Into the Odd Remastered ist nicht wie viele andere, bekannte Pen-&-Paper-Rollenspiele. Anders als Spiele wie Dungeons & Dragons, die über zahlreiche komplexe Regelwerke und Erweiterungen verfügen, verspricht der Macher von Into the Odd, Chris McDowall, „[a] rules-light, flavour-heavy roleplaying game of industrial horror and cosmic strangeness“. In unserem Test verraten wir euch, ob sich Into the Odd bei unserem Tabletop-Abend bewährte.
Über Into the Odd Remastered
Wie der Name bereits verrät, handelt es sich um die Neuauflage des 2014 erschienen Tabletop-RPG. Auf etwa 150 Seiten voller farbiger Illustrationen befördern der Autor Chris McDowall und Grafikdesigner Johan Nohr Leser in die seltsame Welt in und um Industrial Bastionland. Im Vergleich zum Original enthält das Hardback-Buch neue und erweiterte Inhalte.
Aufbau des Regelwerks
Der Aufbau des Regelwerks ist relativ einfach. Eine kleine Einleitung führt in die Idee hinter der Spielwelt ein. Auch alle, die neu in der Welt der Tabletop-RPGs sind, gibt es eine kleine Heranführung. Drei kurze Seiten mit Erklärungen später geht es dann auch schon an die Erstellung des eigenen Charakters, darauf folgt eine Zusammenfassung der Spielregeln für die Spieler, Erläuterung spezieller Items namens Arcana und zwei kurze Kapitel über das Sammeln von XP und Möglichkeiten der Geldgewinnung außerhalb von Dungeons. Damit ist der Teil, der sich an den Großteil der Spieler richtet, auch schon abgeschlossen.
Die zweite Hälfte des Regelwerks richtet sich an den „Referee“, also Schiedsrichter, wie der Spielleiter hier bezeichnet wird. Hier findet sich eine Anleitung zur Leitung einer Spielkampagne, Auflistungen von Schätzen und auffindbaren Gegenständen. Außerdem gibt es Beispiele für Fallen und andere Hindernisse, die sich Spielern in den Dungeons in den Weg stellen. Einige Gegner hält das Regelwerk ebenso bereit, wenn auch Referees ermutigt werden, sich eigene Encounter zu kreieren. Ganz am Ende des Buches gibt es dann eine kleine Beschreibung der Spielwelt, bevor das längste Kapitel einige Dungeons vorstellt, die bereits spielbereit ausgearbeitet sind.
Die Spielwelt
Also zurück zum ersten Teil des Regelwerks und damit dem Setting. Spieler erhalten wie beschrieben eine kleine Einführung in die Spielwelt. Into the Odd spielt in einer riesigen, jedoch kaum entdeckten Welt. Diese steckt voller bizarrer Orte, die zwar schreckliche Gefahren, aber auch unglaubliche Reichtümer versprechen. Insbesondere sind Abenteurer, wie es auch die Spieler sind, auf der Suche nach magischen Items namens Arcana, die unnatürliche und teils enorm mächtige Kräfte besitzen. Zwar gibt es zahlreiche religiöse und wissenschaftliche Theorien über deren Geschichte, ihr wahrer Ursprung ist jedoch unbekannt. Nach einer Expedition in die mysteriöse Wildnis kehren Abenteurer in die Stadt Bastion zurück. Diese ist bekannt für ihre weitreichende Industrie, gefährliche Arbeit und vor allem den rätselhaften Untergrund voller Höhlen, Tunnel, Ruinen und mehr vergessenen Artefakten der Vergangenheit.
Für den Spielleiter gibt es einige wenige weitere Informationen zum Setting. Somit ist das Regelwerk eher leichte Lektüre, was die Hintergrundgeschichte angeht. Das Grundgerüst steht mit dem Vorhandensein der Stadt Bastion und der bizarren Welt um und unter dieser. Der Rest ist dem Spielleiter überlassen und erlaubt das schnelle Erstellen eines Abenteuers. Mithilfe der vorhandenen Dungeons hatten wir innerhalb kürzester Zeit ein Abenteuer für einen Abend erstellt. Die Spielwelt ist auch unerfahrenen Spielern in wenigen Minuten einfach zu erklären; unserer Meinung nach eignet sich Into the Odd dadurch auch für neue Tabletop-Spieler und alle, die nur einmal in die RPG-Welt hineinschnuppern wollen, ohne stundenlang Regelwerke auswendig zu lernen.
Charaktererstellung
Dasselbe, was es zur überschaubaren Spielwelt zu sagen gibt (im positiven Sinn!), spiegelt sich in der Charaktererstellung wider. Man rollt einfach die drei vorhandenen Ability Scores (Stärke, Geschicklichkeit und Willenskraft) sowie HP und erhält aus einer Tabelle seine Waffen, Rüstung, weitere Items und spezielle Merkmale des Charakters. Wer eher schlecht würfelt, erhält zum Ausgleich beispielsweise ein Schwert, eine Pistole, Rüstung sowie die Fähigkeit, überirdische Wesen zu spüren. Würfelt man hingegen sehr gut, besitzt man unter Umständen nur eine Keule, eine Taube und ist entstellt.
Der Unterschied zu manch anderem Pen & Paper wird hier sofort klar: Spieler haben eigentliche keine Wahlmöglichkeiten, was die Attribute ihres Charakters betrifft. Stundenlange Charakterkreationen gibt es in Into the Odd nicht. Eine Hintergrundgeschichte kann man sich natürlich trotzdem überlegen, Pflicht ist das aber nicht. Somit haben die Spieler natürlich weniger Verbindung mit ihrer Spielfigur; auf der anderen Seite eignet sich Into the Odd so umso mehr für einen spontanen Spieleabend. Uns gefällt das Prinzip, und Into the Odd wird vielleicht auch in Zukunft zum Einsatz kommen, wenn spontan ein Spieler für die D&D-Sitzung ausfällt und der Rest trotzdem ohne große Vorbereitung etwas spielen möchte.
Gameplay
In unserem Fall reichte es aus, dass die Spielleiterin sich die Regeln aneignete und sie der Gruppe innerhalb einiger Minuten zusammenfasste. Soll heißen: Die Spielregeln sind intuitiv, einfach zu verstehen und benötigen keine besondere Vorbereitung. Es gibt „Saves“, die mit einem D20 gewürfelt werden und einen aus brenzligen Situationen außerhalb von Kämpfen befreien können. Interessanterweise sind niedrige Würfe hier besser als hohe. Die Kämpfe laufen rundenbasiert ab; eine Runde ist zeitlich jedoch nicht allzu fest definiert und mögliche Aktionen außerhalb einfacher Angriffe und Fortbewegung obliegen dem Spielleiter. Wer im Kampf alle HP verliert, stirbt in der Regel nicht, sondern kann von seinen Mitspielern verarztet werden. Nach einer kurzen Pause ist der Verletzte auch schon wieder auf den Beinen. Das ist gut, denn die HP sind vor allem zu Beginn sehr niedrig (teilweise 1).
Aufgefallen ist uns, dass hierdurch die Kämpfe tendenziell sehr kurz sind. In Relation zu den HP machen die meisten Waffen sehr viel Schaden, der Höchstwert beträgt außerdem ohnehin 30 HP. Auf dem ersten Level sind die meisten Auseinandersetzungen somit nach ein bis zwei Runden beendet. Mehr als zwei Treffer hielten weder die Gegner noch unsere Charaktere in der Regel aus. Wir fanden das etwas schade, denn die Kämpfe machen durchaus Spaß, sind aber einfach viel zu einfach. Auf höheren Levels wird sich diese Problematik sicher verbessern, für die niedrigen würden wir uns eine höhere Zahl an HP wünschen, um spannendere Kämpfe zuzulassen. Was hingegen viel Spaß macht, ist es, durch Teamwork andere, kreative Lösungen für Probleme zu finden. Dabei helfen insbesondere die Arcana, über die wir im nächsten Abschnitt schreiben.
Weitere Features
Zuletzt möchten wir noch ein paar Besonderheiten von Into the Odd erwähnen. Die Arcana, also die magischen Items der Welt, erlauben viele spannende Problemlösungen. Beispielsweise gibt es eine Maske, die es dem Träger erlaubt, alles zu essen oder eine heulende Laterne, die Raubtiere anzieht. In den Dungeons sind noch weitaus mächtigere Arcana auffindbar wie ein tragbares schwarzes Loch oder ein Prisma, das ein Ziel vollkommen auslöscht. Dem Spielleiter sind bei der Entwicklung eigener Arcana keine Grenzen gesetzt und es bieten sich unzählige spannende sowie lustige Möglichkeiten.
Die im Buch enthaltenen Dungeons sind gut ausgearbeitet und absolut empfehlenswert. Sie sind ein einfacher Weg, ins Spiel zu finden und bieten viele Anregungen zur Erstellung eigener Abenteuer. Ein einziger Kritikpunkt ist, dass sie teilweise etwas schlauchförmig erscheinen. Allgemein ist Into the Odd eher auf das Durchlaufen von Dungeons und Sammeln von Schätzen ausgelegt als auf ausschweifendes Roleplay. Für eine Kampagne mit großem Fokus auf die Charaktere, ihre Hintergrundgeschichte oder die Spielwelt an sich, mit einer epischen, alles umfassenden Story empfehlen wir eher ein anderes Pen & Paper.
Gestaltung des Regelwerks
Visuell macht das Buch zu Into the Odd einiges her. Das Cover allein verspricht mit kontrastreichen Farben und abstrakter Szenerie viel. Die Abbildungen im Inneren sind sogar noch skurriler – von verrückten Kollagen bestehend aus historischen Porträts bis hin zu kryptischen Zeichnungen ist alles dabei. Wir hatten Spaß beim Durchblättern und die Illustrationen bieten viele Anregungen zur Spielwelt.
Besonders gut gelungen finden wir auch den klaren Aufbau und die verständlichen Tabellen und Zusammenfassungen im Buch. Zudem ist alles kurz, knapp und verständlich beschrieben. Into the Odd kommt ohne große Umschweife aus – sowohl inhaltlich als auch was die Aufmachung betrifft.
Fazit
Auf fast 150 Seiten liefert Into the Odd Remastered alles, was Spieler und Spielleiter benötigen, um sich ins bizarre Abenteuer zu stürzen. Die Spielwelt ist, wie es der Titel verrät, „odd“, also irgendwie eigenartig oder seltsam. Es gibt vieles zu entdecken und genau wie der Macher eingangs verspricht, schafft es das Regelwerk, mit wenigen Regeln ein einzigartiges Spielerlebnis zu bieten.
Die Stärke von Into the Odd liegt unserer Meinung nach somit darin, leicht zugängliche, episodische Dungeon-Abenteuer für einen Abend zu liefern. Dafür bietet das Regelwerk den perfekten Rahmen und erhält von uns die Bestwertung.
Quelle: Kickstarter