Die Geschichte der Videospiele – Teil I

Für viele unserer Leser – und selbstverständlich auch für uns in der Redaktion – sind Videospiele ein unverzichtbarer Zeitvertreib geworden, den viele auch überzeugt betreiben und genießen. Wenn manche Menschen von den „guten alten Zeiten“ schwärmen, dann reden sie meistens von Generationen, die die heutige Jugend – aber auch viele bereits erwachsenen Spieler – gar nicht mehr mitbekommen haben, weil sie einfach zu jung oder noch gar nicht geboren waren.
Der Markt für gebrauchte Spiele – gerade der sehr alten Generationen – explodiert förmlich, und so tun es auch die Preise. Aber viele – insbesondere Nicht-Videospieler, die unser aller Hobby höchstens belächeln – fragen sich: wieso ist das so? Wieso können „Pixelhaufen“, die es in Cartridge- oder CD-Form zu kaufen gab und gibt, die heutzutage eventuell nur noch wage als „Figuren“ gesehen werden können, so viel Geld einbringen?
In unserer neuen Reihe „Die Geschichte der Videospiele“ möchten wir versuchen, diese Fragen zu beantworten und die komplette, teilweise überaus komplexe Geschichte dieses Hobbies und der dahinterstehen Industrie, die sich in den vergangenen Jahren darum entwickelt hat – und heutzutage Milliarden einnimmt – zu erläutern und zu analysieren.

Die Anfänge

Die Geschichte der Videospiele reicht sehr viel weiter zurück als mancher glauben mag. Begonnen hat alles mit diversen Spieleautomaten in öffentlichen Bars, die aber noch analog arbeiteten. Diese gab es teilweise schon seit den 1880er Jahren.
Die ersten elektronischen Videospiele traten ihren Weg in die Öffentlichkeit allerdings sehr viel später an.
Begonnen hat alles im Jahre 1940, als auf der damaligen World Fair 1939-1940 in New York (heutzutage auch bekannt als EXPO) der Nuklear-Wissenschaftler Dr. Edward U. Condon für die Westinghouse Ausstellung ein Gerät entwickelte, welches das bekannte Nim-Spiel in elektronischer Form spielbar machte.

Nim-Spiel
Vereinfachte Darstellung des NIM-Spieles

Das als NIMATRON bezeichnete Gerät wurde im zweiten Jahr der Ausstellung von schätzungsweise 50.000 Menschen herausgefordert und gewann ca. 90% der Spiele.

Das Nimatron
Das Nimatron

Condon entwickelte die Maschine sogar so weit, dass sie einen sogenannten Slow Down besaß, damit die menschlichen Gegenspieler den Eindruck gewannen, dass die Maschine nachdenken müsse, um die Illusion einer Künstlichen Intelligenz zu erzeugen.
Nach dem Ende der World Fair fand das NIMATRON seinen Weg in ein Museum, wo es wohl irgendwann in seine Einzelteile zerlegt wurde und heute fast in Vergessenheit geraten ist.
Condon selbst sagte einmal, dass die Entwicklung des NIMATRON einer der größten Fehlschläge seiner Karriere gewesen sei; dies allerdings tatsächlich nur, weil er das zugrunde liegende Potential dahinter nicht realisiert habe.

Nun werden einige sicher sagen, dass es mit Sicherheit kein Videospiel im heutigen Sinne sei. Dies mag korrekt sein, allerdings erfüllte das NIMATRON alles sonstigen Bedingungen, mit Ausnahme eines Displays; allerdings besaß es einige Lampen, um den aktuellen Spielstand anzuzeigen.

Anm. der Redaktion: Falls jemand das Nim-Spiel mal gegen einen Computer spielen möchte, so findet man auf der Seite archimedes-lab.org eine online spielbare Variante, die sich unter folgendem Link auch direkt aufrufen lässt: Link

Wer in Geschichte aufgepasst hat, der kann sich sicher denken, dass die Völker der Welt in den Jahren 1939-1945 eigentlich ganz andere Dinge im Kopf hatten als die Entwicklung und Vorantreibung neuer Ideen der Unterhaltung; der Zweite Weltkrieg sollte dies verhindern.

Darum – und weil die technische Entwicklung damals noch etwas langsamer voranschritt als heutzutage – sollte sich im Bereich elektronischer Unterhaltung / Videospiel erst 1947 wieder etwas größeres ergeben, was durch eine Patentanmeldung auch geschah.

The „Cathode ray tube amusement device“

Unter der US-Patentnummer US2455992 A, welche 1947 eingetragen und ’48 veröffentlicht wurde, findet man die erste Idee eines Videospieles im klassischen Sinne, welches allerdings keinerlei CPUs hatte, sondern rein elektromechanisch funktionieren sollte.
Der US-TV-Pionier Thomas T. Goldsmith, Jr. reichte dieses Patent gemeinsam mit Estle Ray Mann ein; allerdings wurde dieses Gerät nie vermarktet und ist deswegen höchstens für Historiker interessant.

Cathode ray tube amusement device, schematischer Aufbau. Quelle: wikipedia.org
Cathode ray tube amusement device, schematischer Aufbau.
Quelle: wikipedia.org

Die Funktionsweise war so einfach wie simpel: über eine Kathodenstrahlröhre (welche sich auch in den alten, für heutige Verhältnisse ziemlich fetten Fernsehern vor dem Flachbildzeitalter findet, daher auch der Begriff „Röhre“) wird ein Punkt angezeigt, dieser stellt die Waffe dar. Mithilfe eines Knopfes (quasi ein Joystick) wird dieser Punkt bewegt, und wenn er sich über einem Flugzeug befindet, muss man den Knopf drücken.
Wikipedia erklärt das ein wenig genauer, hier findet man folgende Erklärung:

The player turns a control knob to position the CRT beam on the screen; to the player, the beam appears as a dot, which represents a reticle or scope. The player has a restricted amount of time in which to maneuver the dot so that it overlaps an airplane, and then to fire at the airplane by pressing a button. If the beam’s gun falls within the predefined mechanical coordinates of a target when the user presses the button, then the CRT beam defocuses, simulating an explosion.
Quelle: wikipedia.org

Man sieht also, eindeutig ein Videospiel im klassischen Sinne, auch wenn die Umsetzung dürftig erscheint. Aber, man darf nicht vergessen: das war in den 1940er Jahren; zu einer Zeit also, in der die Menschheit gerade erst angefangen hat, technische Wunder zu vollbringen (auch wenn viele Nationen auf die Entwicklung der Atombombe hätten verzichten können, die ja ebenfalls in den 1940ern ihre „Geburt“ fand).

1950 und das Spiel der Könige

Claude Shannon, in der Zeitgeschichte auch besser als Vater der Informationstheorie bekannt und welcher – unter anderem – bereits früh mit dem Gedanken an Künstlicher Intelligenz experimentierte, publizierte 1950 ein Papier mit folgendem Titel:
Programming a Computer for Playing Chess
Man sieht also, der Gedanke an einen Schachcomputer existierte bereits lange vor Deep Blue, dem ersten Computer, der einen amtierenden Schachweltmeister besiegen konnte.
Auch Alan Turing und auch John von Neumann – alles Koryphäen der frühen Informatik – befassten sich mit den Theorien der Schachcomputer und der dahinterstehenden Technik.
Und 1952 war es dann soweit: das älteste grafische Computerspiel, welches diesen Titel auch wirklich verdient hatte, erblickte das Licht der Welt.

1952, Noughts and Crosses, oder: OXO

OXO Quelle: wikipedia.org
OXO
Quelle: wikipedia.org

Noughts and Crosses, bei uns auch bekannt als Tic Tac Toe, wurde 1952 von Alexander „Sandy“ Douglas auf einem EDSAC Computer in Zusammenhang mit seiner Ph.D – Thesis entwickelt. Die Funktionsweise war simpel:
unter Zuhilfenahme einer Wählscheibe, wie man sie auch in klassischen Telefonen fand, wählte man sein entsprechendes Feld und setzte sein Symbol in selbiges.
Interessant wurde das Spiel, weil man nicht, wie man jetzt erwarten könnte, gegen einen menschlichen Mitstreiter kämpfte, sondern weil das Spiel tatsächlich eine KI besaß.
Als Display diente wieder eine Kathodenstrahlröhre (CRT), wie sie auch schon beim Cathode ray tube amusement device als Display fungiert hat.

OXO auf einem EDSAC Emulator Quelle: wikipedia.org
OXO auf einem EDSAC Emulator
Quelle: wikipedia.org

Die Entwicklung von Videospielen fand allerdings meist nur in einem recht elitären Rahmen statt; so entwickelten 1954 Programmierer in Los Alamos – dem Geburtsort der Atombombe – ein Blackjack-Programm auf einem IBM-701 Computer.
1955 entwickelte das US-Militär Hutspiel, welches sich am Besten mit dem Film WarGames – Kriegsspiele aus dem Jahre 1983 vergleichen lässt, indem rote und blaue Spieler (welche Nato- und Sowjetkommandanten darstellen) Kriegsszenarien durchspielen.
Das Jahr 1956 sollte dann wieder recht interessant werden, als Arthur Samuel sein selbstentwickeltes Dame-Programm – welches wieder auf einem IBM-701 entwickelt wurde und rudimentär lernfähig war – im Fernsehen präsentierte. 6 Jahre später besiegte das Programm sogar den damaligen amtierenden Landesmeister von Connecticut.

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