Mass Effect: Andromeda – Test / Review

    Mit Mass Effect: Andromeda wurde kürzlich der Neustart der äußerst beliebten RPG-Reihe gestartet. Wir sind gemeinsam mit der Crew in ferne Welten geflogen und berichten hier in unserem Test, ob sich das neue Abenteuer denn auch lohnt.

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    Mit Reboots ist es ja immer so eine Sache. Einerseits wollen Fans einer Serie nicht mit waghalsigen Inhalten verprellt werden, andererseits kann es angestaubten Spielen neues Leben einhauchen. Im Falle von Mass Effect war die Geschichte rund um Shepard innerhalb der bekannten Trilogie rund abgeschlossen, mag man das Ende auch noch so kontrovers betrachten. Mit Mass Effect: Andromeda wagen EA und Bioware nun also den Neustart im bekannten Universum. Vorab versprach man uns eine ganze Fülle neuer Inhalte und Geschichten, die fernab von Shepard und der Milchstraße abspielen. Zeitlich gesehen kann man das Spiel etwa in den Rahmen von Mass Effect 2 einordnen. Als Teil der Andromeda-Mission machen wir uns auf, um unsere Galaxie hinter uns zu lassen und ferne Welten zu entdecken. Und wir landen rund 600 Jahre später in der namensgebenden Galaxie Andromeda. Damit ist dann auch räumlich und zeitlich alles hinter sich gelassen, was die Mass Effect Serie ausmachte.

    Im Rahmen der Andromeda-Mission starteten sogenannte Archen, riesige Transportschiffe mit etlichen Lebensformen an Bord. Nach dem schier endlos langen Trip kommen sie tatsächlich auch in Andromeda an, nur ist der Empfang dort leider alles andere als wie geplant. Nicht nur, dass die angeblich bewohnbaren Planeten doch gar nicht so menschenfreundlich sind wie angenommen. Nein, da dürfen natürlich auch die üblichen Außerirdischen nicht fehlen, die ohne zu fragen direkt ihre Blaster zücken und auf alles schießen, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Schnell im Spiel lernt man die Rasse der Klett kennen und weiß sofort, dass mit ihnen nicht gut Kirschen essen ist. Unsere Hauptfigur Ryder ist samt Vater auf dieser Mission unterwegs, wobei der werte Vater den Status des Missionsanführers inne hat. Unvorhergesehen stirbt er bei einer Erkundungstour und trotz der großen Trauer liegt es nun an Ryder, die Mission des Pathfinders fortzuführen.

    Während die Spielwelt das Prädikat „hui“ verdient …

     

    Der Einstieg von Mass Effect: Andromeda ist ziemlich zäh. Nachdem man zuerst eine gefühlte Ewigkeit im Erstellungsmenü des Charakters verbracht hat, hangelt man sich durch eine Flut an Texten und Dialogen. Ob man sich bei der Hauptfigur Ryder für eine weibliche (Sara) oder männliche (Scott) Version entscheidet, ist für das Spiel übrigens irrelevant. Reichlich Freiheiten bekommt man bei der Charaktererstellung geboten und man wäre wahrlich zufrieden, wenn die Gesichter dann im Spiel auch so hübsch animiert wären, wie im Menü. Sind sie nicht, schade. Pünktlich zum Start lieferte man uns immerhin den obligatorischen Day-1-Patch nach, aber so wirklich zünden wollen Gestik, Mimik und Animationen der Figuren nicht. Das ist insofern schade, da wir hier von einem RPG reden, dazu nicht von irgendeinem. Mass Effect stand bisher immer für eine große Portion Leidenschaft und für phantastischen Geschichten. Gerade in Andromeda fällt auf, wie wenig von diesem Enthusiasmus beim Spieler ankommt, wenn solche Basics wie Gefühle und Emotionen einfach nicht echt rüberkommen. Im völligen Kontrast dazu stehen die gerenderten Zwischensequenzen, die ausnahmslos großartig aussehen.

    Aus einer guten Hand voll Crewmitgliedern dürfen wir für jede Mission zwei auswählen. Je nach deren Fähigkeiten, spielt sich das Vorgehen dann naturgemäß etwas unterschiedlich. Auch die eigene Skillung, die man am routinierten Talentbaum stetig ausbaut, spielt hier mit rein. Tanks sind super, bringen aber nichts ohne mindestens ein Mitglied, das ordentlich Schaden austeilt. Im Gegenzug ist eine Kombination aus Nah- und Fernkämpfern natürlich immer ein probates Mittel, um im Kampf zu bestehen. Man sollte sich nicht zu sehr auf eine Heldenkombo versteifen, sondern häufiger mal sein Teams mixen. Nicht nur, dass ihr dadurch Missmut von liegengelassenen Mitgliedern aus dem Weg geht, sondern je nach Kombination entstehen mitunter teils sehr unterhaltsame Dialoge. Etwas zweifelhaft stellen sich unsere Kollegen im Gefecht dann an. Ausnahmslos alle Member stehen gerne mal im Weg rum und denken auch im hitzigsten Gefecht nicht daran, ob eine Deckung nicht vielleicht eine gute Idee wäre. Spielerisch sieht das dann so aus, dass man schon früh die Heilfähigkeiten zu schätzen lernt und sehr regelmäßig seinen Teammitgliedern zu Hilfe eilt. Was für unsere Helden gilt, gilt gleichermaßen auch für die Feinde. Die Kett sind nämlich ebenfalls nicht wirklich hell in der Birne und sie nutzen ebenfalls Deckungsmöglichkeiten nur in einem Bruchteil aller Gefechte. Immerhin sind sie sehr zielsicher und bieten so dann doch deutlich mehr Potential als billige Schießbudenfiguren.

    … verdient das Kampfsystem eher ein „pfui“.

     

    Beim Thema Kampf stößt uns auf, dass sich Mass Effect: Andromeda phasenweise wie ein schwammiger Shooter spielt. In der Ansicht der dritten Person hechtet man nur all zu oft von Deckung zu Deckung, ballert ein paar Aliens um und huscht weiter. Zwischendurch immer mal wieder nach den Teamkollegen gucken, ob bei denen noch alles Paletti ist und natürlich alles aufsammeln, was in den Rucksack passt. Man mag jetzt meinen, dass es die meisten Elemente des Kampfsystems in dieser Form so schon in Mass Effect 3 gab. Stimmt auch, aber Andromeda zieht die Linie noch mehr Richtung Action und weg vom Rollenspiel. Bestes Beispiel hierfür ist das Auswahlrad an Fähigkeiten. Das gibt es so in seiner Form nicht mehr, im Spiel sind wir per Direktwahl auf drei Skills begrenzt. Möchte man eine andere Fähigkeit auswählen, dann geht das nur über kompliziertem Weg im Menü. Und spätestens hier merkt man, was Mass Effect: Andromeda fehlt: Seine Abgrenzung. Wir spielten in den vergangenen Monaten etliche Spiele, die nach einem ganz ähnlichen Muster arbeiten, beispielsweise Destiny und The Division. Mass Effect aber ist im Kern ein mehr als gutbürgerliches Rollenspiel, das durch solche Maßnahmen viel von seinem Charme einbüßt. Das stetige Sammeln von Materialien, Stichwort „Crafting“, und die rudimentären Seitenmissionen, die teilweise wenig logisch sind, viel Laufarbeit erfordern und zum fleißigen Sammeln weiterer Rohstoffe animieren, tun da ihr übriges. Selbst Lichtpunkten wie die enorm große Spielwelt, die sich über mehrere Planeten hinwegstreckt und der Vielzahl an freundlichen und feindlichen Aliens merkt man an, dass hier der allerletzte Feinschliff einfach fehlt. Massentauglichkeit und Mainstream stehen so hoch wie nie im Kurs. Dabei galt doch gerade Mass Effect für eine Serie, die ohne zu zögern mit Konventionen bricht und das obendrein auch noch gut macht.

    Bei all dem darf man nicht vergessen, dass wir hier auf hohem Niveau jammern. Vielleicht hat die Spielserie einfach mit den letzten drei Abenteuern zu viel richtig gemacht, so dass uns hier jetzt doch recht viel bitter aufstößt. So freut es uns, dass die vielen Dialoge etliche Abzweigungen und unterschiedliche Ausgänge parat halten. Ganz, wie es sich gehört, muss man dann auch mit getroffenen Entscheidungen leben und deren Konsequenzen akzeptieren. Auch der Weg zum Finale hat ein fast schon episches Ausmaß, das dieser wunderbaren Spielserie einfach gerecht wird. Die fernen und sonderbaren Planeten sind obendrein so geschickt gestaltet, dass der innere Forscherdrang geweckt wird und man bei Bedarf stundenlang durch die Walachei düsen könnte, ohne, dass es langweilig wird. Und, und vielleicht ist das die wichtigste Erkenntnis unserer Review, es hat immer noch den gleichen Charme, den die Mass Effect Serie seit jeher versprüht – trotz aller Macken.

    Dank Patch wirken die Gesichter nun spürbar lebhafter

     

    Fazit

    Der Spruch „Es ist nicht alles Gold was glänzt“, trifft so ziemlich den Kern des Spiels. Allein mit der Nutzung des Namens Mass Effect tragen die Entwickler eine Bürde, die wohl nur wenige tragen würden. Schlussendlich kam im Falle von Mass Effect: Andromeda dabei eine solide Space Opera heraus. Über all den rund 70h Spielzeit, die wir hatten, schwebte das seichte Gefühl, dass das Spiel etwas Unvollendetes oder Unambitioniertes in sich trägt. Für einen AAA-Titel mit fünf Jahren Entwicklungszeit steckt mehr Shooter und weniger Rollenspiel hier mit drin, als man meinen sollte. Und trotzdem macht das Spiel streckenweise sogar gehörig viel Spaß und weiß nahezu zu jedem Zeitpunkt zu unterhalten. Wenn man mit etwas gedämpfter Erwartungshaltung an Andromeda herangeht, dann wird man nicht enttäuscht, zumal die bisherigen Patches schon ordentlich viele Bugs behoben haben.

     

     

    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur