Star Citizen 2023 – Noch immer eine unendliche Reise?

Star Citizen 2023

Wir stellen uns und Euch die Frage: Star Citizen – Eine unendliche Reise? – Wir beleuchten hier für Euch die Entstehungsgeschichte des Spiels und die davon ausgehende Faszination.

Spiel der Extreme

Als „Star Citizen“, also als PC-Spieler, der mindestens ein Starterpaket des gleichnamigen MMORPGs besitzt, steht man oft zwischen zwei Extremen. Auf der einen Seite Menschen, die noch nie etwas von Star Citizen gehört haben. Auf der anderen Seite Menschen, die einen mitleidig oder gar erschrocken anschauen. Ebenfalls in zwei unterschiedlichen Lagern: Star Citizen-Fans, mit denen man sofort in ein stundenlanges Gespräch über die Erlebnisse im Spiel verfallen kann, und Star Citizen-Gegner, die einem ebenso lange erzählen können, warum das Spiel ein einziger großer Betrug sei.

Ein Spieler steht auf der Oberfläche des Mondes Yela. Den Asteroidengürtel kann man übergangslos erreichen und durchqueren! (Quelle: robertsspaceindustries.com)

Turbulente Entwicklung

So vielfältig wie die Entwicklungsgeschichte ist, so vielfältig sind sicherlich auch die Meinungen zu diesem globalen Entwicklungs-Projekt. Angesichts der Höhen, aber vor allem auch der Tiefen kann man niemandem, der Star Citizen nicht aus nächster Nähe verfolgt, eine eher negative Meinung verübeln. Seit der Schöpfer von Star Citizen, Chris Roberts, im Jahr 2012 seine Vision eines „PC-Games“ veröffentlichte und damit eine monetäre Erfolgsgeschichte startete, die bis heute ihresgleichen sucht, haben sich nicht nur die Grenzen des technisch Machbaren verschoben. Auch das Spielkonzept hat sich erweitert.

Bildquelle: Screenshot des 2012 veröffentlichten Pitch-Vdeos, via IGN

Von der Vision zum Unternehmen

Der ursprüngliche Plan aus dem Jahr 2011 war es, ein Spieluniversum namens „Star Citizen“ zu realisieren. Mit der im Jahr 2012 startenden Kampagne auf der Spenden-Sammelplattform Kickstarter.com wurde „Squadron 42“ noch als Offline zu spielende Einzelspielerkampagne beworben. Für einen nicht unerheblichen Teil der „Backer“ – also Menschen, die mit ihrem Geld die Entwicklung von Star Citizen unterstützen – war dies der eigentliche Anlass, zum Vorhaben von Chris Roberts beizutragen.

Ende des Jahres 2015 aber wurde die Trennung beider Produkte bekanntgegeben, sowohl hinsichtlich der Entwicklung als auch der Vermarktung. Die Idee aber blieb für beides bestehen: das damals totgesagte Genre der Weltraumspiele wiederzubeleben und ein „reichhaltiges Universum, das sich auf epische Weltraumabenteuer, Handel und Dogfights in der ersten Person konzentriert“ zu entwickeln.

Wie in den 1990er-Jahren ist die Ausreizung der Grenzen der PC-Hardware das Ziel. Diese Vision, und vermutlich die guten Erinnerungen an Spiele wie Wing Commander, Privateer und Freelancer, ließen die Spendensummen explodieren. Chris Roberts und sein kleines Team aus Freunden und Enthusiasten wurden von der PC-Spieler-Community förmlich überrannt. Eine Entwicklung, die bis heute anhält und stetig wächst.

Das eigens für Squadron 42 und Star Citizen gegründete Unternehmen Cloud Imperium Games (CIG), das mit einem einstelligen Millionenbetrag startete, setzt heute dreistellige Millionenbeträge um. Dies vor allem durch den Verkauf von Raumschiffen, die es im Spiel zum Teil noch gar nicht gibt.

Bildquelle: Überblick über die jährliche Funding Entwicklung seit 2012, via ccugame.app

Zehn Jahre später – und kein Ergebnis?

Inzwischen schreiben wir das Jahr 2023. Im vergangenen Jahr feierte CIG sein zehnjähriges Bestehen und damit die ebenso lange Entwicklungszeit der beiden AAA-Spiele. Aber warum dauert das alles so lange? Und warum ist nicht damit zu rechnen, dass es weder für Squadron 42 noch für Star Citizen eine zeitnahe Veröffentlichung gibt? Die Gründe dafür sind vielfältig und sicherlich nicht in einem Satz abzuhandeln. Die Story in all ihrer Komplexität wurde bereits von einigen „Creators“, meist Youtubern, der Star Citizen Community aufgegriffen. Unter anderem kann man sich in dem Hintergrundvideo vom User „AstroSam“ aus dem Jahr 2021 ausführlich darüber informieren.

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Enthusiasmus führt zu Unmut

Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass es typische Gründerjahre waren. Fehler wurden gemacht, Konzepte entwickelt und wieder verworfen. All dies führte zu Verzögerungen der Projekte. Fremdlieferanten lieferten verspätet oder unbrauchbare Ergebnisse. Und dann waren da noch die extrem engagierten Mitarbeiter, die auch nachts und am Wochenende über technischen Problemen brüteten – und sie eines Tages lösten! In einem Demovideo mit dem Titel „From Pupil to Planet“ wurde erstmals die technische Machbarkeit einer übergangslosen Reise sozusagen aus der Pupille eines Menschen in den Weltraum demonstriert.

