassen, zum Beispiel
- unterirdisch (e Schauspielleistung)
- unmöglich (es Drehbuch)
- unbeschreiblich (schlecht)
- unfassbar (idiotisch)
- unglaublich (grausam)
- und so weiter…
Aber, allen Unkenrufen zum Trotz machten die Schauspieler in Postal ihre Sache nicht so schlecht, wie man meinen könnte. Ganz im Gegenteil: man sieht sogar, dass manche in ihrer Rolle einfach aufgegangen sind und Spaß hatten.
Manche Menschen scheinen sich im Spielen von unterbelichteten Vollidioten so sehr hineinzufühlen, dass man ihnen diese Rollen einfach abkauft.
Und wer sich jetzt gefragt hat, ob der lustige kleine Mann mit dem freundlichen, kleinen Stinkefinger nicht auch in den drei Austin Powers Filmen mitgespielt hat: doch, hat er.
Ob eine Rolle in einem Film von Uwe Boll nun eine sonderliche Verbesserung seines schauspielerischen Könnens darstellt, kann wohl nur er selbst beantworten. Auch über die Bezahlung ließe sich streiten; aber im Film sieht man ja, wie er zu seinem Geld kommt; was uns wieder zum Herrn Regisseur bringt.
Boll selbst spielt übrigens einen Cameo; hier verrät er auch (hoffentlich scherzhaft), wie er seine Filme und auch seine Darsteller bezahlt; die Antwort dürfte folgende Montage geben; diese Schilder sind im Little Germany (welches wohl einst ein Little Holland war) zu sehen und man denkt sich: lieber Herr Boll, eigentlich geht so etwas ja nicht…oder?!
Man kann jetzt natürlich darüber streiten, ob man so etwas schlimm finden soll oder nicht; passend zum gesamten Setting sind diese Schilder und auch die Anspielungen auf das typisch deutsche Verhalten; mit Bratwürsten, Bier, Deutschland-Fähnchen und natürlich dem obligatorischen Hitler-Bärtchen, welches unser Held gemeinsam mit ein paar Chics verwendet, um unauffällig in Little Germany die Krotchy Dolls zu entwenden, um damit Kohle zu machen.
Sissi oder: soll man die Bombe lieben?
Den gesamten Film über stolpert unser Anti-Held – getreu dem Spiel – von einer abstrusen Situation in die nächste, und nachdem Little Germany gestürmt wurde; Boll gegen Vince Desiderio – einem der Entwickler der PC-Fassung von Postal nebst Fortsetzungen – gekämpft hat (und dabei drauf geht, wie sämtliche Besucher von Little Germany) und Osama bin Laden sich mit der Erziehung seiner Jünger schwer tut und dagegen etwas unternehmen will, kommt es im Finale zum Showdown und zur Vernichtung Amerikas, oder zumindest von Paradise…zumindest lassen das die 30 Atomsprengköpfe erahnen, die von einer für den Wahnsinn verantwortlich gemachten Nation abgefeuert werden.
Fazit (Sascha)
Uffz. Ich habe Postal damals – kurz nach Release – zum ersten Mal gesehen und war entsetzt. Nicht, weil ich mit der Spiele-Vorlage keinen Spaß hatte – ganz im Gegenteil – sondern weil ich mich fragte: warum muss Uwe Boll jedesmal ein Häufchen draufsetzen? Reichen die bisher in den Sand gesetzten Verfilmungen nicht aus?
Aber als alter Film-Liebhaber gebe ich vielen Filmen eine zweite Chance, und so kam auch Postal kürzlich wieder in den Player.
Nachdem Boll irgendwann wohl die Einsicht hatte, dass er von Verfilmungen von Videospielen die Finger lassen sollte und mittlerweile einiges an Gras über seine Werke gewachsen ist, dann muss man einfach zugeben: der Mann wird verkannt. Er ist beileibe kein Genie – jedenfalls nicht im Filme drehen – aber er weiß zu provozieren und, ich traue es mich gar nicht zu schreiben…der Film Postal macht manchmal sogar Spaß.
Es gibt einige Filme von Boll – ganz besonders seine Verfilmungen von Videospielen – die ich heute noch am liebsten in der Luft zerreissen würde, aber bei Postal habe ich, nun nach Jahren, zum ersten Mal Spaß gehabt und sogar versöhnliche Töne für den Regisseur übrig.
Ich denke, man muss es klar sehen: Postal ist, im Film wie im Spiel, einfach eine gewaltige Satire auf das Leben. Schwarzer Humor, wohin man auch blickt. Wenn es eine dunklere Farbe gäbe, dann wäre der Humor sogar noch dunkler; und selbst hier hätte Boll kaum etwas falsch machen können.
Der ewige Versager, der doch mal zum Helden wird; und sei es nur, wenn er seine schlampige und fette Frau in die Luft sprengt, weil er von ihr einfach die Nase voll hat.
Die menschenverachtende Grundhaltung und der Irrwitz, den die Vorlage ausgemacht haben, wurden im Film, meiner Meinung nach, recht gut eingefangen.
Natürlich ist der Film kein Meisterwerk – man muss es leider sagen: bei diesem Regisseur ist das auch nicht zu erwarten, selbst wenn er 100 Jahre alt werden würde – aber für eine gesellige Runde mit viel Alkohol im Spiel kann der Film durchaus Stärken haben.
Aber, kleiner Tipp: solltet ihr den Film mit Freunden schauen, die von Videospielen keine Ahnung haben, dann belasst es dabei. Und erwähnt nicht, dass der Film von Uwe Boll ist; das ist meistens bereits ein KO-Kriterium, sogar für Nicht-Gamer 😉
Fazit (Sammy)
Manche Filme sind so schlecht, das sie schon wieder gut sind. Diesen Satz kennt jeder und bei manchen Filmen von Uwe Boll mag das auch stimmen. Allerdings springe ich nicht auf den Hate-Zug auf, denn dafür fand ich Postal viel zu unterhaltsam. Ich kann mir den Streifen immer wieder anschauen und erneut über die gleichen Gags lachen. Auch wenn ich zugeben muss das man auf diese Art von Humor wohl stehen muss. Leider hat es nicht mit dem Versuch über Kickstarter geklappt einen zweiten Teil zu drehen. Freuen würde ich mich nämlich allemal Dr. Boll in Little Germany zu sehen. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf und bis dahin bleibt mir leider nichts übrig als den Film immer wieder zurück zu Spulen 😉