Mit Defiance soll eine Verzahnung zweier Medien stattfinden, die es so in dieser Form noch nicht gab. Während im Fernsehen die Serie unter der Flagge vom US-Sender SyFy über die Mattscheibe flimmert, können Zocker im gleichnamigen Spiel von Trion aktiv am Geschehen teilnehmen. Der Clou dabei: Handlungen und Ereignisse in Serie und Spiel sollen Auswirkungen auf das jeweils andere Medium haben. So lautet zumindest der Plan.
Im Spiel übernehmen wir die Rolle eines sogenannten Archenjägers. Diese Söldner sind das Kernelement in der Spielwelt von Defiance, wenn es darum geht, fiesen Aliens den Garaus mit knallharter Waffendominanz zu machen. In unserem Fall stehen wir unter den Fittichen eines gewissen Karl von Bach, einem renomierten, stinkreichen und etwas zwielichtigen Wissenschafftler, der die Schäden des Planetens mittels Terraforming rückgängig machen möchte.
Eingeleitet wird das MMOTPS durch ein ausgiebiges Intro, das uns abschließend ins kalte Wasser von Defiance wirft. Auf der Planetenoberfläche angekommen treiben wir fortan unser Unwesen in der Region Bay Area nahe der Metropole San Francisco. Die ersten knapp 30 Minuten nimmt uns Defiance an die Hand, erklärt uns grundlegende Steuerungen und das überlebenswichtige Ausschalten von Gegnern. Schritt für Schritt erfahren wir zeitgleich immer mehr um die Umstände und das Wie und Warum wir uns überhaupt in diese brutale und trostlose Gegend aufgemacht haben.
Typisch für ein MMO ist die Wahl der Klasse beim Start, in Defiance gestaltet sich diese aber eher oberflächlich. 3 Klassen stehen zur Wahl, deren Unterschiede so gering sind, dass sie kaum nennenswert sind und sich fast nur auf die Optik beschränken. Denn bei Defiance kann grundsätzlich jede Klasse auch jede Waffe nutzen, ebenso steht der komplette Talentbaum völlig offen. Lediglich bei den 4 Spezialfähigkeiten muss man sich zu Beginn auf eine festlegen. Diese sind am eigenen Spielstil orientiert und sollten auch dementsprechend gewählt werden. Ein Scharfschütze kann z.B. dank „Tarnung“ unbehelligt ans Ziel schleichen und Gegner aus der Distanz gemächlich anvisieren. Wer den Nahkampf mit Schrotflinten und durchschlagskräftigen MGs bevorzugt, der ist besser bedient mit „Überladen“, denn dadurch lässt sich der Damage Output kurzzeitig steigern. Daneben gibt es als Specials noch einen Boost auf die eigene Schnelligkeit und die Möglichkeit, eine Illusion von sich selbst zu erzeugen, um Gegner zu ködern.
Die weiteren Fähigkeiten vom Talentbaum werden schrittweise freigespielt und öffnen immer mehr Skills, die als passive Perks eingesetzt und maximal auf Stufe 3 gebracht werden können. Wer sich frühzeitig für Perks entscheiden möchte, der sollte sich vorab den aufgedeckten Skilltree ansehen, den man schnell ergoogelt hat. Im Spiel decken sich die Perks nämlich immer nur stückchensweise auf und so wird die Verteilung der Skillpunkte, die im Spiel als EGO Punkte tituliert sind, zum kleinen Glücksspiel.
Neben den Perks macht die Wahl der Waffengattung den größten Unterschied unter den einzelnen Spielern aus. Der Pool an Ballermännern ist riesig und erinnert in diesem Umfang stark an Borderlands. Pistolen, Maschinengewehre, Shotguns, Sniper Rifles, Granatwerfer und so weiter und so fort. Diese unterscheiden sich in Durchschlagskraft, Feuerrate, Nachladezeit und Elementarschaden. Außerdem dürfen viele durch Gimmiks modifiziert werden, um z.B. die Magazingröße oder den Zoomfaktor des Zielfernrohres zu verbessern. Das Arsenal lädt zum munteren Ausprobieren ein, dennoch sollte man sich möglichst früh an ein bis zwei Gattungen binden. Denn jeder Waffentypus kann gelevelt werden und lässt sich demnach auch immer effizienter einsetzen. Im Inventar können Dutzende von Waffen landen, dem Charakter stehen im Spielgeschehen immer 2 zur direkten Auswahl, die sich per Mausrad wechseln lassen. Abgerundet wird das Arsenal durch diverse Granaten und Sprengsätze.
Das frühe Festlegen auf 2 Waffenklassen empfehlen wir auch deshalb, weil der übrige Charakterfortschritt recht zögerlich verläuft und man sich in diesem Punkt schlicht einen Vorteil erspielen kann. Interessant ist auch die Tatsache, dass man gelegentlich seltene Wummen findet, die sich in ihren Werten aber oft nicht sonderlich von Standardwaffen abheben. So ist man ständig auf der Suche nach einer besseren Knarre und stellt nach Stunden fest, dass der Damage Output nur ganz langsam steigt.
Wo wir Schaden austeilen, müssen wir natürlich auch was einstecken. Neben der Lebensenergie besitzt unser Char einen Schutzschild, der Schaden absorbiert und sich mit einer Verzögerung wieder selbstständig auflädt. Gleiches gilt auch für die Lebenspunkte, wer eine kurze Zeit keinen Schaden nimmt, wird mit einer frisch gefüllten Energieleiste belohnt. Wer dennoch im Kampf das Zeitliche segnet, der darf sich 1x selbst wiederbeleben oder wird am nächsten Spawnpunkt wieder zurück in die Spielwelt entlassen. Andere Spieler können sich kurzerhand auch als Ersthelfer nützlich machen und ihre Fähigkeit als Sanitäter unter Beweis stellen.
Je nach Mission wird es dann auch schon mal brenzlig. Das liegt allerdings weniger an der KI, sondern mehr daran, dass einige Gegner ganz schön hartnäckig sind. Aber auch kleine Feinde werden in der Gruppe schnell gefährlich, besonders dann, wenn sie plötzlich hinter dem Spieler spawnen oder von einem Helikopter mitten im Tumult abgeseilt werden. Ein flinker Finger am linken Mausbutton ist absolute Pflicht, gleichsam sollte man die Umwelt zur eigenen Deckung heranziehen. Außerdem sind erwähnte Spezialfähigkeiten ein stetiger Begleiter im Spiel und erweisen sich als äußerst nützlich.
Der größten Anzahl an Gegnern stellen wir uns logischerweise im Verlauf der Geschichte und den damit verbundenen Missionen. Funksender wollen aktiviert, Camps von Gegnern gesäubert und Generatoren geschrottet werden. Die Palette an Missionen ist breit gefächert, spielen sich letztlich aber alle ähnlich. Begib dich zum Einsatzort, erledige alle Gegner, (de)aktiviere X und kassiere die Belohnung. Ein großer Vorteil ist neben den obligatorischen Schnellreisepunkten die Tatsache, dass man schon sehr früh im Spiel ein Quad als Vehikel erhält und sich damit die Laufzeiten arg in Grenzen halten. Gut gelöst ist das System auf der Karte, die alle Einsatzgebiete zeigt und Zielpunkte per Rechtsklick markiert werden können. Der Weg wird dann auf der Minimap dargestellt, damit niemand lange Umwege suchen muss.
Auf dem Weg zum nächsten Ziel der Hauptmission kann abseits eine ganze Menge passieren und das, obwohl die Spielwelt recht karg belebt ist. Permanent treffen wir auf Punkte, an denen man sich eine der zahlreichen Nebenmissionen schnappen kann. Es kommt auch häufiger vor, dass man im Vorbeifahren Zeuge eines Handgemenges wird, in das man spontan eingreifen kann. Kleinere Wettkämpfe poppen hier und da auf, bei denen man sich mit der Leistung anderer Spieler messen kann, z.B. beim Wettrennen mit dem Quad. Den größten Spaß machen die auf diesem Wege entstehenden temporären Gruppen mit anderen Spielern. Wenn sich alle am gleichen Ziel versuchen und gemeinsam auf die Feindesarmee ballern, dann spielt sich Defiance richtig gelungen und bietet ein Mittendrin-Gefühl.
Die größten Events sind die sogenannten Archenfalls. Ein Alienartefakt ist auf der Oberfläche eingeschlagen und muss innerhalb einer zeitlichen Frist vernichtet werden. Befindet sich ein solcher Archenfall in der Nähe, dann gibt es eine kurze Meldung und auf der Karte wird das Zielgebiet in bedrohlichem Rot markiert. In der Praxis zeigt sich, dass sich bei einem Archenfall auch tatsächlich viele Spieler im Umkreis ohne Umschweife sofort auf den Weg machen. Um zu bestehen bedarf es auch einer gehörigen Menge Feuerkraft, denn Gegner spawnen im Sekundentakt rund um das Artefakt und wollen uns ebenfalls mit vereinten Kräften ans Leder. Hier lebt Defiance richtig auf, die Archenfalls machen Spaß, das Agieren in temporärer Gruppe gelingt völlig unkompliziert und trotzdem funktioniert das Teamspiel. Fällt der Nachbarschütze, wird er fix wiederbelebt und schon glühen wieder gemeinsam die Läufe der Waffen. Am Ende winken satte Belohnungen in Form von EXP, Credits und neuen Kanonen, seine eigene Bewertung für das Event gibts obendrein auch noch als tabellarische Übersicht.
Defiance ist sehr auf PvE ausgelegt, aber auch PvP-Spieler kommen auf ihre Kosten. Hier sorgen die Schattenmissionen für das nötige Futter. Zwei Teams ab 32 Spieler treten in einem abgegrenzten Areal gegeneinander an. Gut gelöst finden wir, dass man sich für die Missionen im Menü anmelden kann und so lange weiter an seiner eigenen Kampagne weiterspielen darf, bis das Match startet. Ähnlich kennt man es aus Star Wars: The Old Republik, lange Wartezeiten in schnöden Lobbys existieren also nicht.
So nett die Idee von Defiance auch ist, es hapert derzeit noch an vielen Ecken. Bevor wir zu hart mit dem Spiel ins Gericht gehen: Es ist noch ein sehr junges MMO und wir alle wissen, dass ein stetiger Flow an Bugfixes und Patchs permanente Wegbegleiter für die Spieler sind. Ein Problem von Defiance ist der spielbare Charakter, mit dem man sich eigentlich zu keinem Zeitpunkt idendifizieren kann, wahrscheinlich noch nicht mal richtig warm wird. Unser alter ego ist nämlich gänzlich stumm. Die Figur spricht nicht einen Satz, weder in Sprach-, noch in Textform, nichts. Ebenso scheint unser blasser Charakter keinerlei Moral oder sonstige Wertevorstellungen zu haben, obwohl die Story dazu viel Freiraum lassen würde. Wir sind also ein einfacher Handlanger, hinterfragen zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Aktionen oder gar Twists in der Geschichte. Unser Job ist wohl schlichtweg, jede Menge Aliens im Dauerakkord zu eliminieren. Schade, da wäre definitiv mehr drin gewesen.
Ebenso zwickt es bei einer ganzen Reihe von Missionen. Gegner ploppen plötzlich vor uns auf oder verschwinden, Schalter lassen sich nicht auslösen oder Items sind unauffindbar. Wir gehen davon aus, dass Trion hier fleißig nachbessern wird, die Community im Forum ist ebenfalls sehr aktiv im Aufdecken von Bugs. Bei der Gestaltung der Spielwelt sind wir geteilter Meinung. Einerseits könnte diese ein wenig mehr „Leben in der Bude“ vertragen, aber andererseits spielt Defiance in einem postapokalyptischen Szenario und da ware zu viel davon eben auch unpassend. Beim Missionsdesign prangern wir an, dass dieses weniger generisch sein dürfte, denn egal ob Haupt- oder Nebenmission, Abwechslung sieht anders aus. Immerhin gibt es keine Loot-Quests…
Neueinsteiger in die große Spielwiese von Defiance dürften mit anfänglichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, denn einige Spielmechaniken werden nicht erklärt. Abhilfe schaffen das Forum und der Chat im Spiel, falls man z.B. auf dem Schlauch steht, wie sich eine Waffe modifizieren lässt. Der Chat ist auch durchweg frei von Flamewars und sonstigen Anfeindungen, Defiance spielt sich auf diesem Kanal sehr chillig und gediegen.
Wo sich die Grafik im Mittelfeld des Möglichen ansiedelt, ist die deutsche Synchro eher schlecht gelungen. Mitunter leisten sich die Sprecher viel zu übertriebene Schwankungen in der Tonlage, dass es Richtung Albernheit tendiert. Nur unser Charakter selbst hat eben nichts dazu zu sagen.
Defiance ist ein MMOTPS ohne monatliche Kosten. Wer das Spiel besitzt, kann also Zocken, bis der Arzt kommt (bitte nicht wörtlich nehmen), ohne den Geldbeutel weiter zu belasten. Im Spiel gibt es einen Shop, in dem man sich per Microtransaktionen Boosts für EXP, Geld und Co. zulegen kann – gegen bare Münze natürlich.
Fazit
Die Tatsache, dass in Defiance Serie und Videospiel miteinander verschmelzen sollen, klingt dufte. Im Spiel sind die Hauptcharaktere der Serie präsent und zeigen sich gelegentlich im Verlauf der Hauptmission, ansonsten wird sich die Verknüpfung erst auf die längere Distanz beweisen müssen. Defiance bietet darüber hinaus viele interessante Ansatzpunkte, die jedoch nicht jedermanns Geschmack treffen dürften. Den vielen oben genannten Pluspunkten sitzen auf der Waagschale eben auch einige Kritiken gegenüber, wobei wir davon ausgehen sollten, dass viele Kinderkrankheiten, die nunmal ein Spiel mit solch enormen Umfang mit sich bringt, nach und nach ausgemerzt werden. Der Fokus auf PvE mit der spontanen Gruppenbildung aller anderen Spieler im direkten Umkreis klappt jedenfalls bestens und macht Spaß. Wer bevorzugt PvP spielt, der wird zwar mit Schattenmissionen und kleineren Gefechten ebenfalls bedient, jedoch rückt dieser Teil weniger in den Fokus. Beim Archenfall besteht man nur in der Gruppe und diese Events spornen das Wir-Gefühl ordentlich an. Großer Kritikpunkt ist der eigene Spielcharakter, der von Vorne bis Hinten einfach nichts zu melden hat und an Gradlinigkeit kaum zu übertreffen ist. Im Vergleich zur PC-Version ist der Chat auf der Konsolenfassung sperriger und umständlicher, aber er funktioniert. Wer den Anfang von Defiance überstanden hat, der findet sich im Spiel dann doch irgendwie zurecht und darf sich an vielen genetischen Missionen versuchen. Karl von Bach wird es uns danken – oder vielleicht doch nicht?