Expedition 33 – 3,3 Mio. Verkäufe in 33 Tagen

Szene aus dem Spiel Expedition 33

Ein Debütspiel aus Frankreich verkauft sich auf Anhieb millionenfach und gilt bereits als heißer Anwärter für den Titel „Spiel des Jahres“. Dieser märchenhafte Erfolg ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte für das Studio Sandfall Interactive selbst, sondern wirft auch grundsätzliche Fragen auf, die sich auf die Zukunft der Gaming-Industrie beziehen und darüber, wie sich das Erzählen im digitalen Raum weiterentwickeln könnte.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Wie ein kleines Studio aus Montpellier dem AAA-Markt Paroli bietet

Momentan kann die Gaming-Welt beobachten, was passiert, wenn ein Erstlingswerk gleich auf Anhieb funktioniert. Was passiert, wenn ein kleines Studio ein Rollenspiel entwickelt, das aussieht wie eine Mischung aus Delacroix‘ Gemälden und Final Fantasy, dabei aber nicht in der Ästhetik der Referenzen und popkulturellen Zitate stecken bleibt, sondern sich einen eigenständigen Ton erarbeitet. Was passiert, wenn sich eine Produktion klar und fokussiert auf die wesentlichen, fast altmodischen Tugenden der Spieleentwicklung konzentriert. Dann entstehen Zahlen wie diese: 3,3 Millionen verkaufte Exemplare von Clair Obscur: Expedition 33 in 33 Tagen. Ein Erfolg, ja, aber viel wichtiger, ein Zeichen gegen die Kommerzialisierung der Gaming-Industrie.

Clair Obscur: Expedition 33, erschienen am 24. April 2025, ist weder ein lauter Umbruch noch eine stilistische Revolution. Es ist ein Spiel, das seine Einflüsse kennt, sie offen reflektiert und in eine eigene, äußerst kohärente Form überführt. Entstanden ist dabei etwas Neues, das mehr ist als bloßes Zitat oder eine weitere Variation des Bekannten. Das Spiel führt euch durch impressionistisch ausgeleuchtete Ruinen, die Musik legt sich wie ein französisches Kunstlied über die Erzählung, das Kampfsystem balanciert zwischen Symbolik und Strategie. Dabei entwickelt es eine unverkennbare, „meme-hafte“ Ästhetik, die sich zugleich ironisch wie ernst nimmt. Was daraus entsteht, ist ein in sich geschlossenes Gesamtkunstwerk, das sowohl stilistisch als auch erzählerisch überzeugt, eigensinnig und formbewusst.

Die Hauptfiguren aus dem Spiel Expedition 33 auf einer Landschaft stehend
Die Expedition 33 versammelt sich auf einer verlassenen Ebene – ein Moment der Ruhe inmitten der Dystopie. Quelle: igdb

Expedition 33: Ein literarisches Szenario, ohne literarische Attitüde

Die Welt von Expedition 33 lebt von einem klugen und spannenden Konzept: Jedes Jahr wird eine Zahl ausgelöscht, mitsamt all jener, die sie in ihrem Alter tragen. Eine Idee, irgendwo zwischen Jorge Luis Borges, symbolistischer Allegorie und Science-Fiction-Fabel. Es geht um Endlichkeit, um Sprache und um das Verschwinden. Aber das Spiel trägt diese Themen nicht einfach nur vor sich her, stattdessen entfaltet es daraus seine Tiefgründigkeit, seine Atmosphäre und erzählerische Dichte.

Wo andere Titel zu viel wollen, wählt Expedition 33 einen klaren Weg der Reduktion. Keine überladenen Menüs, kein überwältigendes Loot-System, keine synthetische Größe, stattdessen: Schönheit in der Komposition. Die Spielwelt wirkt nicht generiert, sondern kuratiert. Jeder Schatten hat seine ihm zugewiesene Richtung, jede Farbe ihre passende Temperatur. Sandfall Interactive geht es um Stil, nicht Spektakel.

Kampfszene aus dem Spiel Clair Obscur
Das UI bleibt auch im rundenbasierten Gefecht übersichtlich – Fähigkeiten, Aktionen und Gegnerstatus sind klar strukturiert. Quelle: igdb

Sandfall Interactive – ein Studio zwischen Debüt und Konventionen.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass dieser elegante Stil von einem Studio kommt, das selbst mit einer gewissen Entschlossenheit antritt. Sandfall Interactive besteht aus rund 30 Personen, viele von ihnen arbeiten zum ersten Mal an einem Spiel. Doch was wie ein Risiko klingt, erweist sich als Stärke: Clair Obscur. Expedition 33 ist kein Produkt technischer Routine, sondern das Ergebnis von entscheidenden spielmechanischen Entscheidungen. Und diese Entscheidungen wirken nicht zufällig, sondern notwendig, um auf einem schwierigen Markt zu bestehen.

Darüber hinaus hatte Sandfall mit Kepler Interactive einen Publisher an seiner Seite, der in den vergangenen Jahren eine beachtliche Liste eigenwilliger Titel veröffentlicht hat: Sifu, Tchia, Pacific Drive. Titel, die sich aus Genre-Konventionen herausarbeiten, ohne ihren spielerischen Kern zu verlieren. Clair Obscur reiht sich hier nahtlos ein und macht dabei, en passant, vielleicht am deutlichsten, wie bereichernd das Konzept „Indie“ für eine ganze Branche sein kann.

Bosskampf zwischen einem Mitglied der Expedition 33 und einem Monster
Ein inszenierter Einzelkampf vor dramatischer Kulisse: Das Spiel verknüpft stilisierte Gegnerdesigns mit klarer Kampfmechanik. Quelle: igdb

Der Klang von Expedition 33

Ein weiteres Detail, das viel über die Haltung hinter dem Spiel verrät: die Musik. Komponist Lorien Testard hat einen Soundtrack geschaffen, der sich nicht bloß als atmosphärisches Beiwerk versteht. Über 90 Millionen Streams sprechen eine eigene Sprache. Der Titelsong Lumière klingt, als sei er einem französischen Arthouse-Film entsprungen, ein melancholisches Science-Fiction Thema in Moll. Dass der Sound nicht deplatziert oder konstruiert wirkt, sondern es mitträgt, zeigt ein weiteres Mal, Sandfall geht es um Stil.

Clair Obscur – Erfolg ohne Exzess

Dass Clair Obscur auch kommerziell überzeugt, ist auf den ersten Blick überraschend, bei zweiter Betrachtung aber folgerichtig. Und auch in dem Moment des großen Erfolges bleibt Sandfall stilvoll, das Spiel definiert sich nicht über seinen derzeitigen Ruhm, es gibt kein offensives Selbstmarketing, keinen Versuch, die eigene Rezeption zu kontrollieren oder weiter voranzutreiben. Das Studio bleibt bei sich, will wirken, nicht nur performen.

Titelbild des Videospiels Clair Obscur
Das Key Art zeigt die Protagonisten – stilisiert, heroisch und bereit sich ihrem Schicksal zu stellen. Quelle: igdb

Clair Obscur: Expedition 33 – Mehr als ein Moment?

In einer Industrie, die sich zu oft über technische Größe und monetären Maßstab definiert, ist der Erfolg von Clair Obscur: Expedition 33 eine angenehme Abwechslung. Er zeigt, dass inmitten von Franchises, Fortsetzungen und Feature-Checklisten Platz bleibt für eine andere Form des Spiels: durchdacht, konzentriert, eigen. Dass es dabei nicht nur Kritiker, sondern auch das Publikum gleichermaßen begeistert, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Clair Obscur: Expedition 33 erreicht einen Metacritic-Score von 92 auf Konsolen und eine Nutzerwertung von 9,7, das ist aktuell der höchste Wert des Spielejahres 2025. Darüber hinaus haben sich Spielende weltweit vernetzt, ihre eigenen Theorien, Fanarts und Musik-Cover geschaffen. Es ist eine Community entstanden, die das Spiel nicht nur konsumiert, sondern erweitert. Ein Werk, das weit über den Bildschirm hinaus wirkt und inspiriert.

Spielinfo – Clair Obscur: Expedition 33

Entwickler:
Sandfall Interactive
Mit Sitz in Montpellier, Frankreich

Veröffentlichung:
24. April 2025

Plattformen:
PC (Microsoft Windows)
PlayStation 5
Xbox Series X|S

Offizielle Website:
www.expedition33.com

Social Media:
Facebook – Sandfall Games
Twitter – @expedition33