The Crew – Test / Review

    Nur noch wenige Tage, dann endet dieses ereignisreiche Jahr auch schon wieder. Kurz vor dem Finish winkt Ubisoft noch schnell die karrierte Flagge und lässt The Crew über die Ziellinie rauschen. Wie sich der Racer spielt, das könnt ihr jetzt bei uns im Test zu The Crew erfahren.

    Unsere Rezension basiert auf der Spielversion für Xbox One.

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    The Crew – Launch Trailer

     

    Rückblickend auf die angekündigten Spiele für 2014 hätte es das Jahr der Rennspiele sein können. So ziemlich alles, was Rang und Namen hat, jubelte den hauseigenen PS-starken Racer in den Himmel. Den erfolgreichen Start in dieser Reihe legte Forza Horizon 2 hin, das folgende DriveClub von Sony war leider ein halbes Debakel. Und jetzt also schickt Ubisoft das lang erwartete The Crew auch auf die Piste – endlich!

    Vorweg an Wort an die Spieler der Beta. Vergesst, was ihr in der Vorabversion von The Crew gesehen habt. Eine Beta dient dem spielerischen Feinschliff und soll potentiellen Käufern schon vorab das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Im Falle von The Crew, wo die letzte Beta ja recht kurzfristig vor Release stattfand, schneidet die Beta allerdings deutlich schlechter ab, als die jetzt vorliegende Verkaufsversion. Die Zwischenzeit hat man im Entwicklerteam also anscheinend wirklich sinnvoll genutzt: Die Kantenglättung ist deutlich ausgebessert und überhaupt hat man die Grafik insgesamt um ein gutes Stück angehoben. Auch die Fahrphysik scheint nochmals auf den Prüfstand geschickt worden zu sein, jedenfalls haben wir ein wesentlich besseres Fahrgefühl, also noch zu Betazeiten.

     

    Gefangen zwischen den Fronten

    Zum guten Ton für 99,9% aller Spiele egal welchen Genres zählt die Einflechtung einer Story – und sei sie noch so dämlich. In The Crew ist sie immerhin Mittelmaß, wobei kein Spieler dieser Welt eine durchdesignte Geschichte mit Twists und Oha-Momenten in einem Rennspiel erwartet. Und so setzt man auf eher seichte Gut gegen Böse Passagen. Da wären auf der einen Seite die vielen Street Racer Gangs, die sich rivalisierende Motorschlachten untereinander liefern. Auf der anderen Seite treten diesen StVO-Verweigerern natürlich die Cops entgegen, die brav für Ruhe und Ordnung auf dem Asphalt sorgen wollen. Doch ganz so nett scheinen die Gesetzeshüter ebenfalls nicht zu sein, jedenfalls geht das Gerücht um, dass sie von den Gangs bereits zahlreich korrumpiert wurden. Zu allem Überfluss verdächtigt man uns, natürlich fälschlicherweise, den Mord am eigenen Bruder verübt zu haben. Um aus dieser Nummer wieder rauszukommen, arbeiten wir fortan als Spitzel zwischen den Fronten und müssen das gefährliche Spiel mit dem Feuer mitspielen.

    The Crew gelingt es, diese durchaus akzeptable Storyline in richtig spannende Sequenzen zu packen. Dadurch vergisst man manchmal den fehlenden Tiefgang dank der wirklich exzellenten Darstellung und Fortführung der Geschichte mittels Rendersequenzen. Die CGI-Sequenzen sind restlos alle sehr schön in Szene gesetzt und haben eine erstaunlich hohe Qualität, die fast schon an einen Kinofilm erinnert.

    Hat die Karte auch ein Ende?

    The Crew wurde als open-world MMO Racer angekündigt. Um sich das Prädikat einer offenen Spielwelt zu verdienen, müssen die Entwickler entsprechend großflächig und detailverliebt denken. Gerne erinnern wir uns an die zahlreichen Trailer im Vorfeld der Veröffentlichung, die fast ausnahmslos auf die riesige Spielwelt hinwiesen. Große Töne kann jeder vorher spucken, aber seine Versprechen einzuhalten ist eine ganz andere Hausnummer. Um es abzukürzen: Die Spielwelt von The Crew ist einfach nur gigantisch!

    In etwa sind 5000 km² im verkleinerten Maßstab der USA ins Spiel gewandert. Diese Zahl muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Für den Fall, dass es Zahlenfetischisten unter den Lesern gibt, dann schaut mal her: 6000 km Straßennetz, 1000 Städte, 12 legendäre Großstädte (New York, Las Vegas, uvm.) und 11 verschiedene Ökosysteme. In welchem Verhältnis der Maßstab genau liegt, wissen wir nicht, dennoch haben wir zur Verdeutlichung mal die Probefahrt von der West- an die Ostküste unternommen. Und für diesen Weg haben wir mehr als 2 Stunden reine Fahrzeit benötigt. Wohlgemerkt mit einem Boliden im dreistelligem PS-Bereich.

    Von einer großen Spielwelt zu sprechen, würde The Crew aber noch nicht einmal gerecht werden. Nein, obendrein wurde jeder Quadratmeter dieser Welt auch noch detailliert mit Elementen der Flora und Fauna bestückt. Kilometerlanges Ödland mit Wassertürmen, Agrarfeldern und Nutzvieh wechselt sich ab zugunsten dicht besiedelter Kleinorte samt Infrastruktur und blühenden Vorgärten. Phasenweise bleibt da die Kinnlade kurz offen und ein leises „Woah!“ entspringt unserem Mund. Auch hier haben die Trailer mit der Aussage „einer Reise“ Wort gehalten. The Crew hat eine sehr dichte und authentische Atmosphäre, die seinesgleichen in einem andere Rennspiel suchen geht. Sicherlich fehlt im direkten Vergleich andere Genres die Dichte an Objekten, hier sei GTA V als Vergleich erwähnt, aber in der Summe passt in The Crew einfach fast alles zusammen. Das Sahnehäubchen bilden die wechselnden (aber leider nicht dynmaischen) Wettergegebenheiten, die der Szenerie das fehlende i-Tüpfelchen aufsetzen.

    Wir haben uns mehrfach dabei ertappt, einfach mal ein X-beliebiges Reiseziel auszusuchen und eine Route dorthin zu planen. Erstmal ab in die Wüste, einfach mitten rein in die staubtrockene Sandlandschaft. Danach einen kurzen Abstecher zum Yellowstone Nationalpark. Und unterwegs können wir gleich noch bei den Niagarafällen vorbeischauen. So etwa sieht eine Spielsession bei The Crew aus. Man vergisst fast, dass das Spiel eine Story mit entsprechenden Missionen hat, so viel Spaß macht die freie Erkundung in den schicken Autos.

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    Die Spielwelt mit all ihren Facetten ist phantastisch

     

    Missiondesign ala Ubisoft

    Ein kurzer Blick ins starke Portfolie von Ubisoft und man hat jüngst zwei große Namen parat: Assassin’s Creed und Far Cry. Wer die Serien kennt, der weiß, worauf die Überschrift anspielt. Die Spielwelt ist mit allerhand Symbolen zugekleistert und hinter jedem verbirgt sich ein neuer Einsatz. Nehmt dieses Muster, wendet es auf The Crew an und ihr habt das Endergebnis auf der Hand. Als Beispiel: In Assassin’s Creed erklimmen wir Aussichtspunkte und legen so einen neuen Ausschnitt der Karte samt verfügbaren Missionen frei. In The Crew fährt man Datenstationen an und legt dadurch ebenfalls Kartenausschnitt und Einsätze frei. Prinzip erkannt, oder? Was nicht unbedingt bedeutet, dass dieses Grundmuster ein schlechtes ist, aber man kennt es eben mittlerweile bereits zu genüge und nicht jedem Spieler sagt der Überfluss an aufpoppenden Symbölchen zu. In der Summe bietet The Crew rund 900 solcher Aktivitäten, die quer über die ganze Map verstreut sind. Wer keinen Spaß an freien Fahrten hat, der wird letztlich mit dieser Vielzahl an Fahreinsätzen auch nahezu jeden Winkel der Karte erkundet haben.

    Der Name des Spiels kommt natürlich nicht von ungefähr, denn es dreht sich letztlich tatsächlich alles um die eigene Crew. Im Verbund mit 4 Spielern schustert man sich sein Team zusammen und nimmt an allen anstehenden Events teil. Egal ob Storymission, Herausforderung oder Sidequest, alles wird möglichst im Team erledigt. Und man darf sich natürlich auch schweißtreibende Hetzjagten mit anderen Crews geben, die mitunter richtig adrenalingeladen sind. Für (Wieder) Einsteiger ermöglicht das Schnellreisesystem ein fixes Zurückfinden zu seinen Mitgleidern, so dass lange Fahrten durch die Spielwelt überflüssig werden.

    An der Story hat man als erfahrener Rennfahrer gut und gerne 20 Stunden zu spielen, bevor die Ziellinie naht. Dabei muss man festhalten, dass die Einsätze sehr abwechslungsreich gestaltet sind, ab der Mitte bis zum Ende hin aber an Fahrt und somit auch ein wenig an Motivation verlieren. Lohnend sind sie aber alle, denn mit jedem beendeten Einsatz winken teils saftige Belohnungen. In The Crew pushen wir damit allerdings keine Charakterstats, sondern möbeln unseren Boliden auf.

    Denn unser Fahrzeug entspricht dem Avatar, unserem Ebenbild im Spiel. So wird das Tuning ersatzweise dafür verwendet, um die Stats zu pushen und einzelne Attribute zu stärken. Autoteile wie Spoiler, Einspritzpumpen und Reifen bringen uns wertvolle Pluspunkte für die Statistik und spiegeln so in etwa unseren „Stärkegrad“ wider. Begonnen wird natürlich mit einem recht schmucklosen Fahrzeug, erst im Verlauf des Spiels stehen uns weitere der rund 50 lizensierten Fahrzeuge zur Auswahl offen. Was im ersten Augenblick nach einem sehr kleinen Fuhrpark aussieht, ist in der Realität aber so gewollt. Man verbringt nämlich viel Zeit mit seinem Schlitten und wechselt ihn vergleichsweise selten, was dem Tuning einen besonderen Stellenwert garantiert. Später kommt man in den Genuss, dass man sich verschiedene Fahrzeuge mit unterschiedlichen Tuningkits ausrüsten darf, die jeweils für einen bestimmten Modus (z.B. Ralley oder Geländedrive) perfekt geeignet sind.

    Schaut man auf die Fahrphysik und das -verhalten der Karren, dann merkt man schnell, dass The Crew mit einer Simulation nicht im Entferntesten etwas gemeinsam hat. Viel mehr steht der knackige Fahrspaß im Vordergrund, arcadelastige Rennen mit hohen Geschwindigkeitsgefühl also. Die schwammige Steuerung der Beta wurde spürbar angezogen, wobei viele Fahrzeuge noch immer recht unsanft auf der Straße liegen und sich nicht 100% präzise manövrieren lassen. Hier darf gerne nochmal nachgebessert werden, denn gerade in den PvP-Rennen zeichnen sich bereits jetzt schon eindeutig präferierte Fahrzeuge ab.

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    Mit der KI der Cops sind wir nicht ganz zufrieden

     

    Was hätte besser laufen können

    Zweifelsohne ist The Crew ein klasse Racer geworden, aber es gibt noch ein paar Baustellen, die uns aufgefallen sind.

    • Der Spieleinstieg kann mitunter sehr frustrierend sein. Gerade die ersten Fahrzeuge sind ohne entsprechende Tuningteile widerspinstiger als ein Gaul ohne Sattel. Neueinsteigern wird so das Leben unnötig schwer gemacht, was gerade in einem Onlinespiel teils nervig ist.
    • Der Onlinezwang ist eine Zumutung. Die Storyline könnte man getrost alleine spielen und da tut sich uns ein großes Fragezeichen über dem Kopf auf, warum man zwingend online spielen muss. Besonders kurz nach Release und dem entsprechend hohen Nutzeraufkommen ist das extrem frustrierend, weil die Server gerne die vielzitierte Grätsche machen und man so unnötig am Spielspaß gehindert wird.
    • Die KI ist zu unausgewogen. Da erleben wir teilweise Fahrer, die mit 200 PS und mehr vor uns in Deckung kuschen und im nächsten Moment Cops, die in ihren abgenutzten Karren locker an unserem Hintern kleben, obwohl unser Schlitten eigentlich ganz locker flockig binnen Sekunden aus ihrem Sichtfeld verschwunden sein müsste. Der Gummibandeffekte ist zwar nicht vorhanden, aber ausgeglichen ist die KI keinesfalls.

    Sound & Grafik

    Der Sound verdient mit Ausnahme der deutschen Synchronsprecher einen Daumen nach oben. Die Motoren und Auspuffrohre dröhnen ordentlich und der Soundtrack mit lizensierten Tracks bietet dank gutem Mix eine gehörige Abwechslung.

    Eingangs erwähnten wir bereits die phantastischen CGI-Sequenzen, also auch hier zunächst einen Pluspunkt für die Grafik. Allerdings bemerkt man beim genaueren Hinsehen kleinere technische Defizite. Die Framerate purzelte gelegentlich unter die versprochenen 30 Frames, was zu seichten Minirucklern führt. Und auch mit dem Anti-Aliasing scheint man es nicht so genau genommen zu haben, denn die störendenen Linien sind uns gleich mehrfach ins Auge gesprungen. Wen solche Feinheiten nicht stören, der kommt mit The Crew grafisch voll auf seine Kosten. Gerade die Licht- und Wetterwechsel versprühen ein gutes Maß an Flair.

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    Auch das kleinste Tuning hat in The Crew große Tragweite

     

     

    Fazit

    Mit The Crew hat Ubisoft eigentlich sehr viel richtig gemacht und uns einen tollen MMO-Racer präsentiert. Nur über die Aufgabe im Spiel sind wir noch uneins: Es macht nämlich schlicht fast schon zu viel Spaß, einfach ziellos durch die Staaten zu heizen und alle Aufträge einfach links liegen zu lassen. Nimmt man sich der Kampagne dann aber doch an, bekommt man abwechslungsreiche Missionen geboten, die erst im letzten Drittel nachlassen. Fakt ist, dass man für The Crew viel Spielzeit einplanen sollte, um bei den heißen Rennen bestehen zu können. Spielt dieses Spiel nicht, wenn ihr schwere Einstiege hasst oder keine Zeit in den Spielfortschritt investieren wollt. Dann aber entgeht euch ein wirklich packendes Abenteuer auf vier Rädern, dessen größter Knackpunkt es ist, dass es einen Onlinezwang besitzt.

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    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur