Remember Me

    Es gehört wohl eine Portion Mut dazu, eine neue IP auf einer auslaufenden Konsolengeneration ins Leben rufen zu wollen. Capcom und Dontnod Entertainment wagten den Schritt und präsentierten Anfang des Monates Remember Me. Nicht zu Unrecht hatten viele Spieler recht hohe Erwartungen an das Spiel, alle im Vorfeld gezeigten Trailer sahen klasse aus und die Zutaten für Remember Me versprachen Spannung: eine Brise französische Revolution in die Zukunft gestreut, zwei Portionen taffe, weibliche Hauptcharaktere und als Sahnehäubchen ein frei konfigurierbares Kampfsystem. In unserem Test klären wir, ob Remember Me unseren Geschmack getroffen hat.

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    Remember Me – Der Launch Trailer

     

    Ist es Zufall, dass Remember Me im Jahr 2084 angesiedelt ist? Die Jahreszahl ist jedenfalls im Science-Fiction Genre keine unbekannte: Filme wie Total Recall, Serienepisoden wie bei Doktor Who, Musiken wie bei Ayreon und auch Videospiele, wie etwa XCOM … sie alle spielen in der gleichen Liga der 2084er. OK, genug Sidefacts, hier soll es sich einzig und allein um Remember Me drehen, also spulen wir die Zeit ein paar Jahrzehnte vor und finden uns wieder im Paris der Zukunft. Hier brodelt es gewaltig, auch in der Zukunft scheinen längst nicht alle sozialen Probleme gelöst. Für Neo-Paris gilt sogar das genaue Gegenteil, hier bahnt sich eine französische Revolution 2.0 an. Nur eben so ganz ohne  Ludwig XVI und Guillotine, dafür mit Gedankenkontrolle und jeder Menge Sci-Fi. Die Schere zwischen Arm und Reich ist bis zum Anschlag weit auseinander. Die Unterschicht lebt zusammengefercht in Slums, während sich die Obrigkeit an all den Prunkbauten im Zentrum ergötzt und dem Leben in Saus und Braus fröhnt.

    Ganz vorne mit dabei ist der Konzern Memorize. Dank ihrer Sense Technologie ist es ihnen gelungen, in die Gedankenwelt der Menschen vordringen zu können. Unter dem Deckmantel bester Absichten zum Wohle aller, wird die Bevölkerung statt dessen gnadenlos manipuliert. Wer unzufrieden ist oder als Störenfried abgestempelt wird, bekommt neue Erinnerungen implementiert oder alte werden kurzerhand ganz gelöscht. Nilin, die weibliche Hauptfigur in Remember Me, zählt neuerdings zu diesen Störenfrieden und kann sich aufgrund der Gehirnwäsche an nichts mehr aus ihrem alten Leben erinnern. Wir wissen aber: Sie war eins eine Gedächtnisjägerin erster Güte.

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    Nach einer Rettungsaktion durch die Revolutionisten schließt sich Nilin ihnen an und nimmt damit den Kampf gegen den mächtigen Memorize Konzern auf. Als Gedächtnisjägerin verfügt Nilin über die Gabe, dass sie in den Kopf anderer eindringen und Gedanken ändern bzw. stehlen kann. In den frühen Trailern zu Remember Me haben wir die Gedanken-Features oft bestaunen dürfen. Jetzt, nachdem wir das Spiel beendet haben, müssen wir leider festhalten, dass man viel weniger manipuliert, als man meinen sollte. Viel mehr stehen in Remember Me Kämpfe und Kletterpassagen im Vordergrund.

    Bleiben wir aber vorerst bei den Gedanken. Denn obwohl dieser Part eine vergleichsweise kleine Rolle spielt, gehört er unumstritten zu den Highlights. Generell nimmt uns Remember Me sehr deutlich an die Hand, wir dürfen nur in den Köpfe vorgegebener Figuren rumfuschen. Das grenzt uns in der Handlungsfreiheit merklich ein, hat aber einfach den Zweck, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren können. Hier wird das Geschehen am Bildschirm vorangetrieben und wir müssen nicht mühsam die Zielperson erst ausfindig machen.

    Das Ausspähen von Gedanken hat meist einen ganz pragmatischen Nutzen. Versperrt uns etwa eine Tür mit Zahlenschloss den Weg, können wir die benötigten Infos aus den Gedanken der Zielperson ziehen. Abwechslungsreicher und wesentlich spannender gestalten sich die sogenannten Remixe. Hier geht es darum, eine Situation aus der Vergangenheit so zu ändern, dass wir im hier und jetzt einen positiven Effekte davontragen können.

    Ein Beispiel: Die Schlüsselperson verweigert uns ihre Dienste. Per Gedankenmanipulation versuchen wir ihr ein Schuldgefühl einzupflanzen, auf dass wir doch noch auf die dringend gebrauchte Hilfe bauen können. Sind wir in die Erinnerung eingedrungen, spielt sich eine Szene ab, in der sich die Person mit einer anderen streitet und beide letztlich wutentbrannt ihrer Wege gehen. Nilin darf jetzt alles mögliche an Objekten nutzen, vom Verschieben einer Kiste bis zum Durchladen einer Waffe ist alles drin. Durch die Verkettung neuer Ereignisse endet nun die Erinnerung völlig anders und wieder in der Spielwelt zurück reagiert jetzt auch besagte Schlüsselperson wie gewünscht.

