Hype ist ein zweischneidiges Schwert. Er entsteht, wenn wir große Erwartungen an ein Spiel knüpfen, das uns schon vor dem Release fesselt. Er kann zu ekstatischer Begeisterung führen, wenn die Erwartungen erfüllt werden, oder zu tiefer Enttäuschung, wenn das fertige Produkt nicht das liefert, was man sich erhofft hat. Für mich war Final Fantasy XV das Paradebeispiel dafür, wie Hype in Frust umschlagen kann. Über Jahre hinweg habe ich mich auf dieses Spiel gefreut, nur um nach Release mit gemischten Gefühlen zurückzubleiben. Als dann Lost Soul Aside angekündigt wurde und von Anfang an als stark von Final Fantasy XV inspiriert beschrieben wurde, war klar, dass Vergleiche nicht lange auf sich warten lassen würden. Nach dieser Erfahrung wollte ich mich eigentlich nicht mehr auf ein weiteres Spiel einlassen, das fast ein Jahrzehnt in Entwicklung verbringt und dabei wieder einen glattgestylten Protagonisten in schwarzer Designerkluft in den Mittelpunkt stellt. Doch Lost Soul Aside schaffte es, mich über die Jahre hinweg doch wieder neugierig zu machen. Nach unzähligen Trailern, vielen Versprechen und einer langen Entwicklungsphase ist das Spiel nun endlich erschienen.
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Ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte
Die Geschichte von Lost Soul Aside beginnt 2016 mit einem YouTube-Video. Entwickler Yang Bing veröffentlichte einen Teaser, der auf Anhieb große Aufmerksamkeit erregte. Grund dafür waren die schnellen Kämpfe, die deutlichen Anspielungen auf Final Fantasy und der bemerkenswerte Fakt, dass hinter dem Projekt nur eine einzige Person stand. Der Trailer verbreitete sich rasant und weckte nicht nur das Interesse der Gaming-Community, sondern auch das von Sony.

Kurz darauf wurde das Studio UltiZero Games gegründet, unterstützt von Sony und Teil des China Hero Project. Damit stand fest, dass Lost Soul Aside nicht nur ein ambitioniertes Fanprojekt bleiben, sondern tatsächlich als vollwertiges Spiel erscheinen würde. Dennoch dauerte es fast ein Jahrzehnt, bis es nun seinen Weg auf die PS5 gefunden hat. Ich habe das Spiel über die Jahre hinweg aufmerksam verfolgt. Jeder neue Trailer wirkte wie ein Versprechen auf ein großes Action-RPG. Doch je näher der Release kam, desto mehr Zweifel mischten sich in meine Vorfreude. Es gab kaum Marketing, keine Testversionen für Fachpresse oder Influencer, und am Ende musste ich mir mein eigenes Exemplar kaufen, um mir ein Bild zu machen.
Die Story von Lost Soul Aside, viel Klischee, wenig Substanz
Lost Soul Aside beginnt mit einer klassischen Rebellengeschichte. Die Gruppe Glimmer stellt sich gegen das Imperium von Celestria, das mit eiserner Hand herrscht. Protagonist Kazer und seine Schwester Louisa sind Teil dieses Widerstands. Im Prolog sieht man, wie Glimmer den ersten großen Angriff startet, doch schon hier wird deutlich, dass die Inszenierung und die Erzählweise nicht mit der Spannung mithalten können, die der Auftakt eigentlich verspricht. Die Handlung wirkt über weite Strecken abgehackt, Szenenübergänge sind abrupt und oft so trocken, dass man den Eindruck bekommt, man hätte versehentlich eine Zwischensequenz übersprungen. Figuren bleiben eindimensional, Dialoge hölzern und belanglos. Selbst wenn die Welt von Lost Soul Aside ein gewisses Potenzial hat, gelingt es der Geschichte nicht, den Spieler emotional zu binden.

Während man bei einem Action-RPG keine tiefgründige Handlung auf dem Niveau eines großen Story-Blockbusters erwarten muss, so sollte sie doch zumindest das Abenteuer stützen und Interesse an den Figuren wecken. Doch genau das gelingt Lost Soul Aside nicht. Die englische Sprachausgabe verstärkt das Problem, da sie teils unbeholfen wirkt und selten den richtigen Ton trifft. Besonders enttäuschend ist, dass selbst die Beziehung zwischen Kazer und seinem Drachenbegleiter Arena, die eine spannende Dynamik hätte entwickeln können, kaum über lockeren Schlagabtausch hinauskommt. Nach einigen Stunden stellte ich fest, dass ich die Story komplett aus dem Blick verloren hatte. Sie ist vorhersehbar und austauschbar, was besonders schade ist, weil der Prolog noch das Potenzial für etwas Eigenständiges in sich trug. Doch stattdessen wurde daraus ein vorhersehbares Klischee, das schnell langweilt.
Das Herzstück: Gameplay und Kampfsystem
Wenn Lost Soul Aside irgendwo glänzt, dann im Gameplay. Von der ersten Minute an ist das Kampfsystem schnell, präzise und äußerst dynamisch. Spieler können zwischen vier Waffen wechseln, die sich jederzeit kombinieren lassen. So entstehen nahtlose Kombos, die sowohl auf dem Boden als auch in der Luft funktionieren. Die Waffen unterscheiden sich in Reichweite, Tempo und Schlagkraft, sodass man ständig dazu angeregt wird, neue Kombinationen auszuprobieren. Besonders Hack-and-Slash-Veteranen, die etwa Devil May Cry lieben, werden sich sofort zuhause fühlen. Elementareffekte bringen zusätzliche taktische Tiefe, da es erheblich leichter ist, etwa einen Feuergolem mit einer Eiswaffe zu besiegen. Hinzu kommen kleine Anpassungsmöglichkeiten über Zubehörteile, die Boni auf Angriff, Ausdauer oder kritische Treffer gewähren. Der Gameplay-Loop folgt dabei einem klassischen Muster. Zunächst tauchen einfache Gegner auf, dann stärkere Varianten, bis man schließlich in einem Bosskampf landet. Diese Struktur wiederholt sich bis zum Ende des Spiels. Für manche mag das schnell repetitiv wirken, doch dank der variablen Waffensysteme und der Möglichkeit, ständig neue Kombos auszuprobieren, bleibt die Motivation hoch.

Die Bosskämpfe als Höhepunkt
Die wahren Glanzmomente von Lost Soul Aside liegen in den Bosskämpfen. Jeder Boss stellt eine echte Herausforderung dar, fordert gutes Timing beim Ausweichen oder Blocken und bringt eigene Mechaniken mit. Manche Bosse wechseln mitten im Kampf ihre Taktik oder zwingen den Spieler, mit der Umgebung zu interagieren. Dadurch entsteht Abwechslung und Spannung, die weit über das normale Gegnerklatschen hinausgehen. Nach dem Ende der Kampagne schaltet man sogar einen Boss-Rush-Modus frei, in dem man mehrere Bosse ohne Heilitems hintereinander besiegen muss. Diese Herausforderung zeigt das volle Potenzial des Kampfsystems. Ich habe diese Kämpfe als extrem fordernd, aber ebenso befriedigend empfunden, wenn sich eigene Strategien am Ende auszahlen.

Leider wird der Spielfluss immer wieder durch langwierige Platforming-Passagen und banale Rätsel gebremst. Anfangs wirken diese Einlagen noch abwechslungsreich, doch nach 20 Stunden verlieren sie ihren Reiz. Häufig erhält man als Belohnung lediglich eine einfache Truhe mit Tränken oder Standardmaterialien. So entsteht kein echter Anreiz, abseits des Hauptwegs zu erkunden. Die Linearität des Spiels ist unübersehbar. Es fehlt an versteckten Geheimnissen oder wirklich lohnenswerten Belohnungen, die zum Erkunden motivieren. Hier wirkt Lost Soul Aside deutlich unausgereift.
Schwächen im Leveldesign
Auf der PlayStation 5 macht Lost Soul Aside einen ordentlichen Eindruck. Vor allem die Charakterdesigns sind gelungen, allen voran Kazer, dessen Outfit wie für Cosplayer geschaffen scheint. Auch die Umgebungen sind abwechslungsreich und zeigen verschiedene Biome, von Wüsten über Wälder bis hin zu futuristischen Städten. Allerdings erreicht das Spiel nicht die Detailtiefe anderer großer Action-RPGs dieser Generation. Technisch gibt es ebenfalls Schwächen. Während der Erkundung kam es gelegentlich zu Frame-Einbrüchen, besonders beim automatischen Speichern, das sogar mehrfach Abstürze verursachte. Cutscenes wirken abgehackt, was die ohnehin schwache Story zusätzlich abwertet.

Die Musik hingegen überzeugt. Sie wechselt zwischen epischen Chören und modernen Rockeinlagen, die perfekt zu den Kämpfen passen. Besonders die Boss-Themes bleiben im Ohr. Doch auch hier stören die abrupten Übergänge, wenn die Musik mitten in einer Szene einfach abgeschnitten wird. Beim Sounddesign der Kämpfe hingegen enttäuscht Lost Soul Aside. Treffer fühlen sich nicht wuchtig an, Blocken oder Kontern klingt wie ein dumpfes Pochen. Das nimmt den Kämpfen ein Stück weit ihre Intensität.
Fazit
Lost Soul Aside ist ein Spiel der Gegensätze. Einerseits bietet es eines der besten Kampfsysteme, das ein Action-RPG in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Die Bosskämpfe sind spektakulär, die Kombos flüssig und die taktischen Möglichkeiten vielfältig. Spieler, die den Fokus ausschließlich auf Gameplay und Action legen, werden hier voll auf ihre Kosten kommen. Andererseits scheitert Lost Soul Aside in nahezu allen anderen Bereichen. Die Story ist klischeehaft, schlecht erzählt und voller abrupter Übergänge. Die Figuren sind flach, die Dialoge uninspiriert. Auch die Präsentation wirkt unausgereift, mit schwachem Sounddesign und Performance-Problemen.

Am Ende bleibt ein Spiel, das sich anfühlt, als sei es nur zur Hälfte fertig geworden. Alles außerhalb des Kampfes wirkt wie ein nachträglicher Zusatz, während das Kampfsystem glänzt. Wer ein Action-RPG mit packendem Gameplay sucht, kann zugreifen. Wer hingegen eine ausgewogene Mischung aus Story, Präsentation und Technik erwartet, sollte seine Erwartungen herunterschrauben. Lost Soul Aside ist ein Spiel, das große Ambitionen hatte, sie aber nicht vollständig umsetzen konnte. Es ist ein Titel für Gameplay-Puristen, die sich an spektakulären Bosskämpfen erfreuen wollen, aber sicher kein Erlebnis für Spieler, die eine mitreißende Erzählung erwarten.

