Atari 2600 (VCS) Retro-Review

Jeder kennt heutzutage die Major Player der Videospielindustrie. Seien es jetzt Nintendo, Sony, Microsoft oder in den 80ern und 90ern auch Sega.
Die Geschichte der Videospiele geht aber weiter zurück als nur in die 1980er, und so wollen wir heute einer Konsole gedenken, ohne die die heutige Industrie nicht die wäre, die sie ist.
Im September 1977 hat die Konsole Atari (VCS) 2600 nämlich ihren Release gefeiert.

Schon zum Erscheinen im September 1977 eigentlich technisch veraltet – mit einer 1,19 Mhz CPU und 128 Bytes RAM (ihr habt richtig gelesen: weder Kilo- noch Mega-, nur Bytes) und anfangs nur spärlich unterstützt – sollte die Konsole zwei Jahre später durch Lizenzen von Titeln wie Space Invaders der Renner im Weihnachtsgeschäft des Jahres 1979 werden.
Die Idee von Hard- und Softwaretrennung – also eine cartridgebasierte Konsole, bei der man das Grundgerät nur einmal kaufen musste und Spiele in Form von Cartridges verwenden konnte – basierte auf einem Computer der Firma Hewlett Packard (dem HP 9830) und sollte sich für Atari zum Glücksgriff erweisen.

Aliens? Feuer!

Die Lizenz des Spiels Space Invaders im Jahre 1980 sorgte dann für einen ungeahnten Hype und Atari schaffte allein in jenem Jahr einen Umsatz von zwei Milliarden US-Dollar.
Diverse Revisionen der Konsole – zuerst in Holzoptik, anschließend ein Modell aus schwarzem Plastik (heutzutage auch als „Darth Vader“ bekannt) – sorgten auch dafür, dass Atari bei der Produktion Geld sparen konnte, was dem Gewinn der Firma nur zu Gute kam. Allerdings gab es einige Fehlentscheidungen, die sich im Verlauf der Jahre als äußerst problematisch erweisen sollten.

Experimente können extrem schief gehen

Atari experimentierte mit diversen neuen Entwicklungen, die alle auf dem 2600 basierten;
unter anderem dem 2700, der nie auf den Markt gekommen ist, weil die Funkcontroller theoretisch eine Reichweite von 300m hatten und folglich andere Konsolen in der Umgebung stören konnten; gepaart mit der Tatsache, dass die Prototypen sogar in der Lage waren, funkgesteuerte Garagentore zu öffen. Die Werbung für das Gerät war schon im vollen Gange und Atari musste mit herben Verlusten leben.

Zusätzlich hatte Atari mit Publishern zu kämpfen. Die Kontrolle über die entwickelten Spiele lag nicht bei Atari, und so kamen immer mehr Spiele auf den Markt, die – sogar in Anbetracht der schwachen Grundhardware – einfach nur schlecht waren.
Den Untergang der anfänglichen Erfolgsgeschichte sollte aber ein Spiel besiegeln – und in vielen Listen der schlechtesten Videospiele aller Zeiten ist dieser Titel oftmals auf Platz 1 zu finden, welcher sich als Quasi-Sargnagel der Branche herausstellen und Schuld an der Beinahe-Pleite von Atari in den 1980ern sein sollte (und eine dreißig Jahre andauernde urbane Legende am Leben erhielt).

Viele schlechte Titel verhalfen dem Atari 2600 über die Jahre zu einem mitunter zweifelhaften Ruf, aber was man mit Filmlizenzen nicht machen sollte, das hat die Branche nach dieser Geschichte gelernt.
Wer meint, dass die Filmindustrie nur schlechte Verfilmungen zu Videospielen zu bieten hat (dazu unsere Reviews zu Super Mario Bros., Street Fighter – The Movie oder der unglaublich miese Mortal Kombat: Annihilation) wird staunen: der umgekehrte Weg kann sogar eine ganze Branche zum Erliegen bringen.

Wären ihre Ideen einfach zu Hause geblieben…

1982 kam Atari auf die Idee, dass es eine gute Idee wäre, zum damals neuen Spielberg-Film E.T. – Der Außerirdische ein Spiel auf den Markt zu bringen.

Atari-ET
Cover von ET für den 2600; Quelle: amazon.com

Das Spiel – welches knappe 6 Monate nach Release des Films pünktlich zum Weihnachtsgeschäft fertig werden sollte – wurde von dem Programmierer Howard Scott Warshaw binnen 5 1/2 Wochen programmiert und stellte sich bei Release als konfus, verwirrend und einfach nur schlecht heraus.

Atari soll – in Anbetracht großer Gewinne zum Weihnachtsgeschäft – Gerüchten zufolge 5 Millionen Exemplare vorproduziert haben, von denen aber gerade einmal – laut unterschiedlichen Quellen – knapp eine Million Exemplare verkauft wurden.


Alles auf den Müll…

Im Jahr darauf soll Atari 20 LKW-Ladungen mit diverser Hardware und vielen Spielen in New Mexico vergraben haben, was sich im Jahre 2014 endgültig bewahrheiten sollte, als ein Joint-Venture – unter anderem war Microsoft beteiligt – sich der Müllhalde annahm und tatsächlich diverse Dinge fand, die sich seit 1983 tief vergraben dort befunden hatten. Darunter dutzende E.T. Module.

Da Cartridges in der der damaligen Zeit mit ROMs bestückt wurden (Read Only Memory), die nicht wiederbeschreibbar waren, musste Atari einen herben Verlust hinnehmen, der allerdings in den beiden folgenden Jahren noch steigen sollte.

Der Crash

Schon Ende 1982 begang dann ein Ereignis im nordamerikanischen Markt, der heute als Video Game Crash oder Crash von 1983 in den Geschichtsbüchern niedergeschrieben werden sollte.
Die unkontrollierte Produktion von Modulen – lizenziert wie unlizenziert – und einer mangelnden Qualitätskontrolle setzte Atari wie diversen anderen Konsolenherstellern massivst zu.
Während heutzutage 3 Hersteller die Branche fest in ihrer Hand haben – namentlich Nintendo, Sony und Microsoft – gab es zu Beginn der 1980er zu viele Konsolen von diversen Herstellern, die alle ihre eigene Bibliothek hatten und zueinander inkompatibel waren, darunter diese Liste mit einigen Exoten:

  • Atari 2600
  • Atari 5200
  • Bally Astrocade
  • Colecovision
  • Coleco Gemini
  • Emerson Arcadia 2001
  • Fairchild Channel F System II
  • Magnavox Odyssey2
  • Mattel Intellivision
  • Intellivision II
  • Sears Tele-Games Systems
  • Tandyvision
  • Vectrex

Da sich das Weihnachtsgeschäft 1982 – angeführt von Atari’s E.T. – als desaströs herausstellen sollte und viele Händler versuchten, ihre unverkauften Module an die Hersteller zurückzugeben, sollte sich herausstellen, dass diese weder über die finanziellen Mittel noch adäquaten Ersatz für die Flops in Form von besseren Spiele besaßen; was zum Ausscheiden vieler Hersteller aus dem Markt führen sollte.

Load…

Während der Crash in Europa durch die marktbeherrschenden Heimcomputer wie den Commodore C64 kaum Auswirkungen hatte und der japanische Markt sowieso seine eigenen Regeln besaß und auch heute noch besitzt, kam der Markt nach dem Crash – dessen Auswirkungen sich 1984 endgültig zeigen sollten – in Nordamerika quasi vollständig zum Erliegen. Erst durch den Release des in Japan unter dem Namen Famicom bekannten Nintendo Entertainment Systems im Jahre 1985 sollte sich die Branche wieder langsam erholen.
Während Nintendo und Sega in den kommenden 10 Jahren den Markt beherrschten, hatte Atari in den folgenden Jahren mit miesem Image, schlechten Konsolen und diversen Divisionsverkäufen zu kämpfen.

Auch die Dinosaurier lebten nicht ewig…

Während Videospiele und auch Konsolen bis zum Aufkommen des Nintendo Entertainment Systems quasi mit dem Namen Atari assoziiert wurden, sollte Atari am meisten unter seinem aufgebauten schlechten Image leiden müssen. Nach einem Verkauf u.a. an den Gründer von Commodore und einigen anderen Besitzerwechseln sollte sich Atari noch wenige Jahre am Konsolenmarkt halten können, bis die Flops des 1989 veröffentlichten Lynx – welcher hauptsächlich in Konkurrenz zum Game Boy und dem Sega Game Gear stand – und des Pseudo-64-Bitters Jaguar (im Jahr 1993) der Firma – und vor allem deren Image – endgültig das Genick gebrochen haben.

Heute ist die Marke Atari im Besitz der früheren französischen Firma Infogrames, welche seit 2009 unter dem Namen Atari SA bekannt ist (und ebenfalls bereits insolvent gegangen ist). Eigene Spiele entwickelt die Firma nicht mehr, diese lässt sie nun durch externe Unternehmen entwickeln.