Gran Turismo Sport – Test / Review

     

    Gran Turismo Sport wurde im Vorfeld als DIE Renn-Sim exklusiv für Playstation 4 gefeiert. Ob die traditionsreiche Serie mit dem kürzlich erschienenen Gran Turismo Sport auch die hohen Erwartungen erfüllt, verraten wir euch in unserem Test.

    YouTube

    Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
    Mehr erfahren

    Video laden

     

    Es ist ein Fest für Freunde gepflegter Rennspiele. Derzeit tummeln sich für jeden Hobby-Fahrer allerhand Spiele in den Regalen und die enorme Auswahl macht es nicht gerade leicht, sich für einen Titel zu entscheiden. So wurde die Xbox-Fraktion erst kürzlich mit Forza 7 (hier unser Test) bedient, bekommen jetzt die Sony-Jünger das hauseigene Schwergewicht auf dem Silbertablet präsentiert. Die Rede ist natürlich von Gran Turismo Sport. Im Vorfeld zu Gran Turismo Sport gerieten die Fans weltweit etwas in Verwirrung. Grund hierfür ist die Tatsache, dass der Beiname Sport eben nicht von Ungefähr kommt. Man darf hier also kein Gran Turismo 7 erwarten, sondern eben eine sportliche (und damit abgespeckte) Version der Renn-Sim.

     

    Offline mit Einschränkung, Online das volle Programm

    Der wohl größte Unterschied zu bisherigen Serientiteln ist der, dass Gran Turismo Sport sehr deutlich und umfangreich auf Online-Funktionen setzt. Kernstück des Spiels ist der namensgebende Sports-Modus, in dem wir in diversen Veranstaltungen online gegen andere Fahrer quer über den Globus verteilt unsere Rennkünste unter Beweis stellen. Und damit bricht das Spiel mit einer alten Tradition. Denn bislang war die Solo-Karriere immer das Kernstück der GT-Serie. Viele Rennprüfungen galt es zu absolvieren, noch mehr Rennen musste man fahren um die Credits des Spiels zu verdienen. Das alles tat man, um sich am Ende seinen Wunschwagen leisten und tunen zu können. Von dieser Form des Spiels muss man sich in gewisser weise mit Gran Turismo Sport verabschieden. Immerhin gibt es noch den immer gern gesehenen Split-Screen, der gepflegte Koop-Rennen auf der Couch ermöglicht.

    Was nicht heißen soll, dass man Solo und Offline nicht auch ein paar Dinge zu tun hat, nur eben deutlich weniger als sonst. Es gibt die Fahrlizenzen von E bis S und man kann sich gegen die KI in Einzelrennen und Herausforderungen behaupten. Besonders die zuletzt genannten können, je nach eigener Ambition, mitunter stundenlang an den Bildschirm fressen, denn die eigene Motivation, aus der Silber- doch noch eine Goldmedaille zu machen, ist mitunter enorm. Auch dann, wenn man zum Erreichen nur noch 0,0X Sekunden schneller sein muss, egal, man probiert es immer und immer wieder, bis das kostbare Gold im virtuellen Schränkchen hängt.

    Die Rennen starten jeweils täglich und zu unterschiedlichen Tageszeiten. Vorab kann man sich in einem Zeitrennen mit seiner jeweiligen Bestzeit und dem damit verbundenen Geist messen, um seine Startposition festzulegen. Betrachtet es als eine Art Qualifying. Jedes Rennen startet fliegend und läuft nur eine kurze Zeit noch nach, sobald der erste Pilot die Zielgrenze überfährt. In der Summe finden wir, dass durch die starren Startzeiten zu wenig Dynamik aufkommt. Seinen Tagesablauf nach einem Videospiel zu planen käme wohl nur den wenigsten von uns in den Sinn.

    Der Foto-Modus ist wahnsinnig aufwändig und extrem schick

     

    Problematischer Online-Sportsgeist

    Der große Fokus auf Online-Rennen ist für Solospieler natürlich eine ziemliche Schlappe, denn ohne gültiges PS+ Abo wird man nach einigen Stunden den Spaß an Gran Turismo Sports verlieren. Also muss man sich eher zwingend als freiwillig online austoben. Und hier zeigt sich eine haarsträubende Seite des Spiels, die gar nicht dem Spiel selbst geschuldet ist, sondern viel mehr den menschlichen Mitspielern. Kurz vor jedem Rennen gibt es per Video einen kurzen Einspieler, der die Rennetikette betrifft. Getreu dem Motto: Seid fair zueinander und geht anständig mit euren teuren Boliden um. Tja, wenn es denn so einfach wäre. Statt dessen zeigten sich in vielen unserer gespielten Rennen, dass die gefühlte Mehrzahl darauf gediegen pfeift und statt dessen Gran Turismo Sport in ein Destruction Derby mit Edelflitzern verwandelt. Gran Turismo Sport bietet ein System gegen diese Rennrüpel an, die für unsportliche Fahrweise am Ende mit Zeitstrafen bestraft werden. Dummerweise jedoch ist man auch all zu oft als unbeteiligter Spieler oft genug von solchen Strafen betroffen. Ein Beispiel hierfür: Spieler A möchte uns in einer Kurve außen oder innen überholen. Durch seine zu hohe Geschwindigkeit werden wir gerammt und kommen von der Piste aufs Grün. Jetzt bekommt Spieler A zwar seine Zeitstrafe, wir aber auch, da wir die Strecke verlassen haben. Schlussendlich führt dieses derzeit noch unreife Strafsystem dazu, dass man für faire und vorausschauende Fahrweise in einem fast identischen Maße wie Dauerrempler bestraft wird. Und das merkt die Community natürlich sehr schnell, was zu folge hat, dass es nur so rumst und kracht in den Rennen. Sorry, aber da muss schleunigst nachjustiert werden!

    Am Ende will man überall Gold erreichen, versprochen

     

    Wir sammeln Meilen

    So ärgerlich das Fahrverhalten diverser Idioten online ist, so hat man doch in jedem Falle etwas davon. Es gibt am Ende nämlich Credits und Meilen. Die obligatorischen Credits gibt es je nach Platzierung des Rennens mal mehr mal weniger. Meilen sammeln wir, in dem wir kleinere Zwischenziele erreichen, die unsere zurückgelegte Distanz betreffen. Zwischendurch gibt es auch noch Bonusziele, beispielsweise, dass man ein Rennen ohne Rempler absolviert hat. Diese Zwischenerfolge steigen steil an, so dass man bereits ab Stufe 2 etliche Rennen absolvieren muss, um den Bonus einheimsen zu dürfen. So oder so: Wer sich einen hochgezüchteten Wagen leisten will, der muss eine zweistellige Stundenanzahl in Rennen investieren, um den zu zahlenden Betrag zu erreichen. Hieran merkt man, dass Gran Turismo Sport immerhin nicht alle Traditionen über Bord geworfen hat. Von den PS-Monstern gibt es in der Summe auch deutlich mehr zur Auswahl, als von den handelsüblichen Straßenwagen. Der Fuhrpark beträgt insgesamt ca. 150 Boliden, worüber Forza-Spieler nur müde schmunzeln.

     

    Tuckern oder Flitzen?

    Im Gegensatz zu einem Project Cars (hier unser Test) ist Gran Turismo Sport deutlich weniger Sim-lastig und ermöglichst schnellere Rennen. Und obwohl es sich dementsprechend arcadiger spielt, so besitzt jeder Wagen doch seine ganz eigene Dynamik und Handling. Egal, ob Familienwagen mit 90 PS oder Rennversion des Audi TTs, die Handhabe ist grundverschieden und man benötigt ein paar Turns, um Eins mit dem Wagen und seinen Eigenheiten zu werden. Herausstechend sind hier die Musclecars, bei denen wirklich jeder Zentimeter zu weit in der Kurve zu einem Dreher führen kann. Gleiches gilt dann auch für das Start-, Kurven- und Bremsverhalten, man merkt immer, was man unter dem Hintern fährt und muss entsprechend sein Fahrverhalten adaptieren. Das gelingt natürlich nicht gleich perfekt und hier kommt wieder ein Malus zu tragen, den die Gran Turismo Serie seit jeher mit sich trägt. Es gibt nach wie vor kein vernünftiges Schadensmodell. Hier und da zerkratzt der Lack, sofern man einen anderen Fahrer oder ein Hindernis touchiert, aber das war es dann auch schon. Sicherlich auch ein Zustand, der zur egoistischen Fahrweise in Online-Rennen beiträgt.

    Auch für Gran Turismo Sport gilt: Sparen, sparen, sparen

     

    Grafik und Sound

    Bei der Präsentation von Gran Turismo Sport kann man nur sagen, dass die Macher mal wieder alles richtig gemacht haben. Die aufgeräumten, fast schon sterilen, Menüs vermitteln den Eindruck von purer Edelhaftigkeit. Kommt her, egal wie dick euer Portemonnaie im realen Leben ist, in Gran Turismo habt ihr immer den wahrhaftigen Eindruck, dass ihr zur Rennelite dieser Welt gehört. Selten hat es ein Rennspiel so hinbekommen, euch den Eindruck purer Eleganz zu vermitteln. Das gilt auch explizit für den Fotomodus, der so dermaßen qualitativ ausgestattet ist, dass Enthusiasten hier Stunden um Stunden verbringen können, um ihr vierrädriges Prachtstück ins rechte Licht rücken zu können. Hat was von Car Porn. Im Rennen selbst sorgen die Licht- und Schatteneffekte für besonderes Ambiente. Die untergehende Sonne ist eine wahre Pracht und verleitet dazu, sein Auge auch mal abseits der Strecke schweifen zu lassen. Überhaupt ist neben dem Asphalt deutlich mehr los und Gran Turismo Sport wirkt lebhafter, als die vergangenen Ableger der Serie. Das Design der Wagen ist ohnehin über alles erhaben und besonders die Cockpits sind dermaßen nah am realen Vorbild, dass man schon den Hut vor den Entwicklern ziehen muss. Liebe zum Detail ist hier teilweise noch untertrieben. Die Schattenseite dieser Detailtiefe ist, dass wir gelegentliche Einbrüche der Framerate bemerkten. Dies gilt besonders für den Nachtkurs in Fernost, wo man sogar einen Bildaufbau im Hintergrund bemerkt. Den VR-Modus betrachten wir als nette Beigabe, er ist allerdings leider nichts Besonderes geworden. Mit nur einem Gegner und einer deutlich reduzierten grafischen Leistung hat man vom VR-Fahrgefühl schnell die Nase voll und sollte hier lieber zu Alternativen greifen, sofern man Wert auf VR legt.

    Soundtechnisch spielt Gran Turismo Sport ebenfalls in der höchsten Liga mit. Bei den „kleineren“ Wagen bemerkt man das naturgemäß eher weniger, aber dafür umso mehr, wenn man sich mit seiner PS-Schleuder mit dickem Auspuff durch das dichte Fahrerfeld wuselt.

    4K TV und PS4 Pro am Start? Dann genießt das Spiel in HDR

     

    Fazit

    Am Ende des Tages stellt sich die Frage, ob es dieses etwas abgespeckte Gran Turismo mit der hochwertigen Konkurrenz aufnehmen kann. Viele Pluspunkte kann Gran Turismo Sport in seiner Präsentation sammeln. Auch das Angebot an Strecken und Fahrzeugen ist absolut ausreichend, da es überschaubar und nicht zu ausladend ist. Abzüge gibt es dafür, dass der Solo-Modus so gering ausfällt und die Community online, zumindest derzeit, die Sau raus lässt. In der Summe kann sich Gran Turismo Sport nicht vom derzeitig üppigen Angebot anderer Rennspiele daher nicht nach oben absetzen.

    75%

     

     

    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur