Little Nightmares III beginnt, wie es beginnen sollte: mit Schweigen. Nur dieses Mal sind es anstatt einer, zwei Kinderfiguren, klein und verloren. Sie mühen sich durch eine Welt, die nichts Gutes für sie anzubieten hat. Little Nightmares III, entwickelt von Supermassive Games und veröffentlicht von Bandai Namco Entertainment, bleibt der Ästhetik seiner Vorgänger treu: groteske Architekturen, überdimensionierte Bedrohungen und einem Lichtdesign, das mehr verschlingt als es enthüllt. Mit Little Nightmares III übernimmt Supermassive Games das Ruder von Tarsier Studios und steht damit vor einer heiklen Aufgabe: den düsteren Zauber der Reihe fortzuführen, ohne ihn bloß zu reproduzieren. Das Ergebnis ist ein Spiel, das visuell genau den beklemmend schönen Albtraum liefert, den wir erwartet haben, uns jedoch emotional kaum in seinen Bann zieht.
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Storytelling: Die Kunst des Andeutens bleibt auf der Strecke
Gleich zu Beginn offenbart Little Nightmares III seine inszenatorische Kraft. Zwei Kinder, Low und Alone, bewegen sich durch eine Welt, die aus den Trümmern vergessener Träume zu bestehen scheint. Ein gigantisches Porzellanbaby streckt seine Riesenhand nach ihnen aus, während sie sich durch zerbrochenes Spielzeug und träge Schatten schleichen.
Die Kulisse ist atemberaubend und erinnert an die schaurig-schöne Morbidität eines Tim Burton-Films, an jene feine Balance zwischen Grauen und Poesie, zwischen kindlicher Fantasie und dem unheimlichen Gefühl, dass nichts hier wirklich sicher ist.
Doch so beeindruckend die Szenen auch gezeichnet sind, so auffällig ist die inhaltliche Leere in ihnen. Die wortlose Erzählkunst, einst Markenzeichen der Reihe, verkommt hier zu einer Aneinanderreihung von Spielmechaniken – Flucht, Rätsel, Bewegung. Little Nightmares III will, wie die Vorgänger, eine Gruselgeschichte ohne Worte sein, aber scheitert an der herausfordernden Kunst des Andeutens. Die beiden Protagonisten bleiben Projektionsflächen ohne Innenleben. An den Stellen, an denen Six und Mono die Angst greifbar machten, scheinen Low und Alone nur zu reagieren, als hätte man ihnen das Empfinden von Schrecken abtrainiert.

Der Koop-Modus: Kooperation ohne Verbindung
Die größte Neuerung, der Koop-Modus, war im Vorfeld zugleich das größte Versprechen an die Community. Zwei Kinder, zwei Perspektiven und dementsprechend auch zwei Möglichkeiten, den Grusel nicht nur zu erleben, sondern auch zu teilen. In der Theorie hätte das Spiel die emotionale Dynamik von It Takes Two mit dem düsteren Konzept von Little Nightmares verbinden können. Nach zwei Teilen, die man ausschließlich allein durchstehen musste, wirkt das gemeinsame Erkunden dieser stillen, bedrückenden Welt zunächst wie eine gelungene Weiterentwicklung der Reihe. Wenn man sich gegenseitig Türen öffnet, zusammen vor monströsen Figuren flieht und in Momenten der Panik gemeinsam verzweifeln kann, dann spürt man, dass hier etwas hätte entstehen können, das der Serie bislang gefehlt hat.
Doch dieses neue Potenzial flackert nur kurz auf. Die Umsetzung bleibt hinter der Idee zurück. Die Kooperation fühlt sich selten organisch an, sondern folgt starren Abläufen. Wo Spiele wie It Takes Two oder Split Fiction echte Nähe inszenieren, sowohl emotional als auch game-mechanisch, bleibt Little Nightmares III beim bloßen Nebeneinander. Der Koop trägt das Spiel, aber er rettet es nicht. Zu oft erinnert der unausgereifte Koop-Modus daran, was hätte sein können, und daran, dass Little Nightmares III erzählerisch wie spielerisch hinter seinen eigenen Erwartungen zurückbleibt. Low trägt einen Bogen, Alone einen Schraubenschlüssel. Gemeinsam öffnen sie Türen, schieben Kisten, lösen einfache Schalterrätsel. Was als emotionale Bindung gedacht war, reduziert sich auf Mechanik: Zieh hier, springe dort, halte da fest. Little Nightmares III verwechselt Kooperation mit Gleichzeitigkeit, und verschenkt damit seine größte Chance.

Das Leveldesign: Die Ästhetik des Schreckens
Visuell bleibt das Spiel ein Triumph. Die Umgebungen sind unterschiedliche Lost Places, die auf unheimliche Weise verzerrt, leer und kaputt sind: eine tote Stadt, ein unheimlicher Vergnügungspark und eine zerfallene Anstalt. Diese Räume sind präzise komponiert, jedes Level ein groteskes Diorama aus Schmutz, Angst und Erinnerung. Besonders The Carnevale ragt hervor: bunte Masken, verlassene Stände, das fahle Leuchten vergilbter Glühbirnen etablieren eine Kulisse des Verfalls. Hier zeigt sich Supermassive Games von seiner besten Seite: in der kunstvollen Darstellung jener Ambivalenz zwischen Schönheit und Verfall, die das Herz der Serie seit jeher ausmacht.
Das letzte Drittel, geprägt von einer besonderen Lichtmechanik, ist zugleich das gelungenste: dichter, mutiger und endlich etwas poetischer. Erst hier findet das Spiel jene Balance zwischen Symbolik und Spannung, die es in den Stunden davor vergeblich sucht. Man spürt, was Little Nightmares III hätte sein können.

Gameplay: Ritual statt Reise
Das Gameplay wiederholt sich wie eine albtraumhafte Maschine. Man bewegt sich von links nach rechts, schiebt Objekte, flieht vor einer Bedrohung, die meist zu spät erklärt, was sie von einem will. Viele Sequenzen wirken wie Trial and Error: Man stirbt, lernt, stirbt erneut, bis der Ablauf sitzt. Die Schrecken sind imposant, aber berechenbar.
Und doch: In diesen Momenten, wenn man sich in einem engen Schacht versteckt, während ein mechanischer Riese vorbeiwankt, spürt man wieder, was diese Serie eigentlich ausmacht: Nachhaltige Spannung, die ohne Musik auskommt, ohne Schreie und ohne Dialog. Es bleibt nur die angespannte Atmung in der Dunkelheit. Aber sie bleibt punktuell, nie organisch.

Little Nightmares III: Das Vermächtnis einer Ästhetik
Man kann Little Nightmares III nicht komplett ablehnen. Dazu ist es zu sorgfältig gebaut und zu stimmungsvoll inszeniert. Doch man kann ihm den atmosphärischen Kern, der in den ersten beiden Teilen überwältigend war, absprechen.
Supermassive beweist handwerkliches Können, aber keine eigene Vision die Reihe voranzutreiben. Sie reproduzieren die Gestalt des Albtraums ohne seine ursprüngliche Bedeutung zu verstehen und voranzutreiben. Die Reihe Little Nightmares war immer mehr als ein Gruselspiel. Sie war ein Kommentar über Macht, Kindheit und Kontrolle; über das Ausgeliefertsein in einer Welt, die man nicht begreift. In Little Nightmares III bleibt davon vor allem die Form.
Little Nightmares III ist kein Totalausfall. Es ist ein Spiel, das mit großem Respekt und sichtbarer Sorgfalt gemacht wurde. Es sieht hervorragend aus, es klingt hervorragend, und in seinen stärksten Momenten erinnert es daran, warum diese Serie überhaupt existiert.
Aber es bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Dunkelheit ist diesmal keine narrative Leerstelle und Einladung zur Interpretation, sondern an einigen Stellen des Spiels vielmehr ein Hindernis. Die Kooperation ist keine Bereicherung, sondern ein Nebeneinander. Das Storytelling ist filmisch, aber nicht erzählerisch. Und wo früher Schweigen eine Form der Kommunikation war, herrscht hier schlicht Leere.
Mit dem Koop-Modus hätte Little Nightmares III etwas Neues schaffen können, einen emotionalen Bruch mit der Einsamkeit, die die Serie bislang definierte. Stattdessen wirkt er wie ein aufgesetztes Feature, das mehr trennt als verbindet. Am Ende bleibt ein kunstvoller Albtraum ohne Tiefe: ästhetisch brillant, emotional blass und spielmechanisch müde.
Ein Spiel, das nicht scheitert, weil es schlecht ist, sondern weil es zu wenig Neues gewagt hat. Ein kleiner Albtraum – in doppeltem Sinne.

Little Nightmares III – Informationen zum Spiel
Titel: Little Nightmares III
Entwickler: Supermassive Games
Publisher: Bandai Namco Entertainment
Reihe: Little Nightmares (3. Teil)
Genre: Horror-Adventure / Puzzle-Plattformer (2.5D)
Veröffentlichung: 10. Oktober 2025
Plattformen: PC; PlayStation 4/5; Xbox Series X|S / Xbox One; Nintendo Switch / Switch 2
Spielzeit: ca. 6–7 Stunden
Spielmodi: Einzelspieler, Online-Koop (kein Couch-Koop)

