Jedes Jahr gehe ich mit zwei Hoffnungen in ein neues Madden: Erstens, dass sich das Gameplay wirklich wie Football anfühlt, und zweitens, dass mich der Rest des Spiels nicht in den Wahnsinn treibt. Madden NFL 26 erfüllt den ersten Punkt so gut wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Der zweite bleibt allerdings weiterhin eine Baustelle. Und dann gibt es da ja auch noch das hauseigene College Football 26. Doch was kann Madden noch? Unser Test soll es zeigen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Gameplay auf dem Feld
Fangen wir mit dem Positiven an. Auf dem Spielfeld ist Madden 26 eines der flüssigsten und spaßigsten Spiele seit den Zeiten von Xbox 360 und PS3. Die Bewegungen sind geschmeidig, das Manövrieren in der Pocket fühlt sich großartig an und das neue Wear-and-Tear-System bringt eine echte strategische Ebene ins Kader-Management. Man muss sich zweimal überlegen, ob man einen Spieler zu sehr beansprucht, was der Authentizität sehr guttut. Zwar wäre es schön, wenn es wie in College Football 26 Regler zur Feinjustierung gäbe, aber auch so ist es eine willkommene Neuerung. Das Passspiel war seit Madden 06 mit dem Vision Cone nicht mehr so lohnend und gleichzeitig so gnadenlos. Quarterbacks haben eigene Wurfanimationen, wodurch sich jeder Spielmacher einzigartig anfühlt. Man muss sich an deren Mechaniken anpassen, egal wie man spielt. Dazu kommt die Möglichkeit, unter Druck aus der Pocket zu fliehen und mit den Playmaker-Steuerungen des Quarterbacks improvisieren zu können. Wenn das funktioniert, fühlt es sich schlicht fantastisch an. Auch die Fanganimationen wurden überarbeitet, sodass große Receiver nun realistisch Bälle aus der Luft pflücken, so wie es ihrer Statur entspricht. Das Spieltempo ist angenehm ausbalanciert. Es ist nicht so schnell wie in College Football, aber deutlich flotter als in den letzten Madden-Teilen. Das Ergebnis ist eine Geschwindigkeit, die sich genau richtig anfühlt.

Probleme bei KI und Blocking
Trotz aller Fortschritte gibt es einige Gameplay-Schwächen. Bei längeren Spielzügen, wenn man scrambling muss, bleiben Receiver am Ende ihrer Routen einfach stehen. Sie hören auf zu existieren, bis man sie zwingt, einen zugedeckten Ball zu fangen, oder bis man improvisiert blocken muss. Auch die Offensive Line zeigt merkwürdiges Verhalten. Wenn ein Gegenspieler in eine bestimmte Richtung zieht, bleiben die Linemen oft einfach stehen, ohne jemanden zu blocken. Noch gravierender ist das Verhalten der KI. CPU-Quarterbacks spielen mit einer übernatürlichen Präzision, die Zonen- oder Manndeckung fast unmöglich macht, selbst mit den besten Verteidigern. Es wirkt nicht wie eine Frage des „Git Gud“, sondern zwingt einen förmlich dazu, an den Slidern herumzuschrauben. Andererseits, wenn die CPU aufs Laufspiel setzt, ist sie fast harmlos, da die Running Backs nicht wissen, wohin sie laufen sollen.

Grafik und Präsentation
Optisch ist Madden 26 wunderschön. Auch wenn man heutzutage keine riesigen grafischen Sprünge mehr erwarten darf, sind die Animationen sichtbar sauberer geworden. Weniger Clipping, flüssigere Übergänge und ein authentisches TV-ähnliches Broadcast-Design werten die Präsentation auf. Neu ist Scott Hanson, der Highlight-Pakete präsentiert und die Spiele noch stärker wie echte Übertragungen wirken lässt. Auch das wöchentliche Recap-Feature ist nach 20 Jahren endlich im Spiel und eine gute Grundlage. Allerdings bricht die Immersion, wenn Hanson falsche Namen ansagt oder das Ganze ins Stocken gerät. Hoffentlich bessern Updates hier bald nach.

Wo die Präsentation scheitert, ist die Kommentierung. Es ist das zweite Jahr mit der neuen Drei-Team-Lösung, und es funktioniert schlicht nicht. Mike Tirico und Greg Olsen klingen zu mechanisch, Kate Scott und Brock Huard dagegen überdreht. Selbst in Superstar-Drills wie beim 40-Yard-Dash schreit Scott so, als ginge es um den Super Bowl. Das wirkt einfach unpassend und macht das Spiel besser, wenn man den Kommentar komplett stumm schaltet. Dann kann man immerhin die womöglich beste Soundtrack-Auswahl in der Geschichte von Madden genießen. Auch die Menüs sind zwar etwas schneller geworden, aber das Öffnen von Spielerprofilen dauert ewig, und es gibt immer wieder Hänger, etwa beim Editieren der Ausrüstung. Zudem fehlen bei den Trikots Optionen. So kann man zum Beispiel nicht die aktuellen Jerseys mit Retrohelmen kombinieren. Die Buffalo Bills tragen in dieser Saison rote Retrohelme mit ihren aktuellen Uniformen – in Madden 26 ist das unmöglich.

Modi zwischen Licht und Schatten
Der Skills-Trainer ist so umfangreich wie nie zuvor und bietet über 100 Übungen von grundlegenden Stunts bis hin zu komplexen Passkonzepten. Für Neueinsteiger, Rückkehrer oder Spieler, die ihr Können verfeinern wollen, ist das ein echtes Highlight. Der Franchise-Modus hat sinnvolle Neuerungen erhalten. Die wöchentliche Spielvorbereitung ist tiefer als je zuvor, mit detaillierten Playbooks, Spielerstatus-Anpassungen, Verletzungs-Management und Trainingsoptionen, die es ermöglichen, Stars zu schonen und Nachwuchsspieler gezielt zu entwickeln. Auch die Verbesserungen beim Scouting und die neue „Scout’s Honor“-Fähigkeit fügen wichtige Ebenen hinzu, sodass Coaching in diesem Jahr wirklich eine große Rolle spielt.

Allerdings wurden Funktionen gestrichen. Man kann nur noch als Coach spielen, nicht mehr als Spieler oder Besitzer. Features wie Stadion-Upgrades, Ticketpreise oder Merchandise-Kontrolle sind verschwunden. Zudem gibt es weiter Probleme beim Draft, da man die Draft-Klasse während des Prozesses nicht einsehen kann. In-Season-Free-Agents unterschreiben immer nur Einjahresverträge ohne Verhandlungen. Eigene Coaches sind durch Vorlagen limitiert, die Playbooks bleiben generisch und bei Relocations gibt es seit Jahren keine Neuerungen. Selbst neue Stadien sind immer noch dieselben fünf generischen Modelle.

Der Superstar-Modus erhält mit dem Sphere-of-Influence-System RPG-Elemente. Gespräche mit Coach, Agent oder sogar Promis beeinflussen die Fähigkeiten, die man freischaltet. Das wirkt zunächst ungewöhnlich, funktioniert aber und macht den Modus abwechslungsreicher. Quests und Kapitelstruktur vermitteln stärker das Gefühl einer echten Karriere. Allerdings sind die wählbaren Positionen auf Quarterback, Running Back, Wide Receiver, Linebacker und Cornerback beschränkt. Unabhängig von der Rolle ruft man im Spiel immer selbst die Spielzüge auf, etwas, das man sich eigentlich erst verdienen sollte. Zudem ist der Editor quälend langsam, was dringend behoben werden muss. Ultimate Team bietet die üblichen Inhalte, diesmal immerhin mit mehr Optionen für Solospieler. Doch die Menüs sind träge, Karten laden zu langsam und die Pack-Animationen lassen sich immer noch nicht überspringen.

Bugs ohne Ende
Ein großes Problem, und das betrifft die gesamte Branche, ist die Bug-Flut zum Launch, obwohl Spieler oft 100 Euro oder mehr für Early Access ausgeben. Madden 26 ist da keine Ausnahme. Zu den Fehlern gehören:
- Helme, die zur Halbzeit ihre Farbe ändern
- Falsche Starts durch bestimmte Spielerbewegungen
- Fehlender Hintergrund im Draft-Board, was das Lesen erschwert
- Verteidiger, die in der Offense stehen, Quarterbacks als Receiver
- Playbooks, die während des Spiels verschwinden oder nur mit Timeout zugänglich sind
- Abstürze im Superstar-Editor
- Deluxe-Edition-Boni, die nicht in Ultimate Team auftauchen, wobei der EA-Support jede Hilfe verweigert
Das sind nicht nur kleine Schönheitsfehler, sondern ernste Probleme mit der Stabilität. Immerhin dürfte ein Großteil davon durch Updates behoben werden.
Fazit
Ich schwankte lange, ob Madden NFL 26 ein gutes oder ein enttäuschendes Spiel ist. Was es richtig macht, gelingt hervorragend. Auf dem Feld hatte ich seit Madden 15 oder 16 nicht mehr so viel Spaß. Die individuellen Quarterbacks, die neuen Stunts und die strategische Tiefe machen viele Partien zu echten Highlights. Franchise-Planung und Spieler-Management sind besser denn je und auch der Superstar-Modus hat seine Momente. Auf der anderen Seite stehen gestrichene Features, altbekannte Gameplay-Probleme und eine ärgerliche Menge an Bugs. Am Ende überwiegt für mich dennoch der positive Eindruck, auch wenn es klare Enttäuschungen gibt. Viele Probleme dürften mit den ersten Updates entschärft werden. Deshalb lautet mein Rat: Madden 26 ist im Kern ein gutes Spiel, aber wer warten kann, sollte vielleicht das erste große Update abwarten, bevor er zuschlägt.

