Street Fighter II – Die Mutter aller Beat’em Ups (Retro Review)

    1991.

    Capcom. Die Genies hinter illustren Spieleserien wie Resident Evil, der in Deutschland indizierten/beschlagnahmten Spielereihe mit den Zombies im Kaufhaus, Mega Man und Devil May Cry, sollten 1991 einen Automaten in die Spielhallen bringen, der von Null auf 100 einschlug wie eine Bombe und die Spielhallen die folgenden Jahre beherrschen sollte wie kaum ein Zweiter. Die Rede ist von Street Fighter II; ein Beat’em Up, welches in solcher Form noch nie zu sehen war.

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    Street Fighter II, SNES-Version.

    Während der Vorgänger Street Fighter (I) – welcher auf manchen Heimveröffentlichungen auch als Fighting Street bekannt war – bereits 1987 in die Spielhallen kam und wenig Aufsehen erregte, sollte dies beim Nachfolger ganz anders werden.
    In dieser Kolumne möchten wir darlegen, wieso Street Fighter II so ein Erfolg wurde und wieso das Spiel sich den Titel Mutter aller Beat’em Ups absolut verdient hat.

    Technik

    Kein Spiel, ob in der Spielhalle oder auf der Konsole, kommt ohne gute Technik aus. Während man heute hauptsächlich versucht, die Grafik auf ein immer neueres Level zu heben, um den Realismus voranzutreiben, war die Technik damals dafür nicht ausgereift; also musste man andere Punkte in Angriff nehmen. Die Hardwareeigenschaften des Automaten hielten sich also, für heutige Maßstäbe, in Grenzen. 4096 Farben bei einer Rasterauflösung von 384 x 224 Pixeln mussten genügen.
    Punkten konnte man allerdings bei der Technik des Gameplays. Jeder Charakter – spielbar waren es 8 an der Zahl – besaß zig. Kampftechniken, und ein Novum waren die damals Special Move genannten Manöver; mal mehr und mal weniger schwierige Tastenkombinationen, mit denen man den Gegner mit speziellen Attacken angreifen konnte; Spieler – die zu der Zeit schon mit Street Fighter II in Berührung kamen – werden sich sicher daran erinnern, dass Wortschöpfungen wie Ha-Dou-Ken und Shōryūken (Ken und Ryu), Schlag der tausend Hände (E. Honda), Sonic Boom oder Flash Kick (Guile) damals gängig in Unterhaltungen über dieses Spiel waren.
    Auch die Balance der Charaktere untereinander war ausgeglichen; man konnte eigentlich mit jedem Charakter punkten. Während es Kämpfer gab, mit denen man aus der Distanz gewinnen konnte (wie über die Feuerbälle von Ryu, Ken und Guile), so konnte man mit Nahkämpfern wie Blanka und Zangief den Gegner richtig quälen.

    Die Charaktere

    Der Grund, wieso Street Fighter II so ein Erfolg wurde, lag mit Sicherheit auch an den Charakteren. In den diversen Manuals, die dem Spiel in seinen verschiedenen Reinkarnationen beilagen (das Spiel wurde auf beinahe jeder Konsole und jedem Heimcomputer der damaligen Zeit veröffentlicht), wurde die Hintergrundgeschichte eines jeden Charakters erläutert, und auch im Spiel selbst bzw. den End-Game Sequenzen wird meist klar, wieso sich der jeweilige Charakter entschied, am Street Fighter Turnier teilzunehmen.

    Neben oben genannten 8 Hauptcharakteren im ersten Street Fighter II, gab es auch noch 4 Boßgegner, damals schlicht Großmeister genannt.

    Hier kam es auch zu einem recht witzigen Detail, welches der geneigte Leser sicher interessieren dürfte.
    Wie heute jeder wissen dürfte, gab es in dem Spiel auch einen Boxer namens Balrog. Dieser hieß im japanischen Original allerdings M. Bison, während Vega kein spanischer Ninja, sondern eben der Charakter M. Bison war. Der Spanier hieß im japanischen Original folglich Balrog. Man switchte also die Namen; wohl aus Angst, von Mike Tyson wegen der Namensähnlichkeit vor Gericht eins auf die Nase zu bekommen…oder was der gute Mann sonst so in seiner kriminellen Vergangenheit getrieben hat. Also: falls ihr ein japanisches Street Fighter II euer Eigen nennen solltet, nicht wundern:

    • Balrog in Europa ist M. Bison in Japan
    • Vega in Europa ist Balrog in Japan
    • M. Bison in Europa ist Vega in Japan
    • Sagat ist Sagat…soviel dürfte wohl klar sein.

    Die Großmeister sind auch mit die schwersten Gegner im Original Street Fighter II und nicht als spielbarer Charakter auswählbar. Dies wurde erst geändert, als die ersten Updates des Spieles erschienen sind.

    Updates, Updates von Updates, Sequels…What the hell is EA?

    Der überragende Erfolg von Street Fighter II in den Spielhallen und auf den Konsolen dieser Welt brachte auch viele Nachahmer auf die Welt.
    Während Fatal Fury von SNK ein paar Monate vor Street Fighter II veröffentlicht wurde, gab es unzählige Spiele mit einem ähnlichen Prinzip: Neben Final Fight (ebenfalls von Capcom), King of Fighters (ebenfalls SNK) und insbesondere Mortal Kombat – welches sich als damals härtestes Konkurrenzprodukt herausstellen sollte – brachte auch Capcom selbst immer wieder Neuerungen in ihre Spielserie.
    Begonnen wurde hier mit Street Fighter II Turbo, welches auch einen Heimrelease auf dem Super Nintendo hatte. Neben etwas verbesserten Grafiken und einem Turbo-Modus – der mittels Cheatcode Unten, R, Hoch, L, Y, B (SNES) im Capcom-Screen sogar auf 10 Sterne angehoben werden konnte – konnten nun im Zwei-Spieler-Modus auch die gleichen Charaktere ausgewählt werden. Dies war im Erstling ebenfalls möglich, allerdings nur durch den gleichen Cheat.

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    Street Fighter II Turbo – Hyper Fighting, SNES-Version.

    Die Championchip-Edition für das Sega MegaDrive bot diese Möglichkeit direkt.
    Bereits zum Heimkonsolen-Release von Street Fighter II Turbo begann in den Spielhallen der Siegeszug von Super Street Fighter II – The New Challengers.
    Hier wurde die Riege der Charaktere auf insgesamt 16 ausgeweitet – neu hinzu kamen Dee Jay, Cammy, T. Hawk und Fei Long – die Grafik wurde noch einmal verbessert und auch die alten Charaktere bekamen teilweise neue Moves spendiert.
    Auch Super Street Fighter II – The New Challengers sollte einen Heimkonsolen-Release entgegensehen; was bedeutete, dass alleine für das Super Nintendo in Europa innerhalb von knappen 2 Jahren drei Street Fighter II – Reinkarnationen auf den willigen Käufer warteten.

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    Super Street Fighter II – The New Challengers, SNES-Version.

    Weitergehen sollte es dann mit vielen, vielen weiteren Reinkarnationen; es gab dann noch Super Street Figher II Turbo, Street Fighter Alpha, und unzählige Release auf jeder nur erdenklichen Heimkonsole. Street Fighter II wurde zu einem riesigen Gewinn für Capcom.

    Street Fighter II (GameBoy, 1995)
    Street Fighter II (GameBoy, 1995)

    Selbst eine Street Fighter II Fassung für den Game Boy gab es. Welche – trotz der technischen Limitierungen der GB-Hardware – nicht so schlecht war, wie man meinen könnte. Man musste zwar Abstriche bei der Auswahl der Kämpfer hinnehmen (es gab von den damals bekannten 16 nur 9 zur Auswahl), aber die Hardware des Game Boys wurde gut ausgenutzt. Insbesondere die mangelnden Tasten (um SF II wie am Automaten spielen zu können, waren 6 Tasten nötig…Low Punch, Middle Punch, High Punch und das gleiche noch einmal mit Kicks) machen die Steuerung allerdings ein wenig schwierig, auch wenn Capcom hier einen guten Mittelweg eingeschlagen hatte, indem man die Länge des Tastendrucks als Ausgangspunkt für Low, Middle oder High genommen hatte.

    Irgendwann fing es dann, laut Meinung vieler Gamer, an zu nerven und man erhoffte sich insgeheim, dass die Ausschlachtung von Street Fighter II ein Ende finden würde und man doch endlich zu Teil III übergehen möge. Dies war allerdings noch einige Zeit Wunschdenken; Street Fighter II war ein Selbstläufer und ein Garant dafür, Geld zu verdienen. Sei es nun in der Spielhalle oder daheim…oder auch in Form von Merchandise.

    Merchandise und der Film

    Street Fighter II sollte einiges an Merchandise nach sich ziehen. Von Kaugummi mit Klebetattoos über Sammelalben über Action-Figuren über Comics: es gab eigentlich nichts, was es damals nicht gab. Seinen Höhepunkt sollte die Street Fighter Maschinerie allerdings Ende 1994 finden, als der Film Street Fighter – Die entscheidende Schlacht die Kinosäle eroberte. Unsere Filmkritik – zu finden hier – sagt wohl alles zu dem Film.

    Aber immerhin hat man die 8 Hauptcharaktere des ersten Street Fighter II verbaut gehabt plus die Großmeister; was den Film nichtsdestotrotz zu einer Qual macht, da die Story einfach für die Katz war.

    Die Fighting Game Ära beginnt

    Nach Street Fighter II und seinen ungezählten Updates sollten noch viele Spielereihen folgen, die auf genau diesem Prinzip aufbauten. Sei es nun Mortal Kombat (erstmals 1992 in den Spielhallen), Virtua Fighter (erstmals 1993 in den Spielhallen) oder Tekken (erstmals 1994 in den Spielhallen), im Grunde genommen jede Serie baute vom Grundprinzip her auf Street Fighter II auf. Jede Serie hatte ihre eigenen, kleinen Besonderheiten.

    Bei Mortal Kombat sei die Grafik; aber vor allem der Impact erwähnt, den das Spiel auf Jugendschützer ausgeübt hatte (nachzulesen hier); bei Virtua Fighter war es die neuartige Berechnung der Charaktere, welche damals zum ersten Mal mit Drahtgitter-Modellen und Polygonen dargestellt wurden; was SEGA zum Vorreiter in Sachen 3D werden ließ.

    Trotz alledem musste sich jedes Beat’em Up mit Street Fighter II messen lassen.

    Street Fighter III (Dreamcast-Version)
    Street Fighter III (Dreamcast-Version)

    Auch Capcom selbst war nicht untätig; 1997 kam endlich der ersehnte dritte Teil von Street Fighter – genannt Street Fighter III: New Generation – auf den Markt, dessen Impact auf die Spielewelt sich aber in Grenzen hielt; wohl auch, weil bis auf Ryu und Ken sämtliche Charaktere beiseite gelegt wurden, um die Riege der Kämpfer mit neuen Charakteren zu füllen (daher das New Generation).
    Man kann sich nun sicher vorstellen, wie sich die Gamer gefühlt haben müssen: liebgewonnene Charaktere wurden einfach abgesetzt und man musste sich mit neuen Charakteren herumschlagen; was auch sicher mit ein Grund war, wieso Street Fighter III und seine Reinkarnationen kaum auf Heimkonsolen umgesetzt wurden; nur auf dem Nintendo 64 und der 1999 erschienenen Sega Dreamcast fanden sich Umsetzungen des Spieles.

    Street Fighter IV (PS3 Cover, 2009)
    Street Fighter IV
    (PS3 Cover, 2009)

    Es gab natürlich im Laufe der letzten Jahre auch (damals eigentlich undenkbar) diverse Crossoverspiele, die wir aber mal nicht näher erläutern wollen; dazu zählen unter anderem Marvel vs. Capcom und Street Fighter X Tekken, die zwar alle nicht sonderlich schlecht waren, aber nicht das reine Street Fighter Spielerlebnis brachten.

    Erst 2008, beinahe 18 Jahre nach ihrem Welthit, sollte Capcom mit Street Fighter IV in die Spielhallen zurückkehren; weswegen dieser Teil auch als legitimer Nachfolger von Street Fighter II gesehen wird. Und auch hier wich Capcom nicht von der üblichen Vorgehensweise ab; nach dem Release des normalen SF IV sollten noch eine Super und eine Ultra-Variante auf den Markt kommen; immer mit kleineren Verbesserungen und mehr Kämpfern. Das Spielprinzip aber ist wie eh und je gleich. Wer schon mit Street Fighter II seinen Spaß hatte, wird sich auch in Teil IV sofort zurechtfinden; da die Moves (zumindest bei den bereits bekannten Charakteren) gleich geblieben sind.
    Insgesamt lässt sich wohl sagen, dass Capcom mit Street Fighter II ein Spiel erschaffen hat, welches auch nach über 20 Jahren nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Die Steuerung ist einfach, das Spielprinzip ebenfalls; und selbst wenn man es nur mit – dem unter Spielern verhassten – Button Smashing versucht, bekommt man am Ende vielleicht doch ein You Win! zu hören.

    Fazit (Sascha)

    SaHKuIch erinnere mich noch sehr genau an meine ersten Erfahrungen mit Street Fighter II. Damals, kurz nach Release des Super Nintendo, fanden ich und meine damaligen Kumpels uns immer in den verschiedenen Kaufhäusern unserer Heimatstadt ein; um uns dort an den Ausstellern gegenseitig in Street Fighter II die virtuelle Fresse zu verkloppen. Als dann 1993, an meinem neunten Geburtstag, das Super Nintendo auf meinem Geschenketisch stand (mit Super Mario World), hielt ich es nicht lange aus und habe mir Street Fighter II exakt eine Woche später – am 17. Mai 1993, einem Montag – geholt. Und ich war gefesselt. Das Spiel machte noch viel mehr Spaß, wenn man es erstmal nicht abgeben musste 🙂
    Als allerdings meine Mutter das Spiel sah, war sie erstmal überhaupt nicht begeistert: ein Prügelspiel für einen 9 Jahre alten Jungen?
    Aber als sie eine Weile zugeschaut und gemerkt hat, dass in dem Spiel nicht einmal Blut fließt, war sie einigermaßen beruhigt. Und ich glaube heute noch, dass sie mich – hätte ich Mortal Kombat heimgebracht – mit einem Fatality erledigt hätte, um sich anschließend den Verkäufer vorzuknöpfen.
    Man sieht: man kann mit Videospielen wunderschöne Erinnerungen verbinden – dies mal als kleinen Seitenhieb an die ollen Kritiker, die mit dem Hobby Videospiele gar nichts anfangen können – aber, und das ist ganz wichtig: viele Spiele erwecken Nostalgie, sind in der Erinnerung also die größten Knaller…und sind dann nach Jahren doch nicht mehr das, was sie mal waren. Bei Street Fighter II braucht ihr diese Sorge nicht haben.
    Das Spiel ist auch heute noch eines der besten Prügelspiele, welches man für Geld kaufen kann.
    Also solltet ihr noch eine alte Konsole auf dem Speicher haben: holt sie wieder runter, schiebt das Modul in den Schacht und habt euren Spaß.
    Solltet ihr allerdings zu jung sein; keine alten Konsolen (mehr) besitzen oder ihr euch in den letzten Jahren um andere Dinge kümmern musstet: im PSN und XBLA gibt es Super Street Fighter II Turbo HD Remix für wenig Geld 😉