Geliebt, gehasst, unterschätzt: Icarus hat bei seinem Release im Dezember 2021 mit den Gefühlen von Sandbox-Survival-Spielern Achterbahn gespielt.
Entwickler RocketWerkz ist jedoch am Ball geblieben und hat fleißig Patches und Content geliefert. Frisch zum Erscheinen des neuesten DLC´s wollen wir einmal schauen, wo Icarus heute steht und ob ein Besuch in der harten neuen Welt lohnt.
Release mit Gepolter
Als am 3. Dezember 2021 die ersten neugierigen Schürfer auf Icarus losgelassen wurden, hatte das Spiel mit schicken Trailern und Featurelisten durchaus einen kleinen Hype unter Freunden von Survivalspielern losgetreten. Umso überraschter dürfte Entwickler Rocketwerkz dann nach wenigen Wochen gewesen sein, als Bewertungen immer häufiger ins Negative kippten.
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Was war schiefgelaufen?
Trotz einiger Hinweise in Releasenotes beschwerten sich viele Spieler darüber, dass Ihre Charaktere einem Perma-Death unterlagen, wenn selbige nicht rechtzeitig von Missionen zurückgeholt wurden.
Im Gegensatz zu vielen anderen Survival-Spielen kann das Alter-Ego nämlich auf verschiedene Survival-Missionen geschickt werden und zwischendurch Erfahrungspunkte sammeln, um sich so neue Level und frische Craftingrezepte freizuschalten. Der erstellte Charakter wird also permanent “besser”. Das spürt man vor allem dann, wenn man viel später mal wieder eine neue Survival-Mission startet. Der Haken an der Sache ist allerdings, dass es einige Missionen gibt, die innerhalb eines bestimmten Zeitfensters abgeschlossen werden müssen. Schickt man seinen Schürfer auf eine solche Mission und lässt Icarus dann mal zwei Wochen links liegen, kann es sein, dass selbiger in der Zwischenzeit das zeitliche gesegnet hat – und zwar permanent.
Rocketwerkz hat zwar zwischen den Zeilen in Releasenotes und auch im Forum auf dieses “Feature” hingewiesen, viele Spieler haben diese Hinweise aber nur gefunden, wenn Sie sich hier aktiv eingelesen haben. Dieser erste Frustpunkt hätte also aus der Welt geschaffen werden können, wenn einfach ein wenig besser kommuniziert worden wäre.
Der zweite häufig zu lesende Kritikpunkt aus der Spielergemeinde waren während des Spielens auftretende Mikroruckler und ja, diese gibt es immer noch.
Fairerweise muss aber betont werden, dass diese für gewöhnlich erst auftreten, wenn man viele Stunden in das Spiel investiert hat und komplexe Bauten errichtet hat, oder wenn die grad laufende Spielsession sich schon länger hinzieht als die durchschnittliche Bahnverspätung am Bahnhof Essen West. Nichts was ein kurzes neu laden nicht lösen könnte und erst recht nichts, was den Spielspaß zu irgendeinem Zeitpunkt beeinträchtigt hätte. Zudem bringt der Entwickler fast wöchentlich neue Patches heraus, die das Spiel um Content und Quality-of-Living-Features erweitern, sowie Performance verbessern.
Schauen wir uns also an, wo Icarus heute steht.
Urlaubsziel: Icarus
Nach einem kurzen Intro finden wir uns im Charaktererstellungseditor wieder. Selbiger lässt uns zwar zwischen einigen Presets für Gesichter und Farben wählen, hat aber sonst keinerlei spielerische Relevanz. Danach dürfen wir auswählen, ob wir in einer Sandbox-Welt ohne Zeitlimit und Vorgaben spielen wollen, oder eine der anspruchsvolleren Missionen annehmen.