    Die Remixe machen unglaublich viel Spaß und wir fragen uns, warum sie nicht einen größeren Raum in Remember Me bekommen haben, schade.

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     Innerhalb der Gedankenmanipulation darf Nilin mit Objekten interagieren

     

    Dafür räumte man dem Kampf deutlich mehr Platz ein. Nilin ist eine flinke und agile Nahkämpferin, die sich bestens auf den unbewaffneten Kampf versteht. Dieser verläuft in einem Kombosystem und ähnelt dem aus den Batman Spielen. Der Clou: Man darf die Kombos völlig frei selbst zusammenschustern. Dazu verfügt Nilin über Angriffe aus vier verschiedenen Kategorien. Die erste Kategorie dient ausschließlich dem Damage Output. Nr. 2 bringt einen Regenerationsbonus mit sich, der wieder ein paar Hitpoints auffüllt. Kategorie drei nutzt eine verkürzte Zeit für Spezialangriffe und als letzte werden die Kombolinien miteinander verknüpft. Besagte Specials bieten im Kampf nützliche Vorteile, die man fast automatisch dann auch ausspielt, wenn sich die Gelegenheit bietet. Da wir nur all zu oft in Unterzahl kämpfen, sind Spezialangriffe, wie Lähmung oder das kurzzeitige Verschleiern, jederzeit willkommen. Erlegte Gegner bringen die übliche Portion Erfahrungspunkte, die wir dann wiederum in neue Kombofähigkeiten investieren dürfen. Nur die Option zum Blocken geht man verzweifelt suchen.

    Anteilmäßig siedeln sich die Kletterpassagen irgendwo zwischen Kampf und Gedankenkontrolle an. Erwartet hier bloß kein Assassin’s Creed, alle Kletterwege sind vorgegeben, Kanten zum Greifen deutlich markiert und ein Scheitern praktisch ausgeschlossen. Damit wären wir dann auch am Ende der Spielmechanismen in Remember Me angelangt. Kämpfen, klettern, kämpfen, laufen, kämpfen, Gedankenspielchen.

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    Die Kombos lassen sich frei zusammenstellen …

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    … und direkt dann auch anwenden!

     

    Das Design des futuristischen Paris‘ ist einfach bombastisch. Hier passt einfach alles, bis ins kleinste Detail merkt man die Verliebtheit der Entwickler. Während unserer ca. 9 stündigen Reise zieht es uns quer durch verdreckte Slums bis hin zu den Prunkbauten der Oberschicht. Staub und Müll, Werbetafeln, ja sogar die Kleidung der Menschen spiegelt ein authentisches Zukunftsszenario der französischen Metropole wider. Und so ertappt man sich gelegentlich, dass man in den dicht bevölkerten Straßen gerne mal den Blick schweifen lässt und ein leises Ohhh! von sich gibt. So richtig toll wäre es geworden, wenn wir eine gute Portion mehr Open-World hätten serviert bekommen, aber leider ist der Verlauf doch sehr gradlinig und lässt generell wenige Freiheiten zu.

    Zur Bombast-Optik gesellt sich ein nicht minder guter Sound. Wir können sogar die deutsche Synchronisation fast uneingeschränkt empfehlen, die wenigen Patzer sind absolut verzeih- und an einer Hand abzählbar. Der stimmige Soundtrack fügt sich perfekt ins tolle Ambiente von Paris ein und wird zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise langweilig.

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    Fazit

    G2G_Bronze_AwardRemember Me bietet eine tolle Spielerfahrung, die nicht konsequent bis zum Ende durchgeführt wird. Dreh- und Angelpunkt hätten die Gedächtnisspielchen sein sollen, dann wäre das Spiel ein Hit geworden. So aber halten sich die guten Ideen viel zu sehr im Hintergrund und spielen nur eine untergeordnete Rolle. Immerhin sind die Kämpfe mit dem freien Kombosystem leicht erlernt und fix in die Tat umgesetzt. Auch hier fehlt ein wenig der letzte Feinschliff, denn man kommt mit 2-3 Kombos fast durch das komplette Spiel. Der Aufbau ist trotz aller Schönheit – und davon bietet Remember Me eine ganze Menge – einfach zu gradlinig, so dass Erkundungen durch Paris eine absolute Mangelware sind. Eine große Portion mehr spielerische Freiheit hätte Remember Me gut getan, aber da wir hier im Konjunktiv reden, müssen wir uns das einfach für einen eventuellen Nachfolger hoffen. Bleibt festzuhalten, dass hier leider einiges an Potential verschenkt wurde. In der Gesamtsumme ist Remember Me dennoch bei aller Kritik eine tolle Erfahrung und bringt definitiv eine Brise frischen Wind mit sich.

    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur