Assassin’s Creed Origins – Test / Review

    Ubisoft war und wird vermutlich auch in Zukunft immer wieder für eine Überraschung gut sein. Mit dem kürzlich erschienen Assassin’s Creed Origins beweist das Studio, dass die Saga der Assassinen noch längst nicht am Ende angekommen ist. Hier ist unser Test!

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    Das alte Ägypten

    2016 war das erste Jahr, in dem die Meuchelmörder mal eine Pause einlegte. Und die war auch bitter nötig, nach den ständigen Aufs und Abs der vergangenen Jahre, seit der erste Teil der Assassin’s Creed Reihe als Playstation 3 Launch-Titel in den Regalen stand. Irgendwie war ein wenig die Luft raus. Das war nicht nur bei uns Spielern so, sondern anscheinend wollte Ubisoft den Meuchelmördern und Templern auch eine kleine, kreative Auszeit gönnen. Und die hat sich gelohnt, soviel können wir vorab schon verraten. Denn obwohl Assassin’s Creed Origins in der Zeitlinie wieder einmal nach hinten fährt, ist das Spiel an sich doch ein ziemlicher Sprung nach vorne.

    Einen großen Anteil am hohen Spaßfaktor von Assassin’s Creed Origins hat die Spielwelt des alten Ägyptens. Andere Faktoren fließen natürlich auch in unsere gute Gesamtwertung ein, aber die große, ja nahezu unendlich wirkende Spielwelt hat einen riesengroßen Mehrwert. Und das, obwohl sie natürlich alles andere als unendlich groß ist und die obligatorischen, unsichtbaren Grenzen eines jeden open world Titels mit sich bringt. An diesem Punkt könnte man argumentieren, dass ja jedes Assassin’s Creed eine offene Welt mit sich bringt. Ja, das tut es, aber man muss schon lange im Gedächtnis wühlen, bis man eine gleichermaßen charmante, wie überzeugende Welt wiederfindet. Rein auf dem Papier spricht Ubisoft übrigens von rund 30 km² Fläche, die man per pedes begehen darf. Gerade im Hinblick auf die jüngere Vergangenheit der Serie, Paris (Unity), London (Syndicate) und natürlich Italien, bietet Ägypten mit den kleineren Dörfern, beeindruckenden Pyramiden und sandigen Wüsten schlicht viel mehr Abwechslung. Hier steht kein Haus neben dem anderen und nach einem Dutzend hat man das Gefühl, ein ganz ähnliches Gebäude doch eben erst gesehen zu haben.

    Das Spiel ist dabei sehr geschickt in seinem Aufbau. Zum Start hin ist die Welt schon beeindruckend. Man schlendert über belebte Märkte und schleicht zwischen kleineren Schabracken durch. Damit uns über die Spieldistanz von mehr als 50 Stunden auch nicht die Puste bzw. das Staunen ausgeht, verschlägt es uns erst später in die riesigen Metropolen wie beispielsweise Alexandria. Man kann nur erahnen, wie bombastisch einige bekannte Gebäude wie der Leuchtturm tatsächlich gewesen sein müssen, von den Pyramiden ganz zu schweigen. Faktisch kann man hier Stunden um Stunden nur mit der Erkundung der Superlativen verbringen, ohne auch nur einen Schritt weiter in der Story zu kommen. Wann gab es das zuletzt?

     

    Bayek und Aya

    Die stetig erweiterte Spielwelt steht natürlich im Einklang mit einer entsprechenden Story. Unser Assassine Bayek folgt einem ganz ähnlichen Muster wie bereits seine spielerischen Vorgänger und die Templer, hier noch in einer sehr frühen Phase, sind auch wieder mit von der Partie. Assassin’s Creed Origins emanzipiert sich dahingehend, dass Bayeks Frau Aya mit fortschreitendem Spiel auch eine tragende Rolle zukommt. Dabei spielen die Macher ziemlich geschickt mit stetig ändernden Gefühlen, so dass mal der ernste Part überwiegt, dann der unterhaltsame. Im Gesamten kommen wieder einige Klischees vor und die Story birgt keine großen Aha-Momente. Langweilig wird es aber dadurch fast nie, da Ubisoft die Seiten-Missionen sehr geschickt ins Spiel eingeflochten hat. Diese nämlich lenken immer mal wieder kurzzeitig ab und bringen, neben der eigentlichen Aufgabe der Mission, nette und ausgeschmückte Nebenerzählungen mit sich. Die KI bekommt auf diesem Wege oft ein Gesicht und bleibt nicht im Sumpf der Anonymität stecken.

    Zwischendurch geht es dann immer mal wieder zurück in die reale Welt mit dem ganzen Animus-Blah-Blah. Warum man hier dieses Beiwerk nicht so langsam mal über den Haufen wirft, wissen wohl nur die Macher. In Assassin’s Creed Origins fühlen sich diese Ausflüchte eher störend als wohltuend an.

     

    Zieh dein Schwert

    Neben der Spielwelt ist der zweite Schritt in die richtige Richtung der, dass das Kampfsystem endlich angepasst wurde. In Kombination mit einer ziemlich klugen KI in Gruppenkämpfen macht das richtig Laune. Trefft ihr auf drei oder mehr Gegner, greifen euch diese nämlich nicht einfach stumpf an. Sie agieren im Team, einer kommt von vorne, einer lauert im Rücken und ein dritter zielt im Hintergrund bereits auf euch. Ubisoft kürze das reaktive Kampfsystem vergangener Teile auf einen Bruchteil herunter, so dass wir jetzt deutlich proaktiver ins Geschehen eingreifen müssen. Vorbei also die Zeiten, in denen man auf Konter lauerte und mit nur einem Button die Gegner schön nacheinander dezimieren konnte. Statt dessen sucht man sich eine gute Position, macht Ausweichrollen und wartet auf eine sichere Ausgangslage, um den finalen Stoß anzusetzen. Das stärkt den flow und man fühlt sich deutlich agiler in Kämpfen, als beispielsweise noch in Unity. Auf blutige slowmotion Finisher nach einer filigranen Kombo muss man übrigens nicht verzichten, diese sind natürlich am Start und teilweise enorm detailliert dargestellt. Aber so war das wohl damals, eben wenig zimperlich.

    Abseits der Kämpfe bleibt beim übrigen Gameplay ziemlich viel von der Creed-DNA, die wir seit Jahren kennen. Man klettert, man hüpft, man schleicht und man meuchelt. Etwas zuviel des Guten ist das ausufernde Loot-System. Eher untypisch für die Serie muss man nun deutlich häufiger einen Blick ins Inventar werfen, um sich gleich um ein Dutzend Schwerter und Bögen zu erleichtern, die man nicht benötigt. Gleichwohl steht einem der obligatorische Talentbaum offen, der mit aktiven und passiven Skills Bayek immer mächtiger werden lässt.

    Und dann wäre da noch der Falke, der ja irgendwie auch schon fast zur Ubisoft-Blaupause gehört. Watch Dogs 2 hatte die Drohne, Far Cry auch ein Federvieh und so darf unser geflügelter Begleiter auch nicht in Assassin’s Creed Origins fehlen. Das buchstäbliche Adlerauge deckt für uns Gegner und Orte auf, die wir dann in der Karte markiert behalten. Neu ist, dass man vom Start weg direkt über die komplette Map fliegen darf. Was für das Auge wunderschön ist, Stichwort: tolle Spielwelt, ist für den Fortschritt allerdings keine Option, denn in den späteren Gebieten überlebt man als kleiner Noname keine zehn Schritte.

     

    Grafik und Sound

    Erwähnten wir eigentlich schon, dass die Spielwelt extrem schick ist? Falls nicht: Sie ist es. Abseits davon schleichen sich hier und da einige Unsauberkeiten ein, allen voran Clipping-Fehler. In einigen Fällen kam es auch zu Popups im Hintergrund, was der fantastischen Weitsicht geschuldet sein dürfte. Wobei diese meist nur dann auftauchen, wenn man mit dem Falken ordentlich Gas gibt und zum großen Sturzflug ansetzt. Ansatzweise merkt man hier die Grenzen der Playstation 4, auf der wir Assassin’s Creed Origins für den Test gespielt haben. Der ansonsten tollen Grafik stehen Zwischensequenzen gegenüber, die das Niveau deutlich nach unten ziehen. Steife Texturen und haufenweise Artefakte lassen bei uns fragende Blicke übrig. Zur Bewertung des Sound können wir die Geschichte auf ein Wort runterbrechen: Passt.

     

    Fazit

    Ja wer hätte denn gedacht, dass Assassin’s Creed Origins dann doch eine so positive Überraschung werden würde? Nach einem Jahr Pause hat man die kurze Durststrecke sinnvoll genutzt und der Serie frischen Wind eingehaucht. Wenn das so ist, dann warten wir gerne ab jetzt immer zwei Jahre auf den nächsten Ableger. Origins bietet im Gameplay dezente, aber sinnvolle Neuerungen. Allen voran das Kampfsystem wurde endlich mal mit einer aktiven Steuerung bedacht und dadurch nicht mehr eindimensional vor sich hin werkelt. Neben leichten RPG-Elementen und erstaunlich abwechslungsreichen Nebenmissionen muss man die lebendige Spielwelt des alten Ägyptens einfach lieben. Origins ist vielleicht nicht perfekt, aber ein guter Schritt in die richtige Richtung. Der Spielspaß ist wieder zurück und wir machen uns jetzt auf zum nächsten Kamelritt durch die Wüste.

     

    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur