Frostpunk 2 – Test/Review

    Frostpunk 2 Logo

    Kalt, Kälter, Frostpunk 2! Wem der Herbst in diesem Jahr zu mild war und wem Wintersportgebiete zu kuschelig sind, der darf sich über den kürzlich erfolgten Release von Frostpunk 2 freuen.

    Publisher und Entwickler 11 bit Studios hat den Nachfolger zum genialen Frostpunk am 20.09. des Jahres auf die Öffentlichkeit losgelassen und damit die Wünsche vieler Aufbau-Fans bereits lange vor einer weißen Weihnacht erfüllt.

    Ob der Überlebenskampf unserer Stadt uns erneut schlaflose Nächte bereitet und der zweite Teil von Frostpunk ebenso gelungen ist, wie der erste, schauen wir uns in diesem Review genauer an.

    Alles bleibt neu

    Wer gedacht hat, Frostpunk 2 wäre einfach nur eine Iteration von Frostpunk, mit etwas schickerer Grafik und ein paar neuen Gebäuden, der könnte falscher nicht liegen.

    Im Gegensatz zu vielen Genrekonkurrenten, die Ihre Spielereihe mehr oder weniger mit nur kleinen Anpassungen immer wieder neu auflegen, war 11 bit studios hier deutlich mutiger.

    Frostpunk 2 bietet so viel Neues und veränderte Spielmechaniken, dass es sich nicht einfach nur anfühlt, wie ein aufgeblasener Vorgänger, sondern viel mehr wie ein ganz neues Spiel.

    Spieler, die eine neue Erfahrung erleben möchten, dürften das sehr positiv aufnehmen. Spieler, die hingegen am liebsten mehr vom selben haben möchten, sollten sich vor dem Kauf vielleicht erst einmal die kommenden Absätze durchlesen.

    Auf in die Kälte

    Das Erste, was bereits im Startmenü auffällt, ist der pompöse Orchester-Soundtrack. Selbiger dröhnt oder summt zu jeder Stimmung passende Melodien über die frostigen Landschaften und verleiht dem ohnehin guten Frostpunk-Soundtrack noch einmal deutlich mehr Tiefe.

    Man merkt schon früh im Spiel, dass die Entwickler den Aufwand für die Inszenierung des Schnee-Dramas noch einmal spürbar nach oben geschraubt haben. Das verleiht einem Frostpunk 2 eine Größe, die gut zum spielerischem Inhalt passt. Denn einer der Hauptunterschiede zum ersten Teil ist, dass wir uns nicht mehr nur mit den Sorgen einer kleinen Stadt in der arktischen Kälte herumschlagen, sondern jetzt eine kleine Zivilisation durch den Winter bringen müssen.

    Anstatt einzelne Gebäude möglichst clever ringförmig um unseren Generator anzusiedeln, damit diese von verschiedenen Effekten und vor allem von der zentralen Wärme profitieren, bauen wir nun ganze Bezirke. Bei besagten Bezirken ist es dann nur noch indirekt relevant, ob diese nahe am Generator stehen, denn Wärme funktioniert im zweiten Teil etwas anders.

    Es geht nicht mehr darum, die Häuser der Bewohner einfach über einer bestimmten Temperaturschwelle zu halten. Stattdessen wird einfach immer die Wärme erzeugt, die benötigt wird. Je mehr Wärme wir den tiefen Temperaturen entgegensetzen, desto mehr Brennstoff (Kohle, Öl, oder Geothermie) verbraucht unser Generator.

    Das heißt, der Kampf gegen die Kälte wird zunehmend zu einem Kampf um Ressourcen. Die Temperatur sinkt und um alle Bezirke zu heizen, benötige ich 500 Kohle. Ich sollte also zusehen, dass ich diese Kohle über meine Kohleminen schürfen kann, sonst sinkt mein Lagerbestand. Ist dieser schließlich auf 0 gefallen, habe ich nicht mehr genug Wärme für alle Bezirke und meine Bewohner werden krank.

    Bauen und Puzzeln

    Das heißt aber mitnichten, dass es egal ist, wo ich meine Bezirke hinbaue. Denn der Wärmeverbrauch von Bezirken wird davon beeinflusst, wie clever ich die Bezirke untereinander anordne. Diese profitieren nämlich von der Wärmeabstrahlung der Nachbarbezirke. Möchte ich den Wärmeverbrauch eines Wohnbezirkes senken, so baue ich diesen am besten direkt neben einen anderen Wohnbezirk, oder neben den Zentralbezirk.

    Außerdem gibt es auf der Karte verschiedene Besonderheiten, wie zum Beispiel eine Gletscherspalte oder Geothermiequellen. Baue ich meine Bezirke in diese Bereiche, wird ebenfalls weniger Wärme benötigt.

    Einfach alles zu einem großen Wust zusammenzuknoten, bringt allerdings nicht nur Vorteile. So erzeugen die Förderbezirke zum Beispiel Lärm und Schmutz, was sich in Form von Elend auf die benachbarten Wohnbezirke auswirkt.

    Steigt das Elend zu stark, werden die Menschen in der Stadt ungehalten und fangen an Bezirke zu zerstören, oder wollen uns schlimmstenfalls an den Kragen.

    Die Bezirke lassen sich durch den Einsatz von zusätzlichen Ressourcen später ausbauen. Sind selbige anfangs immer 6 Hexfelder groß, so können diese, je nach Art des Bezirks, auf bis zu 12 Hexfelder vergrößert werden. Das Vergrößern eines Bezirkes schaltet einen Bauplatz frei, auf dem dann noch einmal Spezialgebäude platziert werden können, die verschiedene Vorteile bringen.

    Mehr Vorteile durch Spezialisierung

    Spezialgebäude sind essenziell, um unsere Stadt am Leben zu halten, denn diese können die Funktion eines Bezirkes deutlich verbessern.

    Fast alle Gebäude, die wir hier platzieren können, haben neben den Vorteilen auch Nachteile. Je nach Gebäudetyp wird zwar die Ressourcenproduktion erhöht, aber eben auch ein Anstieg von Krankheit oder Elend herbeigeführt, den wir irgendwie kompensieren müssen.

    So kann man in Wohnbezirken zum Beispiel weitere Wohnblöcke bauen, in denen deutlich mehr Menschen leben können. Es können aber auch Ablufttürme installiert werden, die die Luft im Bezirk verbessern und das Elend senken.

    In Förderbezirken wiederum bringen die Gebäude einen Boost der zu sammelnden Ressourcen. Je nach Art der Förderung, können das verbesserte Minen sein, um an mehr Kohle oder Öl zu gelangen, oder auch Sägewerke, um an mehr Waren zu gelangen.

    Im Bereich der Landwirtschaftsbezirke sind das dann wiederum Gewächshäuser, die man je nach Geschmack auch überdüngen kann, was zu mehr Krankheiten in unserer Stadt führt.

    Neben den Bezirksgebäuden gibt es auch eine Hand voll frei platzierbarer Gebäude. Das Wärmezentrum zum Beispiel verbraucht Waren, verringert dafür aber den Wärmebedarf von anliegenden Bezirken. Außerdem gibt es verschiedene Lagerbezirke, die neben der Lagerkapazität auch häufig die benötigten Arbeitskräfte von nahen Bezirken verringert.

    Des einen Leid, ist des anderen Krankheit

    Wie bereits zuvor erwähnt, hängt das Glück unserer Stadt stark von verschiedenen Faktoren ab, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

    Hunger wird logischerweise kompensiert über Nahrung, die wir entweder selbst produzieren, oder aus dem Frostland heranschaffen können.

    Behausungen sind natürlich ein zentraler Bestandteil einer jeden Stadt und es muss genug Wohnungen geben, damit niemand auf der Straße leben muss. Gibt es nicht genug Behausungen, so steigt automatisch die Krankheit. Außerdem führen fehlende Behausungen während eines White-Out, den berüchtigten Schneestürmen von Frostpunk, schnell zum Tod.

    Krankheiten werden hervorgerufen durch Wohnungsmangel, Kälte und natürlich Bezirke bzw. Gebäude, die schlicht ungesund sind. Bekommen wir die Krankheiten nicht in den Griff, fallen die Bewohner erst für wichtige Arbeiten aus und können dann in der Folge sterben.

    Elend kann erzeugt werden, wenn Wohngebiete direkt neben Industriegebieten platziert werden, oder ebenfalls durch bestimmte Fördergebäude. Elend kann dazu führen, dass die Menschen der Stadt zunehmend unglücklich werden und anfangen Bezirke zu sabotieren.

    Kriminalität ist ein eher neues Konzept, dass meist später im Spielverlauf auftritt, wenn unsere Stadt eine gewisse Größe erreicht hat. Kriminalität entsteht, wenn die Bewohner nicht genügend Luxusgüter erhalten, mit denen sie sich beschäftigen können. Selbige kann durch Wachtürme oder passende Gesetze kompensiert werden.

    Fraktionen machen uns das Leben schwer

    Als wäre es nicht bereits genug, dass wir ständig mit Ressourcen und Ansprüchen unserer Bürger jonglieren müssen, gibt es in Frostpunk 2 nun auch noch unterschiedliche politische Fraktionen innerhalb unserer Stadt, die allesamt eigene Interessen verfolgen.

    Das können dann zum Beispiel Frostländer, Neu-Londoner, oder Maschinisten und Händler sein. Jede dieser Fraktionen hat unterschiedliche Vorlieben und ein eigenes Verhältnis zum Stadtverwalter – also uns.

    Lassen wir ein Gesetz in Kraft treten, welches Ressourcen spart, so könnten die Frostländer das begrüßen, während die Neu-Londoner selbiges gar nicht gut fänden.

    Auch ist es so, dass wir Gesetze gar nicht mehr so einfach verabschieden können, denn diese werden im Rat vorgeschlagen und danach stimmen alle Fraktionen darüber ab. Wollen wir also ein bestimmtes Gesetz unbedingt durch die Ratskammer bringen, so sollten wir vorher mit den wichtigsten Fraktionen verhandeln, damit diese uns Ihre Ja-Stimme geben.

    Diese Stimme kann dann zum Beispiel durch Versprechen „erkauft“ werden, die wir innerhalb einer bestimmten Zeit erfüllen müssen. Ein Versprechen kann sein, dass eine bestimmte Erfindung erforscht werden soll, oder dass ein anderes Gesetz bei der nächsten Ratssitzung verabschiedet werden soll.

    Brechen wir unsere Versprechen, oder handeln häufig gegen die Intentionen einer Fraktion, so kann diese sich radikalisieren und anfangen Proteste in der Stadt zu organisieren.

    Fraktionen, die uns gewogen sind, können uns hingegen kleine Gefallen tun. So können wir zum Beispiel um eine Spendensammlung bitten, die ein wenig Geld in die immer zu klammen Kassen spült.

    Mehr Komplexität durch Erfindungen

    Auch bei der Forschung bindet Frostpunk 2 die neuen Mechaniken elegant mit ein.

    So gibt es nicht mehr wie im Vorgänger einfach nur eine verbesserte Kohlemine, sondern je nachdem welche Fraktionen in unserer Stadt leben, drei bis vier verschiedene Varianten der verbesserten Mine. Bei der Auswahl der Forschung müssen wir uns also entscheiden.

    Eine Variante erhöht die Ressourcenproduktion deutlicher als die anderen, erzeugt dabei aber zusätzliches Elend. Eine andere benötigt zum Beispiel weniger aktive Arbeiter, um zu funktionieren, braucht dafür aber mehr Wärme.

    Diese Varianten ziehen sich durch fast alle Erfindungen, Gesetze und Gebäude, die wir in der Stadt einsetzen können. Frostpunk 2 besteht im Prinzip im Hintergrund aus unzähligen kleinen Reglern, die wir hoch oder herunterschieben können.

    Schieben wir den Regler für die Kohleproduktion nach oben, schieben sich gleichzeitig zwei Regler für Elend und Krankheit ein wenig nach oben. Senken wir den Krankheitsregler durch ein Gebäude wie zum Beispiel das Krankenhaus, wird gleichzeitig im Hintergrund der Regler für die benötigte Wärme ein kleines Stück nach oben geschoben.

    Wer das Tüfteln mit den Vor- und Nachteilen der Erfindungen, Gesetze und Gebäude mag, könnte viel Spaß an Frostpunk 2 haben. Wer hingegen nicht ständig austarieren möchte welche negativen Folgen der Bau von Gebäude X haben wird, der könnte sich im Vorgänger deutlich wohler fühlen.

    Gelber Schnee in Frostpunk 2

    Die ständige Balance zu halten zwischen den Bedürfnissen unseres Volkes, der verfügbaren Ressourcen und den Vorlieben der Fraktionen nimmt einen großen Teil des Spieles ein. Dabei scheint der Fokus sich ein wenig verlagert zu haben, weg vom klugen bauen unserer Stadt und den umliegenden Frostlandsiedlungen, hin zu unsichtbaren Reglern, die alle irgendwie bedient werden wollen.

    Ein wenig ärgerlich dabei ist, dass keiner der „Regler“ mit klaren Werten definiert ist. So erhöht eines unserer Gesetze zwar die Produktion merklich, erhöht aber auch das Elend ein wenig. Ein bestimmtes Gebäude senkt vielleicht das Elend, erhöht aber die Krankheit oder andere Faktoren.

    Da nirgends definiert ist, was „ein wenig“ oder „merklich“ prozentual bedeutet, kann man häufig nur raten, welche Schritte man unternehmen muss, um bestimmte Nachteile zu kompensieren. Würde Frostpunk 2 hier mit Zahlen arbeiten, hätte man es deutlich leichter bestimmte Faktoren einzuplanen.

    Zudem geht durch die Fokus-Änderung auf eine kleine Zivilisation die Nähe verloren, die Frostpunk damals ausgezeichnet hat. Immer wieder gab es kleine Story-Events, die wir bewältigen mussten um einen guten Ausgang zu erhalten, denn jedes Leben zählte.

    Im zweiten Teil wirken diese Story-Events generischer und weniger bedeutsam. Selbst wenn unsere Mine bei einer Katastrophe einstürzt und dabei 300 Arbeiter sterben, so wächst die Stadt in wenigen Minuten wieder und wir erhalten mal eben 1000 neue Arbeiter.

    Frostpunkt 2 schafft es leider nicht uns Story-Nah in diese kalte Welt hineinzuziehen. Jedenfalls nicht so toll wie der Vorgänger.

    Fazit

    Frostpunk 2 ist ein mutiger Nachfolger, der den Vorgänger nicht einfach nur wiederholt, sondern tatsächliches viel neues mit sich bringt.

    Die Inszenierung der Welt mit den tollen Schneelandschaften und dem Orchestralen Soundtrack ist Kinoreif, aber leider verliert Frostpunk 2 ein Stück weit die intime Nähe des Vorgängers.

    Viele Mechaniken scheinen wie ein Abakus zu funktionieren, bei denen wir ständig Vor- und Nachteile voneinander subtrahieren oder addieren müssen. Das mag spannend sein für Perfektionisten und Bastler, könnte aber Spieler verlieren, die die storynahe Inszenierung des Vorgängers gemocht haben.

    Frostpunk 2 für den PC ist ab sofort für 45€ bei Steam, Epic und auch im GoG-Store verfügbar.

    Goetenklott
    MS-DOS-Veteran und Pixel-Nostalgiker. Windows hat nur einzug gehalten, damit Diablo gespielt werden konnte. Aufbauspieler und selber Bastler. Katzen-von-der-Tastatur-schieber. Warnung vor Tieffliegenden Wortspielen ist hiermit ausgegeben!