Pokémon Karmesin / Purpur – Test / Review

    Die Fans haben bereits vorbestellt und damit einen Test beinahe überflüssig gemacht. So jedenfalls könnte man das bei einem neuen Titel aus dem Pokémon-Universum schon fast stehen lassen. Doch dann kam Pokémon Karmesin / Purpur und hat für Aufruhr gesorgt. Aber ist es wirklich ein „Totalausfall“, wie von der Fachpresse groß beschlagzeilt?

    Vorneweg: Nein! Die Sorgen und Nöte, Probleme und das „Was-man-alles-hätte-besser-machen-können“ schauen wir uns noch etwas genauer an. Aber zuerst möchte ich an dieser Stelle eines erwähnen, nämlich die Fans, die sich zwar durchaus in den einschlägigen Foren im Internet Luft machen, aber trotzdem auch so viel Positives der neunten Generation abgewinnen. Dass es sich dabei lediglich um ein „Schönreden“ handelt, wage ich zu bezweifeln. Trotz einiger Schwächen, gibt es auch viel Neues und Positives zu berichten. Also begleitet uns auf unserer kleinen Reise durch die Paldea-Region und unseren Test.

    Der Anfang

    Die Reihe hat es traditionell schon immer auch den Newcomern einfach gemacht. Noch nie einen Teil der Reihe gespielt? Kein Problem. Willkommen als neuer Student an der Akademie und schon geht es ins Abenteuer.

    Die Geschichte führt uns in die spanisch angehauchte Paldea-Region. Als neuer Student der Akademie dürfen wir uns ein Starter-Pokémon aussuchen und die nähere Umgebung erkunden, bevor der Unterricht beginnt. So bekommt man direkt einen kleinen Einblick in den grundlegenden Spielablauf und auch in die vielen Freiheiten der Open World.

    Ein paar Unterhaltungen mit dem Direktor der Akademie und unserer neuen besten Freundin Nemila später und schon stecken wir auch schon im ersten kleinen Abenteuer, nun, eigentlich sind wir ja erst noch auf dem Weg zur Akademie. Doch uns fehlt noch eine wichtige Figur, bevor es mit der Story weitergeht.

    Am Strand begegnen wir einem ungewöhnlichen Pokémon in Nöten. Doch ebenso, wie Koraidon/Miraidon (Anm. der Redaktion: je nach Version) Eure Hilfe benötigt, erweist er sich auch schnell als Euer Helfer in der Not und noch so viel mehr.

    Soviel darf bereits verraten werden: Koraidon/Miraidon übernimmt fortan die Rolle des Fortbewegungsmittels. Zu Anfang lediglich als bequemes Reittier, doch im Lauf der Geschichte, wachsen seine Fähigkeiten und er befördert Euch ebenso sicher durch Gewässer, über steile Klippen und durch die Lüfte. Allerdings müssen wir uns erst noch durch ein paar lose Enden der Handlungspfade durcharbeiten, bevor es dann richtig ins Abenteuer geht.

    Pokémon Karmesin / Purpur – Drei Hauptstories

    Die Macher haben sich hier sehr motiviert gezeigt und anstatt einer großen Story sich derer gleich drei einfallen lassen.

    Ganz klassisch verfolgt Ihr auf dem Weg des Champs Euren Weg durch Paldea durch acht Arenen. Hier müssen die jeweiligen Arenaleiter besiegt werden. Anschließend erfolgt die Aufnahme in die Pokémon-Liga, wo weitere Kämpfe gegen die stärksten Trainer Paldeas anstehen.

    Auf der Straße der Sterne bekämpft und zerschlagt Ihr die fünf Lager der Rowdys von Team Star. Nebenbei erfahrt Ihr auch deren Hintergrundgeschichte.

    Last but not least könnt Ihr aber auch auf dem Pfad der Legenden wandeln. Hier müsst Ihr fünf besonders große und starke „Herrscher-Pokémon“ bezwingen und hinter deren Geheimnis kommen.

    Ihr müsst Euch aber nicht unbedingt für eine Geschichte oder eine bestimmte Reihenfolge entscheiden. Ihr könnt, ganz selbstbestimmt und in Eurem eigenen Tempo, alle drei Stories abarbeiten. Allerdings ist der Pfad der Legenden auch für Euer Koraidon und dessen Aufbau seiner Fähigkeiten wichtig. Daher solltet Ihr Euch damit recht bald beschäftigen. Am Einfachsten ist es, wenn Ihr Euch allen drei Storylines parallel widmet.

    Ganz nebenbei füllt Ihr noch Euren Pokédex, lernt Sandwiches zuzubereiten, veranstaltet nette Picknicks und erkundet ganz Paldea. Unterwegs kloppt Ihr Euch mit allen möglichen Pokémon-Trainern und wilden Pokémon. Hach, eigentlich wäre alle so wunderbar.

    Aber…

    Drei Hauptstories? Wow… sollte man jedenfalls meinen, allerdings schwächeln alle drei Geschichten. Als Gesamtpaket betrachtet ergibt sich zwar eine ordentliche Spielzeit, allerdings verbringt man diese mit vielen Kleinigkeiten und nur immer eher weniger mit dem Voranschreiten der oder aller Geschichten. Die Open World lässt einen sehr viel Zeit auf der Straße verbringen. Im Jahr 2022 wäre etwas mehr „Tiefgang“ in wenigstens einer der drei Linien doch auch wünschenswert gewesen. So bleibt der Plot doch recht flach und leider auch sehr vorhersehbar.

    Insgesamt ist der Schwierigkeitsgrad sehr niedrig angesetzt. Gerade bei den „mächtigen Herrscher-Pokémon“ kratzt man sich nach dem schnellen Sieg verwundert am Kopf. Mit dem Grundwissen, welche Taschenmonsterchen effektiv gegen einen bestimmten Typ Pokémon einzusetzen sind, werden alle „Herausforderungen“ kaum als solche wahrgenommen. Mein Herz schlägt hier durchaus für Neulinge im Spiel, aber als „alter Hase“ dürfte da auch gerne eine schwierigere Gangart eingeschlagen werden.

    Hier fällt auch die Erstürmung der Basislager von Team Star eher negativ auf. Einerseits wurde ganz erfrischend eine neue Idee des Kämpfens umgesetzt, andererseits hat das Ganze mit einer Herausforderung überhaupt nichts zu tun. Die Einnahme des jeweiligen Lagers erfolgt mit den ersten drei Pokémon aus Eurer Liste. Diese schickt ihr einfach vor Euch her. Innerhalb von 10 Minuten müssen 30 gegnerische Pokémon erledigt werden. Ihr müsst also lediglich die Gegner auf dem Areal finden. Das ist es auch schon. Sobald dieser Part abgeschlossen ist, stellt sich Euch der Anführer in den Weg, der Euch dann aber auch noch kaum überraschen kann.

    Freiheit

    Das Thema „Open World“ und die damit verbundenen Freiheiten. Dem Versprechen, Ihr könnt überall hingehen, wohin Ihr auch wollt, solltet Ihr anfangs eher skeptisch gegenüber stehen. Solange Euer treues Reit-Pokémon über nur sehr wenig Fähigkeiten verfügt, besteht Gefahr, dass Ihr regelrecht stecken bleibt. So solltet Ihr Euch hauptsächlich auf den vorgegebenen Pfaden bewegen.

    Optik und Technik

    Optisch bekommt man ebenfalls so eine „Gefühlsmischung“ serviert. Ähnlich wie schon zuvor bei Pokémon Legenden Arceus bietet die Landschaft einerseits nur wenig Details. Gerade die Fernblicke von einem der vielen Aussichtstürme sind „OK“ … tja, obwohl sie auch „überwältigend“ sein könnten. Das ewige Leid des Nintendo-Spielers?

    Aus der Nähe betrachtet, was uns zum „andererseits“ bringt, tummeln sich sehr viele Pokémon auf den Wiesen, im Unterholz und auf den Pfaden unserer Reise. Das sorgt für die notwendige Belebung der Umgebung und lenkt den Blick auf das Wesentliche. Wir sind ja schließlich nicht hier wegen der Aussicht…. (*zwinker*).

    Wesentlich nerviger ist das mal mehr und dann mal wieder weniger stark auftretende Geruckel. Die schwache Auflösung lässt außerdem die Taschenmonsterchen in der freien Natur recht spät auftauchen, was dann auch mal zu ungewollten Konfrontationen führt.

    Die beschaulichen Städte und Dörfer auf unserem Weg sind auch nur auf den ersten Blick belebt. Eigentlich würde so manche Kulisse ja zum gemütlichen Stadtbummel einladen. Allerdings folgt die Ernüchterung schlagartig, denn das Ladeninnere bekommt Ihr nicht zu Gesicht. Quasi an der Tür bekommt Ihr sofort die Shopping-List präsentiert und könnt dann dort Euren Einkauf erledigen. Auch die in den Städten anzutreffenden NPCs sind eigentlich alle irgendwie gleich. Eine wirkliche Unterhaltung kommt so kaum zustande und die wenigen Sätze sind die damit verbrachte Zeit auch nicht wert. Ebenso geht es auf den Pfaden außerhalb der bewohnten Gebiete zu. Die dort herumstehenden NPCs warten auf Pokémon-Kämpfe. Sprecht Ihr diese an, gibt es eine Klopperei, die Euch, im Falle des Sieges, Geld und Erfahrungspunkte bringt.

    Technisch sind wir also da schon sehr auf den harten, kahlen Boden der Realität geprallt. Während des Tests gab es dann auch noch insgesamt drei Totalausfälle. Gut, dass das Spiel selbstständig speichert und die durch die Abstürze verlorenen Fortschritte waren nie so groß. Dennoch ein absolutes No-Go.

    Kämpfe

    Zurück also zum wirklich wichtigen Aspekt: die Kämpfe. Wie bereits bei Pokémon Legenden Arceus, gibt es keinen separaten Kampfbildschirm mehr. Hier wird direkt an Ort und Stelle gekloppt. Das fühlt sich unheimlich richtig an und sieht außerdem auch noch gut aus.

    Der Kampf selbst läuft rundenbasiert ab. Nach dem altbekannten Prinzip müsst Ihr Eurem eingesetzten Pokémon eine Kampfanweisung geben, gegebenenfalls mit einem Heiltrank helfen oder das wilde Gegner-Taschenmonster mit einem Pokéball einfangen. Alles wie gehabt und genau so, wie es sein soll.

    Doch es gibt auch ein paar Neuerungen. So könnt Ihr Euer erstes Pokémon in der Teamliste auf eigenständige Autokämpfe losschicken. Ihr könnt zwar die Gegner nicht einfangen, dafür levelt Euer Team selbstständig quasi „nebenher“ so regelmäßig auf.

    Mit der „Terakristallisierung“ hält außerdem ein neues Kampf-Feature Einzug in die Spielreihe. Vergleichbar ist diese Fähigkeit mit der Dynamaximierung aus Schwert und Schild. Zwar wachsen unsere Pokémon diesmal nicht, bekommen dafür aber einen schicken Kristallpanzer und eine Verstärkung der Tera-Typ-Attacken. Allerdings könnt Ihr nur ein Pokémon aus Eurem Team pro Kampf kristallisieren lassen. Daher solltet Ihr Euch hier eine entsprechende Taktik überlegen.

    Gotta Catch ´em all!

    Die neunte Generation lockt mit jeder Menge Taschenmonster. Sie sind wirklich überall. Egal ob in der Wüste, neben der Straße, auf den weiten Wiesen, im Wasser und auch in der Luft. Nach kurzer Zeit verfällt man regelrecht ins Jagdfieber. Nennt mich anspruchslos, aber mir hätte schon die reine Pokémon-Sammelwut ausgereicht. Ähnlich wie in Legenden Arceus könnt Ihr Euch anschleichen, das Monsterchen anvisieren und einen Pokéball werfen. Allerdings startet dann immer erst ein Kampf, in dem wir das Pokémon schwächen müssen, bevor es endgültig im Ball eingefangen werden kann.

    Wer sich völlig, egal ob während der Story oder erst danach, auf den Pokédex stürzt, muss immerhin 400 Pokémon fangen um ein vollständiges Verzeichnis zu erlangen.

    Multiplayer

    Mit bis zu drei weiteren Spielern könnt Ihr, wie bereits in Schwert und Schild, via Switch Online an Raids teilnehmen. Innerhalb der Raids begegnet Ihr besonders starken Pokémon, die Ihr zu viert in Echtzeit bekämpfen müsst.

    Weiter gibt es noch einen Vier-Spieler-Koop. Hierzu könnt Ihr Euch Freunde in Eure Welt einladen. Gemeinsam könnt Ihr dann durch Paldea laufen und gemeinsam Pokémon einfangen. Hierzu müsst Ihr beachten, dass der Fortschritt beim Host gespeichert wird.

    Gegen Trainer auf der ganzen Welt dürft Ihr dann noch im Kampf Stadion Euer Können unter Beweis stellen.

    Mit Euren Freunden könnt Ihr natürlich auch Eure gefangenen Pokémons tauschen um Eure Sammlung zu vervollständigen.

    Um Online mit Freunden und Fremden spielen zu können, benötigt Ihr allerdings das kostenpflichtige Switch Online-Abo. Kostenlos geht das nur im Couch-Koop.

    Fazit

    Wie eingangs beschrieben, fällt mir die Wertungsfindung schwer. Aber obwohl es ganz klare Abstriche bezüglich Grafik und auch einige technische Probleme gibt, schafft es die 9. Generation irgendwie dann doch noch diese gewisse Begeisterung in mir auszulösen. Nennt es nostalgische Gefühle oder auch den ewigen Nintendo-Enthusiasmus. Ich fühl mich, ähnlich wie schon zuvor in Legenden: Arceus, in der Paldea-Region ganz gut aufgehoben.

    Ja, es wäre viel mehr drin gewesen. Eindeutig. Sowohl technisch, als auch spielerisch, dennoch ist das alte Sammelfieber wieder entfacht. Die meisten hohen Erwartungen wurden allerdings enttäuscht. Die technischen Probleme verpassen einen zusätzlichen Dämpfer. Wäre da nicht die altbewährte Pokémon-Formel mit ihrer Einfachheit, sähe eine Wertung komplett anders aus.

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    Mehr Informationen

    Für den Test wurde uns von Nintendo ein kostenloser Code für Pokémon Karmesin zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme durch den Publisher erfolgte nicht.

    Bildquelle: Nintendo

    Dagmar Götschl
    Ich bin Nintendo-Fan der ersten Stunde und darf mich hier bei den Spieletests und in der News-Sektion austoben. Ich spiele mich gerne durch meine Retrogames-Sammlung, erfreue mich aber auch an den neuesten Spielen für meine Nintendo Switch.