Tom Clancy’s Ghost Recon Wildlands – Test / Review

    Willkommen in Bolivien, haben Sie Spaß und genießen Sie die Aussicht! Im neusten Abenteuer der Taktik-Reihe Tom Clancy’s Ghost Recon Wildlands verschlägt es uns in südamerikanische Bolivien. Wir haben uns mitten rein in das wilde Land gewagt und damit hopp rein in unseren Test!

    YouTube

    Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
    Mehr erfahren

    Video laden

    Ich persönlich bin taktischen Shootern deutlich zugeneigter als anderen. Ein Call Of Duty oder auch ein Battlefield stehen bei mir Schlange, wenn ich etwas mit mehr Tiefgang und Entschleunigung in die Hände bekommen kann. Ubisoft’s Steckenpferd in dieser Disziplin war schon immer die Tom Clancy’s Reihe mit ihrer Spezialeinheit der Rainbow Six oder eben Ghost Recon. Mittlerweile bin ich es (leider) gewohnt, mich vorab bei einer Spielankündigung nicht mehr hypen zu lassen, ich sehe selbst heiß ersehnten Spielen deutlich nüchterner entgegen. So auch Ghost Recon Wildlands. Ja, wie immer sahen alle bewegten Bilder und Gameplay-Videos im Vorfeld der Veröffentlichung super aus. Aber die Vergangenheit zeigt, dass zwischen E3-Trailern und dem finalen Produkt gerne mal grafische, inhaltliche und spielerische Welten liegen.

    Zum Glück bot uns Ubisoft im Falle von Ghost Recon Wildlands eine Beta an, an der jeder teilnehmen konnte. Mit einer normalen Portion Vorfreude lud ich zum damaligen Start der Beta artig die Files auf meine Playstation 4 und zockte einige Stunden. Das einzige, was mir davon blieb, war Ernüchterung. Ich kam mir vor wie ein übermächtiger Soldat einer noch übermächtigeren Eliteeinheit, die Handlanger der Feinde waren zu Statisten verdammt und die größte Herausforderung war es, mit der schwammigen Steuerung der Fahrzeuge zurecht zu kommen. Was, das soll Wildlands sein?

    Jetzt, nachdem ich die Endversion weitestgehend durchgespielt habe, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass Ubisoft anscheinend im letzten Moment doch noch mal die Kurve bekommen hat. Nicht, wegen des obligatorischen Day-1-Patches, sondern deshalb, weil sich das komplette Spiel sehr viel flüssiger und sinnvoller anfühlt als die Beta. Puh, Glück gehabt! Wobei das nicht heißt, dass alles Gold ist, was glänzt…

    Die Spielwelt ist phänomenal

    Zu meinem Ärgernis wurde nämlich die Ghost Recon Serie eines Features beraubt. Früher schwebte Taktik, bedächtiges Planen und präzise Ausführung über jeder einzelnen Mission. Wer einfach drauf los mit dem Kopf durch die Wand wollte, dem knallte spätestens beim dritten Gegner die finale Kugel um die Ohren. Dieses Prinzip scheint mit Ghost Recon Wildlands endgültig über Bord geworfen zu sein. Zwar kann man Wildlands noch immer recht taktisch und ausgetüftelt spielen, nur muss man es eben nicht zwingend. Mit vollen Magazinen und dem Visier im Anschlag hat man eigentlich genau die gleichen Aussichten auf ein erfolgreiches Abschließen der Mission.

    Erschwerend kommt hinzu, dass sich Wildlands eigentlich nur sinnvoll in einem Team mit 4 Spielern bestreiten lässt. Hat man dann nicht zufällig drei Freunde daheim an ihrer Konsole zum verabredeten Zeitpunkt sitzen, muss man sich mit zufälligen Mitspielern durch die Wildnis schleppen. Und wie es dann gerne mal ist, bricht mindestens einer hervor und wirft schon beim ersten Feindkontakt sämtliche Granaten um sich. Frei nach dem Motto „hier, huhu, hier sind wir, kommt und holt uns“. Was ich damit sagen will, ist, dass man nur Solo oder mit besagter Freundesgruppe taktisch spielen kann. Habt ihr ausgewürfelte Online-Kumpanen, dann könnt ihr zu 99% jedwede Taktik wegwerfen und genießt das Spiel einfach als Koop-Shooter. The Division lässt in diesem Falle grüßen.

    Wo wir gerade schon bei The Devision sind, kann ich auch gleich den Bogen zur offenen Spielwelt von Ghost Recon Wildlands spannen. Es scheint mittlerweile eine Art Blaupause bei Ubisoft für ihre Spiele zu geben, die mehr oder minder mit dem Feature der offenen Welt werben. Ob Assassin’s Creed, Watchdogs oder The Division, ich werde oft das Gefühl nicht los, dass sich die Spielwelten, abgesehen von deren Gestaltung bzw. Setting, oft ähnlich spielen. Ein paar blinkende Seitenmissions-Icons hier, dort ein Unterschlupf und ab und an ein paar plötzlich auftauchende Zufallsgegner.

    All das sind Punkte, die mich schon ein wenig ärgern. Aus neutraler Perspektive relativiert sich das natürlich. Beispielsweise wird aus dem Wegfall von allzu großer taktischer Tiefe das Spiel gleichzeitig auch zugänglicher für die breite Masse. Die offene Spielwelt erlaubt es, frei nach Schnauze das dicht bewucherte Land zu erkunden. Und die freie Zusammenstellung bei Mitspielern bewirkt, und das meine ich jetzt sehr positiv, dass sich das Kollektiv gerne mal ins absolute Chaos stürzt. Ja, es macht Spaß, ein feindliches Camp in Seelenruhe auszuspähen, alle Feinde und deren Laufwege zu erkunden und sinnvolle Deckungsmöglichkeiten zu markieren. Es kann aber eben auch spaßig sein, all das neben sich zu lassen und von vier Seiten einfach rein ins Camp zu platzen.

    Dunkelheit und Blendgranaten sind übrigens eine gute Kombination

    In Bolivien geht es derweilen ebenfalls ziemlich chaotisch zu. Regierung und Polizei sind korrupt und es wird geschmiert, was das Zeug hält. Über all dem schwebt der gierige Drogenmafiosi „El Sueno“, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Als Eliteeinheit liegt es demnach an uns, den Drogenschnüfflern das Handwerk zu legen. Glücklicherweise unterstützen uns dabei einheimische Rebellen, was den Kampf durchaus aussichtsreicher macht als mit einem Vierer-Team. Und damit geht unser Einsatz los, abgesetzt mitten im fremden Bolivien stehen uns mehr als 20 Quadratkilometer frei begehbare Flächen zur Verfügung. Befreien wir örtliche Provinzen von den Milizen, sägen wir langsam aber stetig immer weiter am Thron von El Sueno.

    Spielt ihr übrigens Solo, dann werden die restlichen drei Mitstreiter durch KI-Kollegen ersetzt. Das klappt sogar erstaunlich gut, denn im Gegensatz zu unseren Gegnern stellen sich unsere eigenen Kumpanen gar nicht so blöde an. Sie halten sich sehr strikt an die Anweisungen, die man ihnen per Auswahlrad erteilt. Diese benötigt man auch rege, gerade ein wohlgetimter Simultanschuss kann zur langanhaltenden Unentdecktheit führen. In der Hauptstory knüpfen wir an die aktuellen fiktiven Geschehnisse in Bolivien an, die Nebenmission dagegen sind sehr generisch. Daran krankt Wildlands nicht wenig, denn bereits nach einer Hand voll Seitenquests hat man das dumpfe Gefühl, dass man das bereits alles schon erlebt hat. Ein feindliches Camp aufspüren, alle Gegner beseitigen und zum Schluss den Obermacker ins Nirvana befördern. Klar macht das eine Zeit lang Spaß, aber eben nur eine Weile und dann lässt die Motivation schon deutlich nach. Immerhin sind die Missionen der Hauptkampagne da schon deutlich frischer, bieten mehr Vielfalt und einen höheren Anspruch. Positiv stechen dynamische Events heraus, etwa dann, wenn ein Konvoi mit feinstem Stoff in eurer Nähe eine Pause einlegt. Hier gibt es dann auch spürbar mehr Freiheiten, wie man die Ziele ausschaltet, was bei besagten Nebenmissionen oft eintönig wird.

    Besonders im späteren Verlauf entwickelt Ghost Recon Wildlands eine abwechslungsreichere Eigendynamik, was mitunter auch an einem Mehr an Waffen und Gadgets liegt. Crafting wird in der Tat recht groß geschrieben, zumindest sollte der Spieler möglichst wenig an einsammelbaren Gegenständen liegen lassen. Neben Standards wie neue Waffen- und Granatentypen stehen später auch hochtechnisierte Gimmiks wie beispielsweise eine bewaffnete Drohne parat. An jedem einzelnen Teil darf dann Hand angelegt werden. Im Falle der Drohne etwa ist ein leistungsstärkerer Akku immer brauchbar, um Reichweite und Leistung zu vergrößern. Neu erreichte Skillpunkte werden dann über den obligatorischen Skilltree gesetzt, wie könnte es anders sein.

    Grafisch gesehen macht Ghost Recon Wildlands eine sehr gute, bisweilen sogar phantastische Figur. Die Spielwelt ist wahnsinnig interessant und abwechslungsreich, man mag fast meinen, dass die Entwickler vor Ort in Bolivien ganze Areale komplett eingescannt hätten. Vegetation, Flora und Fauna bilden ein sehr stimmiges Bild. Dem Gameplay eines open world Shooters kommt das ganz entgegen, denn so finden wir quasi an jeder Ecke neue Wege oder Deckungsmöglichkeiten. Auch Dialoge und Rendersequenzen sind gut gelungen und fügen sich harmonisch ins Bild. Vom Start weg hatten wir auch keinerlei Probleme mit dem Multiplayer, was in der heutigen Zeit ja (leider) absolut kein Standard mehr ist. Abstürze hatten wir keine und selbst beliebte Clippingfehler sind uns nur extrem selten aufgefallen. Für die technische Umsetzung gibt es also den doppelten Daumen nach oben!

    Geht rein und stiftet Chaos – so macht Wildlands am meisten Spaß

     

    Fazit

    Irgendwie ist es gar nicht so leicht, Ghost Recon Wildlands abschließend zu bewerten. Als tiefgehender Taktikshooter macht das Spiel eher wenig her, dafür umso mehr als actiongeladener Multiplayer-Shooter. Taktische Elemente hat man in jedem Fall, aber sie sind in keinem Falle mehr das typische Clancy’sche Steckenpferd. Den meisten Spaß hat man in lustiger Vierer-Runde und wenn man das Spiel nicht bockernst nimmt. Dann kann man sogar eine ganze Menge Spaß mit Wildlands haben. Nehmt euch das einfach zu Herzen, falls ihr mit Tom Clancy’s Ghost Recon Wildlands liebäugelt und ihr kommt auf eure Kosten.

    Unsere Wertung:
    3 von 5 Sternen
    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur