Gothic Classic (Switch) – Test

    Gothic

     

    Ein echter Klassiker der RPG-Geschichte hat seinen Weg auf die Switch geschafft: Gothic. Das Pionierspiel hat mittlerweile über 20 Jahre auf dem Buckel und war seinerzeit wegweisend für heutige Spielmechaniken. Ob sich der Blick zurück auch heute noch lohnt, erfahrt ihr hier in unserem Test zu Gothic Classic für Nintendo Switch!

     

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    Mit Ecken und Kanten

    Fans der Gothic-Reihe sind derzeit in Feierlaune. Bevor es Ende des Jahres ans Eingemachte mit den vollends überarbeiteten Remakes von Gothic geht, schafft der RPG-Klassiker vorher noch seinen Sprung auf Nintendos Switch. Hierbei handelt es sich allerdings um kein Remake, sondern um eine Portierung der PC-Version.

    Was bedeutet, dass wir hier eine etwas aufpolierte Variante der Ur-Fassung als mobile Version spielen. Das macht sich in erster Linie in der Optik bemerkbar: Im Docking-Modus zeigt sich Gothic in Full-HD, während ihr im Handheld-Modus in 720p glücklich gemacht werdet. Zu dieser höheren Auflösung gesellt sich das modernisierte Bildformat in 16:9, so dass ihr keine schwarzen Balken an den Seiten zu sehen bekommt. Abgesehen davon gibt es keinerlei optische Aufwertungen.

    Heißt im Klartext: Kanten und Ecken, so weit das Auge reicht. Schon damals galt Gothic nicht unbedingt als Schönheit, was sich heuer, mehr als 20 Jahre später, natürlich deutlich bemerkbar macht. Das gilt für sämtliche Aspekte des Spiels. Gebäude, große und kleine Objekte und sämtliche Items sind mehr oder weniger klobig. Selbiges gilt für die namenlose Spielfigur, in die wir schlüpfen. Quadratischer Kopf, eckige Rüstungsteile, die Hand ohne Finger ähnelt eher einem Klumpen. Viel mehr war damals eben nicht möglich in puncto Darstellung. Wer also Wert auf feine Grafiken und schicke Texturen legt, ist hier fehl am Platz. Oder ihr müsst bis zum Remake warten, welches allerdings nicht für die Switch erscheinen wird.

    Gothic

     

    Klassiker im alten Look

    Gothic selbst erlangte allerdings seinen legendären Status nicht über imposante Grafiken. Viel mehr waren es Spielmechaniken, Dialoge, eine teil-immersive Welt und einfach die Freiheit, zu tun, wonach es euch steht. Besonders die freie Zugänglichkeit sorgte damals für enormes Ansehen, denn im Grunde könnt ihr jeden Winkel der Minenkolonie erkunden – ohne Einschränkungen. Was heute niemanden mehr vom Hocker reißt, war um die Jahrtausendwende noch teils undenkbar. Gut, eine spielerische Grenze gab es durch die Geschichte des Spiels, in der ihr in einer Strafkolonie gefangen seid, die durch einen magischen Schutzschild umgeben ist, den ihr nicht verlassen könnt

    Obendrein wird der Exkurs raus in die Welt auch noch belohnt. Dort warten nicht bloß langweilige Texturwüsten auf den Spieler, sondern Zufallsbegegnungen, erkundbare Orte und sogar Nebenquests. Um den Spieler dennoch immer wieder auf den Pfad der Hauptkampagne zu lotsen, bediente man sich damals eines simplen Tricks: Die Feindkreaturen waren weit abseits der Mainquest oft viel zu stark und entweder starb man oder suchte fix das Weite.

     

    Lebhafte Spielwelt

    Das fiese dabei: Es gab keine Schnellspeicherpunkte. Wenn man, wie ich, gerade von Starfield zu Gothic Classic kommt ist das ein echtes Problem, denn wo moderne RPGs im Dauerakkord Quicksaves anlegen, fehlten diese bei Gothic gänzlich. Was nicht selten in einem wehleidigen „NEIN!“ mündet, weil man vor einem Event mal wieder das Speichern vergessen hat. Wir sind einfach zu bequem geworden in den letzten Jahren! Sind wir natürlich nicht, das Rad hat sich nur weiter gedreht. Im Falle der Switch-Version zum Glück auch, denn ihr habt eine Quicksave und -load Funktion. Manuell nutzen müsst ihr sie allerdings trotzdem, denkt also bitte daran.

    Mit der Zeit fiel uns auf, wie toll die eigentliche Spielwelt Khorinis ist. Auch hier muss man sich vor Augen halten, dass Gothic mehr als zwei Jahrzehnte auf dem Buckel hat und wie visionär Piranha Bytes trotzdem schon waren. Besonders die Implementierung von Zyklen sorgt für eine Grundmaß an Glaubwürdigkeit. Arbeiter gehen bei Sonnenuntergang in ihre Behausungen und laufen beim ersten Tageslicht wieder zu ihrer Arbeitsstätte. Ja selbst Kreaturen in den Wäldern und Wiesen legen sich abends schlafen oder wachen erst in der Dunkelheit auf, je nach Typ. So könnt ihr dementsprechend so manche Quest auch nur zur einer gewissen Tageszeit erledigen, weil der zuständige NPC eben nicht 24/7 in der Kolonie herumsteht.

    Gothic

     

    Optimierte Steuerung

    Gothic am PC steuerten wir mit Maus und Tastatur, für die Switch greift man natürlich zum Gamepad. Im Grunde funktioniert hier so weit auch alles sehr gut, da sämtliche Aktionen auf die logische Steuerung mit zwei Analogsticks, Buttons und Schultertasten verteilt wurde. Mittels der unteren Schultertasten habt ihr den Schnellzugriff auf beide Waffen, die zumeist eine Kombination aus Nah- und Fernkampf darstellen. Über das Steuerkreuz habt ihr Shortcuts für verwendbare Items, während die Buttons für Angriff, Verteidigung und Springen sorgen. Vorsicht ist hier beim Springen geboten, da der B-Knopf auch das Schließen für geöffnete Fenster bedient. Habt ihr also ein Loot- oder Dialogfenster offen und wollt es schließen, dann springt eure Figur. Passiert das an Klippen, lauft ihr Gefahr, dass euer Held ins Bodenlose hüpft.

    Zwar wurde die Steuerung angepasst, aber nicht grundlegend verändert oder gar verbessert. Auch hier gilt der rote Faden des Spiels: Früher war es nun eben so. Man würde es wohlwollend als unintuitiv bezeichnen, gefühlt laufen alle Aktionen deutlich schwermütiger ab, als man es heute gewohnt ist. Erwartet also auch innerhalb der Kämpfe keinerlei Trefferfeedback oder Ähnliches, ihr erkennt es einzig und alleine am Lebensbalken des Feindes, ob der Schwertschwung saß oder nicht. Deutlich intuitiver war damals bereits der Umgang mit den Waffen. Denn je häufiger ihr eine Waffengattung nutzt, desto besser wird die Spielfigur im Umgang damit, sprich, mehr Schaden und bessere Trefferquote.

    Trotz der zahlreichen Bugfixes (→ Liste aller Fixes) ist Gothic  leider nicht vollends fehlerfrei. So hatten wir gleich mehrfach Fehler beim Sound, wo etwa die Hintergrundmusik plötzlich aussetzte oder Dialoge nicht stattfanden. Hier und da rüttelte die KI am Spielspaß, weil ein Event nicht getriggert wurde und wir die Quest neu starten mussten. Und 1x ist uns sogar die Switch komplett abgestürzt.

        Gothic

     

    Fazit

    Gothic Classic wird nicht jedermanns Geschmack treffen, so viel ist klar. Entweder hängt  ihr innerlich am Original und wollt es einfach nochmals etwas aufpoliert und mobil spielen, oder ihr möchtet euch dieses Stück Spielkultur zum ersten Mal geben. Beides sind triftige Gründe, den Download sofort zu starten.

    Andererseits: Ja, das Spiel war damals fast schon bahnbrechend, ist aber für heutige Verhältnisse sehr sperrig. Nahezu jedweder Aspekt wurde in den letzten Jahren generalüberholt, vor Allem die klobige Steuerung samt Inventarbedienung ist nun wirklich mehr als angestaubt. Selbst die optimierte Steuerung für JoyCons und Controller ist längst nicht perfekt gelungen.

    Sofern euch kantige Grafiken und überholte Mechaniken nicht abschrecken, erlebt ihr mit Gothic für Switch einen wunderbaren Retro-Tripp. Falls ihr es dann doch lieber etwas moderner und hübscher möchtet, empfehlen wir euch, noch ein wenig auf das Remake zu warten.

     

     

    Christoph
    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur