Sandbox-Bastler aufgepasst: Das international frisch aufgestellte Entwicklerstudio Mainframe Industries hat sein erstes Baby, Pax Dei, in den Steam Early Access entlassen.
Neben einer Menge Hype musste Pax Dei leider auch schon einiges an Kritik einstecken. Denn das Social-Sandbox MMO ist eine Menge, allerdings kein klassisches Themenpark-MMO.
Was genau Pax Dei eigentlich ist, wer Spaß daran finden könnte und ob das Spiel die großen Erwartungen erfüllen kann, schauen wir uns im folgenden Review an.
In eigener Sache
Normalerweise richte ich keine persönlichen Worte an unsere Leser. Hier möchte ich allerdings eine Ausnahme machen, denn selten fiel es mir so schwer, ein faires Urteil über ein Spiel zu fällen, wie in diesem Fall.
Einerseits muss berücksichtigt werden, dass Pax Dei in einem frühen Stadium im Early Access ist und der Entwickler dies auch klar betont. So soll eigentlich vermieden werden, dass Spieler zu hohe Erwartungen an die aktuelle Version stellen und dann womöglich enttäuscht werden. Wer das Spiel nicht bei seiner Entwicklung begleiten möchte, der sollte noch ein wenig Zeit vergehen lassen.
Andererseits kann ich zum jetzigen Zeitpunkt ja nur den Ist-Zustand beschreiben und bewerten. Ein mögliches Zukunftsszenario vorauszusehen ist nicht realistisch und womöglich unfair gegenüber Spielern, die das Spiel eigentlich jetzt gleich kaufen möchten.
Somit muss ich mich kritisch mit fehlenden Funktionen, Bugs oder Gameplay-Problemen auseinandersetzen. Dennoch traue ich Pax Dei zu, viele der aktuellen Probleme in den folgenden Monaten zu lösen. Warum das so ist und wo das Spiel tatsächlich eine schwere Hürde zu nehmen hat, beschreibe ich im späteren Verlauf dieser Review.
Aller Anfang ist schwer
Nachdem uns der Pax Dei Titelscreen begrüßt hat, gilt es zuerst einen Charakter zu erstellen. Das frische Alter Ego bietet dabei die Möglichkeit, Gesichter aus einigen Voreinstellungen zu übernehmen und diese dann mit kleinen Details wie Augenfarbe, Frisur, Make-up und Narben weiter anzupassen.
Die Gesichtsform selbst ist dabei leider auf die Presets beschränkt. Eine Anpassung der Wangenknochen, Nasenbreite, Stirnhöhe etc. ist derzeit nicht möglich. Das ist leider etwas schade, da viele der Gesichter wenig markant und dadurch unfreiwillig kindlich wirken.
Nach Erstellen des Charakters dürfen wir noch unsere Startregion festlegen. Diese untergliedert sich in ungefähr 25 Areale auf insgesamt vier großen Karten. Hier kann es durchaus relevant sein, sich die Umgebung gemeinsam mit einigen Freunden zuerst in Ruhe anzuschauen, um eine möglichst gute Position in der Welt und möglichst kurze Wege zu Ressourcen zu finden.
Betritt unser Charakter dann zum ersten Mal die Welt, wird schnell klar, warum Pax Dei nicht mit Themenpark-MMOs verglichen werden möchte. Es gibt keine Quests, keine vorgeschriebenen Wege und keinen roten Faden, der unerfahrene Spieler durch die Welt führen würde. Lediglich ein kurzer Infotext klärt uns darüber auf, dass wir ein paar Ressourcen sammeln mögen, um Bauwerkzeuge herzustellen, uns einen Plot zu reservieren und dann die Welt zu erkunden.
Die Plots sind Areale in der Welt, die wir für uns reservieren können, um danach nach Herzenslust darauf zu bauen. Wie viele Plots wir dabei für uns beanspruchen dürfen, hängt dabei von der erworbenen Version des Spieles ab.
Spannend wird es tatsächlich, wenn wir uns mit mehreren anderen Spielern zu Gilden zusammengeschlossen haben. Denn Spielerplots können nebeneinander gelegt werden, um somit viel größere Gemeinschaftsplots zu erstellen. Auf diese Weise können Burgen, besonders große Anwesen oder sogar kleine Dörfer entstehen.
Bastelstunde
Haben wir nun ein paar grundlegende Materialien wie herumliegende Steine und einige Äste eingesammelt, können wir simple Werkzeuge herstellen, die es uns wiederum ermöglichen andere Materialien zu sammeln, oder erste Objekte zu bauen.
Sich ein schönes Häuschen oder ein beeindruckendes Anwesen zu bauen, gehört dabei zu der Kernmotivation von Pax Dei. Vor allem, weil andere Spieler unsere Bauten sehen können und somit jedes Haus auch irgendwie eine individuelle Visitenkarte des Spielers darstellt. Sind dies anfangs noch simple Strohhütten, so können es im Laufe des Spieles auch pompöse Prunkbauten mit Möbeln, Bepflanzung, Licht und kreativen Ideen werden.
Um dahin zu kommen, ist allerdings noch eine ganze Menge zu tun. An verschiedenen Werkbänken wollen Materialien in nutzbare Dinge verwandelt werden. Um dies zu tun, gibt es verschiedene Handwerksskills, die durch häufige Nutzung langsam verbessert werden können, um noch bessere Dinge herzustellen.
Das läuft im Großen und Ganzen immer ähnlich ab. Ein Objekt hat einen bestimmten Schwierigkeitsgrad, abhängig von unserer Handwerksstufe und der Stufe des Objekts. Übersteigt die Schwierigkeit unsere eigenen Fähigkeiten leicht, so lernen wir beim Herstellen des Objekts. Ist unser Skill dann irgendwann höher als die Anforderungen des Objekts, lernen so gut wie nichts mehr.
Sollte man nun allerdings denken, man sei gut damit beraten, immer nur das schwerst mögliche herzustellen, hat man sich geschnitten. Je weiter das angefertigte Objekt unsere eigenen Fähigkeiten übersteigt, desto höher wird die Chance, dass man bei der Herstellung versagt und das eingesetzte Material verliert. Es gilt also immer ausgewogen zwischen Fortschritt, Materialeinsatz und Risiko abzuwägen.
Leider hat diese Art der Herstellung im Moment noch einen Haken, denn es gibt derzeit noch keine Möglichkeit, die gebauten Objekte wieder zu verwerten. Hat man Beispielsweise 30 Speere hergestellt, um den Waffenschmiede-Skill zu verbessern, so benötigt man davon bestenfalls einen für sich selbst. Und da andere Spieler diese Hürde wohl ebenfalls nehmen werden, gibt es auch sonst keinen Bedarf für die Speere. Das einzig sinnvolle bleibt, die Speere der Natur zurück zu geben.
Komplexität vs. Spielerfahrung
In um Pax Dei bestimmt Dinge zu erreichen, muss man sich quasi Stufenweise vorarbeiten. Das ist im Prinzip natürlich bei allen Spielen ähnlich, speziell im Kontext mit dem Fokus aufs Crafting, verliert man hier aber schnell mal den Überblick. Ein Beispiel:
Ich möchte gerne schickere Gebäudeteile bauen können und brauche dafür (vermeintlich) Ziegel. Dafür wiederum benötige ich einen Ziegelbrennerofen. Um den bauen zu können, benötige ich verbesserte Holzplanken, die ich wiederum nur herstellen kann, mit einem hohen Tischler-Skill. Um das höherwertige Holz zu hacken, benötige ich allerdings die Eisenaxt, die ich wiederum erst mit ausreichend Schmiede-Skill an der Waffen-Werkbank herstellen kann. Also gilt zuerst einmal Eisen zu sammeln, dieses einzuschmelzen und Waffenherstellung zu skillen. Habe ich dann endlich alle nötigen Schritte erfüllt und mir die herbeigesehnten Ziegel gebrannt, muss ich enttäuscht feststellen, dass ich damit gar nicht die neuen Bau-Optionen erhalten habe, auf die ich gehofft hatte.
Was Pax Dei im Augenblick klar fehlt, ist ein Ingame-Wiki, wie es ähnlich auch in EVE-Online verfügbar ist. So könnte ich in aller Ruhe im Wiki schmökern, schauen, was ich letztlich erreichen möchte und mir dann einen Pfad zurechtlegen, wie ich dorthin gelange.
Im Moment habe ich nur einen Hinweis neben den potenziell zu erstellenden Gegenständen, dass sich im Anschluss an die Herstellung, ein mögliches Folge-Rezept eröffnet.
Natürlich kann man das durch Erfahrung und Recherche im Internet kompensieren. Aber sollte es der Anspruch eines Spieles im Jahr 2024 sein, dass Spieler im Internet anfangen nach Rezept-Diagrammen zu suchen?
Schöne neue Welt
Für welchen Crafting-Fokus man sich auch entscheidet, man wird dabei mit Sicherheit alsbald seine kleine Hütte verlassen, um die Welt zu erkunden. Und da gibt es eine Menge zu erkunden! Die verschiedenen Biome sind zwar nicht besonders exotisch, dafür aber allesamt wunderschön. Denn Pax Dei orientiert sich bei der Darstellung an ein mittelalterliches Europa und so findet man verschiedene Wälder, Sümpfe, von Flüssen durchzogene Graslandschaften und enorm hohe Gebirge.
Da die zu findenden Ressourcen stark vom beherbergenden Biom abhängen, sind mitunter recht lange Reisen zu Fuß zu bewältigen. Dabei finden wir Pilze und Beeren in dunklen Wäldern, Eisen und Flax in nebligen Schilflandschaften und Lehm und Kräuter überwiegend in sumpfigen Landstrichen.
Die Landschaften und Lichtstimmungen sind dabei teils beeindruckend, manchmal aber auch gefühlt etwas leer. Das könnte mitunter am fast nicht vorhandenen PVE-Content liegen, auf den ich aber später zu sprechen kommen werde.
Was beim Wandern durch die Welt leider ebenfalls auffällt ist, das scheinbar noch nicht sauber ladende Einheiten-System in Pax-Dei. So kommt es bei längeren Märschen häufig zu einer Art Gummiband-Effekt, bei der der Spieler willkürlich einige Meter vor- und zurückruckelt.
Auch purzeln regelmäßig mehrere Tiere, wie Wildschweine oder Rotwild direkt vor der eigenen Nase aus dem Himmel. Das reißt dann leider ziemlich aus der Immersion. Unauffällig spawnen geht anders.
Wen das nicht weiter stört, der wird die Suche nach neuen Ressourcen und die Erkundung der Welt aber eine Zeit lang sehr genießen.
Reisen in Pax Dei
Wer fleißig die Welt erkundet, wird über kurz oder lang feststellen, dass manche Wege recht weit sind. So kann es durchaus vorkommen, dass man 10-15 Minuten Laufweg auf sich nehmen muss, um bestimmte Gebiete zu erreichen, die gesuchte Ressourcen beinhalten.
Das ist während der Entdeckerphase noch recht anregend, kann später aber schnell langweilig werden. Hier benötigt Pax Dei dringend irgendeine Art von Schnellreisesystem.
Der Anspruch der Entwickler ist natürlich, das Gameplay in gewisser Weise zu entschleunigen. Das zu tun, indem man dem Spieler Zeit für lange Laufwege aufbürdet, scheint aber eine unelegante Lösung zu sein.
Denkbar wäre zum Beispiel ein Schnellreisesystem mithilfe von Reittieren, denen man verschiedene Wegpunkte in der Welt vorgibt. So gibt es überall in der Welt Gebietsmarker in Form von Feldmonolithen. Diese als Wegpunkte zu setzen, würde sich absolut anbieten.
Ganz nebenbei könnte dann auch ein neuer Herstellungsbaum entstehen, bei es sich um Viehzucht handelt. Wäre doch Prima, wenn ein paar Spieler in eigenen Ställen die schnellsten oder robustesten Pferde züchten könnten?
Kreativität über alles
Natürlich gibt es nicht nur uns selbst in dieser neuen Welt. Da Pax Dei große Server bereitstellt, sollen sich hier potenziell tausende Spieler in der selben Welt tummeln. So finden wir natürlich alsbald auch Häuser anderer Spieler und Gemeinschaften.
Speziell dort, wo sich viele Spieler zu einer Gilde zusammengeschlossen haben, um sich beim Craften und Bauen zu unterstützen, entstehen auch mitunter sehr große gemeinsame Plots, die nach und nach zu ganzen Dörfern, Burganlagen oder Hafenstädten zusammenwachsen. Und dass dies nicht nur ein feuchter Traum der Entwickler ist, konnte ich im eigenen Spiel bereits feststellen.
Nur wenige hundert Meter von meinem Start-Plot entfernt, ist eine ganze Siedlung inklusive Hafenanlage an einem See entstanden. Gesäumt war das Ganze dann noch von mehreren Burgen auf der gegenüberliegenden Seite des Sees. Das Angebot, sich seine Welt einfach selbst zu gestalten, scheint trotz aller Kritik die Pax Dei bisher kassieren musste, gut angenommen zu werden.
Auch scheint diese Freiheit allgemein zu einer eher positiven Stimmung unter den Spielern zu führen. Bisher hatte ich jedenfalls keinerlei negative Erfahrung mit anderen Spielern machen müssen. Generell steckt der PVP-Aspekt für das spätere Lategame aber auch noch in den Kinderschuhen.
Die große Gefahr für Pax Dei
Pax Dei schlägt einen ungewöhnlichen Weg für ein Spiel ein, indem es der Welt eher wenig PVE-Content und quasi keine Geschichte mitgibt. Die Spieler sollen sich frei entfalten können, eine eigene Wirtschaft generieren, miteinander handeln, eigene Städte bauen und sich eigene Ziele setzen.
Das mag für eine Reihe von Spielern durchaus funktionieren, allerdings sehe ich Gefahr darin, dass das Spiel wenig Content für klassische Consumer-Spieler hat. All die erstellten Waren wollen erstellt, gehandelt und verbraucht werden. Hier könnte es aber irgendwann Probleme geben, wenn es nur Herstellende Spieler gibt, aber wenige, die im klassischen Sinne Dungeons durchlaufen, Schätze mitbringen und sich in den Städten mit neuen Equipment versorgen.
Und auch wenn Pax Dei eher nicht für diese Spieler entworfen wurde, wird das Spiel diese Art von Spielern aber wahrscheinlich benötigen, damit die Welt lebendig bleibt und reger Handel getrieben werden kann. Auf PVE-Angebote im Early Access zu verzichten ist ein hohes Risiko, das funktionieren kann, aber auch dazu führen könnte, dass Pax Dei zügig ausstirbt.
Denn ein relatives leeres MMO mit PVE-Content kann dem Spieler immer noch eine Menge Inhalte bieten mit der er sich beschäftigen kann. Ein relativ leeres Social-MMO ohne PVE-Inhalte kann nichts mehr anbieten. So muss man sich die kritische Frage stellen, ob Pax Dei mit einer eher kleinen Spielerbasis überlebensfähig wäre.
Die gute Nachricht allerdings ist, dass PVE-Content teil der Roadmap ist und Mainframe Industries plant, diese Lücke im Laufe der Zeit zu füllen. Wie gut das funktionieren wird und ob die Spielerbasis so lange stabil bleibt, werden wir dann zu einem späteren Zeitpunkt erneut beleuchten.
Was fehlt aktuell in Pax Dei
Neben dem bereits erwähnten PVE hat Pax Dei derzeit noch allerlei andere Baustellen, an denen die Entwickler werkeln. So fühlt sich die Interaktion mit der Welt oder auch Kämpfe ganz allgemein im Moment noch etwas unsauber an. Physik der Spieler und Objekte, das Streaming der Daten und die Reaktion der Welt auf eigene Aktivitäten müssen insgesamt verbessert werden.
Häufig fehlen noch Animationen. Beim Bäume Fällen oder Erz Hacken sieht das schon ganz gut aus, beim Abbau von Lehm hingegen nicht. Das fliegt einfach beim Anklicken in unsere Tasche. Zumindest bleiben da die Finger sauber!
Auch gibt es derzeit noch keine Währung und keine Markt-Hubs, auf denen man Waren mit anderen Spielern handeln könnte. Das sind zwar Dinge, die auf der Roadmap stehen, derzeit aber noch nicht im Spiel verfügbar sind.
Außerdem fehlen noch einige Qualität-of-Life Features, die das Leben in Pax Dei angenehmer machen könnten. Warum gibt es keine Rucksäcke, die mein Trage-Inventar vergrößern könnten? Warum keinen Kompass, der mir zumindest anzeigt, in welche Richtung ich grad laufe? Ein kleiner Inventarslot für sinnvolle Utilities könnte einen ganz neuen Berufszweig wie zum Beispiel den Ingenieur zum Vorschein bringen.
Leider gibt es auch noch keine Räuber oder Stadtmilizen für sichere Zonen. Wenn es potentiell sichere und unsichere Gebiete gibt, könnte sich eine Interessante Dynamik zwischen bösen und rechtschaffenden Spielern entwickeln, inklusive Überfälle, Kopfgelder, Begleitschutzmissionen etc.
Ein Social-MMO müssten von solchen Interaktionen eigentlich stark profitieren.
Fazit
Pax Dei ist ein hochinteressantes Konzept, welches schon jetzt einen tollen Baukasten für Spieler und Gruppen bereitstellt. Allerdings ist es auch an vielen Stellen noch ungeschliffen und mehr ein Versprechen als ein abgeschlossenes Projekt.
Spieler mit Geduld, Entdeckerlaune und der Freude daran Dinge zu erschaffen, dürften sich sehr wohl in der Welt von Pax Dei fühlen.
Spieler die an die Hand genommen werden wollen und PVE-Content erwarten, sind, zumindest im Augenblick, noch falsch bei Pax Dei und könnten von den fehlenden Features abgeschreckt sein.
Wer sich auf den aktuellen Entwicklungsstand einlässt, kann eine wunderschöne Welt mit vielen Freiheiten erleben, die allerdings noch eine Menge Veränderungen durchlaufen wird.
Pax Dei ist am 18.06. auf Steam in den Early Access gestartet.