Travis Strikes Again – Test

    Travis Strikes Again ist zum 20. Jubiläum des Developers Grasshopper Manufacture erschienen. Gleichzeitig ist es nach 8 Jahren das erste Spiel, in dem Goichi Suda wieder als Director agiert. Das war wohl der Anlass, aus Travis Strikes Again mehr als nur ein Spiel zu machen. Es ist eine Reflektion der bisherigen Titel von Grasshopper Manufacture und eine Ankündigung von zukünftigen Werken. Es ist eine philosophische Betrachtung und vielleicht ein wenig Einblick in die Psyche von Goichi Suda. Es ist ein Videospiel, das die Geschichte der Videospiele zelebriert.

    Die Geschichte

    Travis, ein ehemaliger Attentäter, lebt zurückgezogen in seinem Wohnwagen irgendwo in der texanischen Einöde. Seine selbst gewählte Isolation wird eines Tages durch die Ankunft von Badman gestört. Badman ist der Vater einer Attentäterin, die Travis in No More Heroes 1 ermordet hat, und sucht Rache. Ein Kampf zwischen den beiden entbrennt, während welchem beide in die Videospielkonsole Death Drive MK II gesogen werden. Travis und Badman schließen sich zusammen, um ihre beider Ziele zu verwirklichen: Travis möchte seine Sammlung an Videospielen für den Death Drive MK II vervollständigen, während Badman hofft, nach dem Durchspielen aller Spiele einen Wunsch erfüllt zu bekommen und so seine Tochter wieder zum Leben zu erwecken.

    Das Gameplay

    Der Kern des Spiels ist ein Hack & Slash. Mit leichten Attacken, schweren Attacken, einem Sprung und einer Ausweichrolle behaupten sich Travis und Badman gegen eine Menagerie verschiedener Gegner. Dazu kommt eine mächtige „Charge Attack“, welche durch Angriffe ohne Gegentreffer aufgeladen wird. Ausserdem gibt noch bis zu vier Sonderfähigkeiten auf ein mal in Form von sogenannten Skill Chips.
    Die Level bestehen aus den Videospielen für den Death Drive MK II und sind grundverschieden. Zum Beispiel bildet Eines ein Jump & Run ab, während ein anderes ein Rennspiel darstellt. Die Level enden jeweils mit einem Bosskampf, welche auch den Höhepunkt des Spiels darstellen.
    Zwischen den Leveln erfahren wir in „Travis Strikes Back“ genannten Intermezzos per Visual Novel, wie Travis an die „Death Balls“ genannten Spiele für den Death Drive MK II kommt. Diese Zwischensequenzen kommen ohne Spielereingaben aus.

    Präsentation

    Die Grafik ist funktionabel, schön und in allen Abschnitten vollkommen verschieden. Während der Wohnwagen, der als Hub fungiert, in modernem 3D mit einer relativ nahen Kameraperspektive dargestellt wird, ist die Grafik in den Death Balls an die jeweiligen Spiele angepasst. Dabei ist von Vektorgrafik über einer von Gauntlet inspirierten Ansicht bis hin zu Sidescroller alles dabei, was seit den 80er Jahren als Videospiel verfügbar war. Die Storysequenzen in Travis Strikes Back präsentieren sich in einem sehr nostalgischen Grün und Schwarz mit Scanlines. Ein wenig pixelige Pseudo-Retro-Grafik ist ebenfalls zu finden. Gleiches gilt für den Sound: Hier ist vom akkuraten Piepen der älteren Generation bis hin zu Ohrwürmern, die gerne auch im Radio laufen dürften, alles dabei. Bemerkenswert ist, dass die ganze Präsentation liebevoll persifliert wird. Hier feiert Suda die Geschichte der Videospiele mit allen Ecken und Kanten, und so manche vierte Wand sieht sich durchbrochen – nicht, weil das gerade in ist, sondern weil da jemand etwas, das ihm wichtig ist, mit der Welt teilt.

    Die Schwächen

    Dennoch, einige Dinge hätten ruhig in der Vergangenheit bleiben können, allen voran die Monotonie. Manche Level sind zu lang, und es gibt nicht zwingendermaßen immer viel Abwechslung. Besonders schlimm fand ich persönlich Level 2 und das letzte Level, zumal diese beiden auch noch Gimmicks benutzt haben, die mich eher genervt als gefordert haben.
    Die Storysequenzen sind ebenfalls manchmal einfach zu lang. Das wird auch nicht dadurch besser, dass man eben diesen Fakt im Spiel selber bemerkt und sich darüber lustig macht.
    Auch die grafische Präsentation ist manchmal nicht unbedingt perfekt. So klingt es zwar zuerst gut, Travis mit neuen T-Shirts auszustatten, welche die Logos von aktuellen Indie-Titeln tragen, aber in der Praxis sind sie aufgrund der Kameraperspektive nur in den seltensten Fällen zu sehen. Ausserdem komme ich nicht darüber hinweg, wie unerhört langweilig das Schlusslevel aussah.

    Die Stärken

    Loben hingegen muss ich das Kampfsystem. Zwar wirkt es anfangs simpel, aber nach einiger Zeit tritt die Komplexität zum Vorschein. Da werden aus wilden Schwertschwüngen flüssige Reaktionen auf die Gegner, Ausweichrollen verketten sich mit Charge Attacks und wenn noch die Skill Chips hinzukommen, so fließt einfach alles. Vor allem die Bosskämpfe sind interessante Angelegenheiten, die verschiedene Vorgehensweisen belohnen.
    Was sich hingegen schwerer in Worte fassen lässt, ist das Gefühl, welches das Spiel hinterlässt. Es ist offensichtlich, dass es sich hier um ein Projekt handelt, das aus Liebe zum Medium entstanden ist. Trotz des geringen Budgets ist einiges an polish zu finden, und es ist von Anfang bis zum Ende offensichtlich ein Suda-Spiel.

    Fazit

    Für Fans von Suda51 ist Travis Strikes Again ein Muss. Suda ist wieder in absoluter Höchstform und liefert seine klassischen Markenzeichen ab – die One Liner, der Stil, die seltsamen Namen, die konfuse Geschichte, alles ist wieder da. Viele Charakter im Spiel scheinen tatsächlich auf Aspekten seines Lebens zu beruhen, und einige Stellen im Spiel zeigen deutliche Verbindungen zur Geschichte von Grasshopper Manufacture. Auch Sudas teilweise holprige Beziehungen zu Publishern lassen sich klar herauslesen. Suda hat hier ein Kunstwerk erschaffen, in das er sein Herzblut gegossen hat, eine Punk-Rock-Neon-Feier aller Dinge, die er an Videospielen liebt.
    Für diejenigen, denen die Verbindung zum Designer fehlt, kann Travis Strikes Back aber auch konfus wirken. Die absurde Geschichte, die seltsame Einstellung mancher Charakter und die durchgehenden, harten Stilbrüche müssen erst einmal verdaut werden, bevor hinter all dem ein wirklich unterhaltsames Koop-Hack & Slash mit einigen Macken zum Vorschein kommt. Es ist, wie viele von Sudas Projekte, schon ziemlich polarisierend. Wer sich aber darauf einlässt, findet eine wundervoll absurde Welt und eine liebevolle Reise durch die Geschichte der Videospiele.

    Ich habe Ende der 80er mit meinem Amiga angefangen und seitdem haben Videospiele einen permanenten Platz in meinem Herzen. Ich mag alles, was Leute zum spielen zusammenbringt, sei es analog oder digital. Seit Ende 2018 schreibe ich für Game2gether.de und konzentriere mich auf Retro- und Koopspiele.