Die Missionen haben für gewöhnlich ein Zeitlimit und ein Ziel. So gilt es nicht selten einen Scanner aufzustellen und vor wilden Tieren zu verteidigen, bestimmte Strukturen zu errichten, oder ein seltenes Erz einzusammeln. Als Belohnung winken verschiedene Ingame-Währungen und die Möglichkeit, sich weitere, anspruchsvollere Missionen freizuschalten. Zwischen den Missionen können wir uns mit den erworbenen Talern dann Ausrüstung freischalten, die uns bei der Erkundung von Icarus hilft. Diese Ausrüstung ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem Crafting auf Icarus selbst. Alle Missionen lassen sich Prima abschließen mit dem, was wir auf der Oberfläche finden und herstellen können. Die Belohnungen im Hub sind eher kleine Booster, zum Beispiel ein besserer Survival-Anzug mit zusätzlichen Slots.
Ankunft auf Icarus
Haben wir uns für eine Mission oder die Open World Sandbox entschieden, werden wir von einer kleinen Landekapsel auf der Planetenoberfläche abgesetzt und uns selbst überlassen. Dabei können alle Missionen auch problemlos im Coop-Spiel bewältigt werden.
Allzu lang sollten wir uns von der stimmigen Grafik und den sich sanft im Wind wiegenden Tannen allerdings nicht beeindrucken lassen, denn Icarus ist tödlich.
Wilde Tiere sind gar nicht begeistert von unserer Ankunft und da das Terraforming von Icarus an irgendeiner Stelle schiefgelaufen ist, müssen wir uns neben Hunger, Durst und Wärme auch noch um Sauerstoff kümmern. Gar nicht so angenehm, wenn man nichts für Atemreduktion übrig hat.
Zum Glück finden sich ein paar blaue Steinchen (Sauerstoffoxid) in der Nähe, die wir elegant in das Sauerstofffach unseres Anzuges stopfen. Das reicht für ein paar Minuten, aber es gilt sich zeitnah eine praktischere Lösung zu suchen.
Bastle, bastle, Häusle baue
So wie bei jedem guten Survivalist, bricht sich alsbald der Wunsch bahn ein hübsches Shelter zu bauen, damit wir des Nachts nicht von Bären angeknabbert werden und ein Nickerchen genießen können.
Das Crafting-System bei Icarus funktioniert dabei intuitiv und Zweck gebunden. Wir suchen uns anfangs ein paar Stöcke, ein paar Steine und schon ist die erste improvisierte Axt und ein kleines Steinzeitmesser erstellt. Willkommen im nächsten Jahrtausend!
Mithilfe der Axt lassen sich die ersten Bäume fällen, die wir nach Möglichkeit nicht auf unser Haupt fallen lassen sollten, denn selbst nach dem Zerkleinern in Stammsegmente, fällt und kullert alles munter durch die Welt und kann auch mal weh tun, wenn man sich besonders ungeschickt anstellt.
Haben wir ein wenig Material gesammelt, lässt sich eine Improvisierte Werkbank in die Landschaft klotzen, an der wir weitere Dinge herstellen können. So sind wir nach kurzer Zeit in der Lage die ersten Bauteile für unsere Hütte zusammenzudengeln und besagte Bauteile dann in einem angenehm einfachen Baumenü in der Welt zu platzieren.
Und das ist motivierender als erwartet. Selbst die Billig-Bauteile aus Tech-Stufe 1, die zwar kaum mehr Tragfähigkeit haben als die transparenten Seiten aus Motel-Bibeln, sehen erstaunlich gut aus und die clevere Kombination verschiedener Bauteile erlauben durchaus schicke Bauten.
Weitere Tech-Stufen, die Möglichkeit ständig irgendetwas auszubauen, zu verbessern, durch höherwertige Materialen zu ersetzen oder zu automatisieren, lassen eine Sogwirkung und Langzeitmotivation entstehen, die sonst nur einige Aufbauspiele für sich verbuchen können.
Icarus ist gefährlich
Kaum hat man sich mit der Umgebung und seinen ersten, eigens erstellten Bauteilen angefreundet, wird man durch ein freundliches Knurren darauf hingewiesen, dass der hier lebende Wolf zwar nicht auf Nachbarn eingestellt war, sich aber durchaus mit uns arrangieren könnte – als Snack.
Mit den Zähnen im Hintern, viel zu geringer Ausdauer (wir hatten ja noch kein Frühstück) und einer Axt, die nach dem zehnten Baum die Haltbarkeit von Zuckerwatte am Stiel hat, kommen wir bei unserer Diskussion mit dem Wolf auf keinen gemeinsamen Nenner und segnen vorzeitig das zeitliche. Lerneffekt tritt ein.
Bevor wir dem Wolf erneut unsere Sichtweise der Dinge nahebringen wollen, entschließen wir uns dazu einen Bogen und eine Hand voll Pfeile herzustellen. Die folgende Runde können wir zum Glück für uns verbuchen und zur Belohnung gibt’s ein wenig Leder, Fell und Knochen. Daraus kann man doch sicher einen Prima Schlafsack machen, oder?
Allein in der Dunkelheit
Nachts empfiehlt es sich fast immer, Schutz zu suchen und nahe einem Lagerfeuer ein Nickerchen einzulegen, denn Icarus spielt ganz wunderbar unangenehm mit Licht und Dunkelheit.
Wer des Nachts durch die Wälder streift wird kaum etwas erkennen, außer dunklen Umrissen und ein paar entfernten Sternen am Himmel. Wenn dann ein paar Meter entfernt, noch etwas im Unterholz knurrt und in der Ferne ein Tier röhrt, möchte man doch lieber in die eigenen vier Wände zurück. Umso stimmungsvoller wirken dafür Lichtquellen in der Dunkelheit. Ob nun Fackeln in der Hand, das Kaminfeuer im Haus, oder die brutzelnde Öllampe als Wegweiser in der Nacht: Alles trägt ganz wunderbar zur Atmosphäre in Icarus bei.
Auch die häufig auftretenden Stürme reihen sich hier nahtlos ein. Sei es nun peitschender Regen, oder Gewitter, die unter lautem Getöse den halben Wald in Brand stecken.
Dabei sind die Wetterbedingungen von Biom zu Biom natürlich unterschiedlich. In den kalten Eisgebieten peitschen Schneestürme die Temperaturen nach unten, in den trockenen Wüstengegenden hingegen, machen uns Sandstürme zu schaffen.
Glücklich ist, wer ein stabiles Häuschen sein Eigen nennt. Die weniger stabilen Gebäudeteile verfallen übrigens mit der Zeit (sofern wir keine Reparaturen durchführen) und geben ganz wunderbare Ruinen ab, die Icarus sich mit der Zeit wieder einverleibt.
Mal da, mal hier: Das Getier
Neben Wölfen, die in besonders dunklen Nächten ausnehmend gern mit Ihrem Geheul die Umgebung beschallen, gibt es noch allerhand anderes Getier, das da durch die Wälder streift.
Zum einen streifen ganze Rotwild-Familien durch die Landschaft, zum anderen ziehen meckernde Ziegen oder grunzende Wildschweine durchs Geäst. So weit so gut mag man denken, die Wölfe sind ja nun vom Problem zum Ressourcenlieferanten avanciert. Der perfekte Zeitpunkt für Icarus den Spieler Bekanntschaft mit Bären (im hohen Norden auch gern die Ursus-Arctus-Variante) machen zu lassen, die grundsätzlich in allem besser sind als wir selbst (die schreiben sogar Reviews).
Wem die Wildnis an dieser Stelle noch nicht wild genug ist, dem sei ein Besuch bei Leoparden, Riesenskorpionen oder auch Straußartigen Riesenmoas empfohlen.
Letztere sind übrigens bei entsprechender Tech und ausreichend Futter auch zähmbar und geben ganz wunderbare Reittiere ab.
Auf besagte Reittiere sollte man allerdings aufpassen, denn noch nicht gezähmte Wildtiere haben wenig Hemmungen damit, unser getreues Mount auf Ihre Speisekarte zu setzen.
Belohnet wird der fleiß´ge
Jede Aktion im Spiel, ob es nun Crafting, Sammeln oder das Töten von Wild ist, bringt dabei Erfahrungspunkte und die ersten Level sind dabei schnell erreicht.
Da es verschiedene Kategorien gibt, in denen der Spieler sich Dinge freischalten lassen kann, hat Rocketwerkz sich fairerweise dazu entschieden, bei einem Level-Up auch gleich in drei verschiedenen Systemen Skillpunkte zum Verteilen bereitzustellen.
Zum einen sind dies neue Blaupausen, die sich direkt darauf auswirken, was wir an unseren Werkbänken herstellen können. So erreichen wir zum Beispiel auch die höheren Tech-Stufen, in denen wir besseres Equipment, bessere Bauteile, Strom etc. Freischalten können.
Die zweite Kategorie ist für Skillpunkte für Solo-Spieler vorgesehen. Hier lassen sich verschiedene Charakterfähigkeiten verbessern. Zum Beispiel lassen sich Punkte investieren, um die eigenen Lebenspunkte oder die Ausdauer zu verbessern. Immer wieder praktisch ist es auch, die eigene Tragfähigkeit zu erhöhen.
Die dritte Kategorie ähnelt der ersten, ist aber speziell für Mehrspieler ausgelegt. Diese Skills sind zwar ebenfalls praktisch, aber nicht ganz so mächtig wie die Solospieler-Skills. Hintergrund ist wohl der, dass Rocketwerkz nicht möchte, dass Solospieler zu große Nachteile gegenüber Teamspielern haben. Wenig überraschend sind also die Solo-Tree Skills auch inaktiv, wenn man in einer Session gemeinsam mit anderen Spielern unterwegs ist.
So ergibt sich natürlich ein massiver Unterschied, zwischen einem frischen Charakter und einem Level 50 Char, was die Fertigkeiten und die Überlebensfähigkeit angeht. Aber so ist natürlich auch zu verstehen, dass ein großes Frustpotential gegeben ist, wenn man, wie Eingangs beschrieben, den eigenen Charakter auf einer Überlebensmission schlicht vergisst…
Mehrspieler
Icarus bietet die Möglichkeit Missionen im Alleingang, oder auch Sitzungsbasiert mit anderen Spielern zu bewältigen. Hierbei können bis zu 8 Spieler gemeinsam der harschen Natur von Icarus trotzen. Das heißt, dass einer der Teilnehmer die Sitzung “hosten” muss.
Das hat in unserer Erfahrung bisher immer reibungslos funktioniert und macht eine Menge Spaß, wenn man sich abspricht, wer welche Aufgaben übernehmen könnte. Zudem eröffnet es den Mitspielern (jedenfalls wenn man regelmäßig zusammenspielt) die Möglichkeit, sich bei den Skilltrees zu spezialisieren. So könnte ein gewählter Baumeister sich vorrangig Rezepte für Bauteile freischalten und seine Effizienz beim Materialverbrauch verbessern, während ein anderer sich vorrangig beim Erze schürfen verbessert.
Und wer sich schon einmal mit einem der größeren Unholde von Icarus angelegt hat (Ich schaue dich an, du verfluchter Riesenskorpion), der dürfte sich wahrlich über Unterstützung im Kampf und die einfache Wiederbelebungsmechanik unter Kameraden freuen.
Auch das gemeinsame Überspringen der Nachtzeiten funktioniert übrigens reibungslos. Negative Aspekte der Mehrspielersessions sind uns bisher nicht aufgefallen.
Fazit
Icarus ist heute ein reifes Sandbox-Survival-Spiel, mit einer schönen, Atmosphärischen Welt, umfangreichen und komplexen Crafting-Optionen und einer hohen Langzeitmotivation, durch die Freischaltungsmöglichkeiten in großen Skilltrees.
Hier wird zwar das Rad nicht neu erfunden, aber viele gut funktionierende Mechaniken sehr angenehm miteinander verwoben, so dass ein spaßiges Gesamtwerk ohne große schwächen entsteht.
Zudem liefert Rocketwerkz weiterhin Updates und Content wie ein Uhrwerk und hat das Ohr ganz nah an der Community.
Wer Survival und Crafting mag, aber dem Spiel bis heute keine Chance gegeben hat, sollte dies nun schleunigst tun.