Auch prozedural erzeugte Planeten und sogar ganze Stadtplaneten erweiterten die Möglichkeiten des Visionärs Chris Roberts für seinen Traum eines virtuell frei erkundbaren Weltraums immer mehr. Infolge dessen trieb er seine Teams immer wieder an, neue Grenzen zu erkunden, das technisch bis dato Unmögliche möglich zu machen. Das führt auf der einen Seite zu faszinierenden Ergebnissen, die den interessierten PC-Spieler staunen lassen, wenn er diese unfertige Version des MMORPGs in der Alpha-Phase betritt. Andererseits wird Star Citizen einfach nicht fertig. Und das sorgt für Unmut, auch bei denen, die dem Projekt eigentlich positiv gegenüberstehen.

Das große Warten, Teil 1 und 2

In der Entwicklungsgeschichte von Star Citizen gab es zwei Phasen, die man als „08/15“ oder auch als „Warten auf Godot“ bezeichnen könnte: Unzählige Wochen und Monate des Wartens, ohne dass etwas Bahnbrechendes passiert wäre. Die erste Phase war das Jahr 2017, in dem die technische Basis von Star Citizen auf eine 64Bit Fließkommaberechnung umgestellt wurde. Erst damit wurde die präzise Berechnung von mehreren Millionen Quadratkilometern großen Levels, also sozusagen die Berechnung des Weltraums, überhaupt erst ermöglich. Zwölf Monate später, zum Ende des Jahres 2017, war es vollbracht, und die Versionsnummer der Alpha-Version von Star Citizen hob sich von 2.6 auf 3.0.

Die Veröffentlichung dieses Patches 3.0 ermöglichte erst die komplexen Berechnungs- und Streamingsysteme, das technische Herz von Star Citizen. Object Container Streaming sowohl auf Client- als auch auf Serverseite, multi-threaded loading, serialized variable culling, StarHash und pCache sind nur einige der magischen Worte, die für CIG keine Hexerei, sondern ernste Realität waren und entwickelt werden mussten. Wie komplex bereits dieser erste Teil war, zeigt die Dokumentation „Object Container Streaming“.

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Umstrukturierung

Warum ist die Entwicklung von Star Citizen so kompliziert – und warum wurde Squadron 42 nicht veröffentlicht, das all diese Technologie doch gar nicht braucht?

Die Antwort habt ihr bereits im ersten Teil dieses Artikels gelesen: Das Ziel von Chris Roberts war es immer, dass man nach dem Durchspielen der Singleplayer-Kampagne nahtlos in die Multiplayer-Welt übergehen kann. Das heißt, die technologische Plattform muss die gleiche sein. Solange diese technologische Plattform nicht existiert, wird die Singleplayer-Kampagne nicht veröffentlicht.

Dennoch bedingen sich die Entwicklungen gegenseitig, und CIG hat einen starken Fokus auf die Fertigstellung von Squadron 42. Das zeigt sich auch in der Umstrukturierung des Unternehmens, die im Jahr 2022 stattfand: In Manchester wurden große Büroflächen neu gebaut und angemietet, viele Mitarbeiter auch aus den USA und Deutschland wurden dort zusammengezogen, um mit geballter Kraft an diesem AAA-Titel zu arbeiten.

Konzeptzeichnung der neuen CIG Bürofläche in Manchester/UK, via cloudimperiumgames.com

Cloud Imperium trifft Amazon Web Services

Währenddessen gehen in Frankfurt, der Tech-Zentrale von Cloud Imperium, die Arbeiten an der technischen Basis weiter. Dabei geht es aber nicht mehr um die Levelberechnung, sondern um die Kommunikation der Server untereinander. Das Ziel: Star Citizen soll nicht mehr von instanziierten Servern berechnet werden.
In diesem Rahmen folgt die  Zerlegung der Spielewelt in viele Teile, deren Berechnung von jeweils anderen Servern in so genannten „Shards“ erfolgt. Um den Spielern eine übergangslose Spielwelt zu ermöglichen, wird ein Kommunikationskonzept der Server untereinander sowie eine ausfallsichere Speichersystematik erstellt, das sogenannte „Servermesh“.

Dazu ist die Adressierung verschiedener Datenbanken nötig, damit auch bei einem Serverausfall keine Daten verloren gehen und bei einem Servercrash das gesamte Mesh zusammenbricht. Die Entwicklung dieses Konzepts erfolgt in Zusammenarbeit mit Amazon Web Services (AWS). Diese verfügen bereits hardwareseitig über das Servermesh. Anschließend erfolgt die Adressierung des Meshes von der Software, die von CIG entwickelt wird. Versuche einer Implementierung eines solchen Systems gab es bereits von anderen Entwicklern. Bis zur Marktreife hat es aber keiner bislang geschafft.

Bildquelle: Serverfarm (Pyro, WIP), aus Inside Star Citizen: Meshing Together Part 1